Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

welcher bereits im Jahre 1816 der Grundstein, man möchte sagen
der Grundstein der neuem Münchner Kunst überhaupt, gelegt wurde,
begann das große Talent Leo von Klenze'ö in Wirkung zu treten.
An ihm machte die Münchner Architektur eine ähnliche heilbringende
Eroberung, wie die Berliner an Schinkel. Wenige Jahre später wurde
Friedrich von Gärtner, später der Erbauer des Bibliothek-, des Uni-
versitätsgebäudes, der Ludwigskirche, des imposanten Wittelsbacher
Palastes u. s. w. zum Professor der Baukunst an der Akademie der
Künste ernannt. Die Zukunft der Architektur war somit für Mün¬
chen gesickert. Ein Gleiches geschah für die Malerei durch die Be¬
rufung von Cornelius, welcher den Austrag erhielt, die Glyptothek
mit jenen so berühmt gewordenen Fresken auszustatten, von denen
unläugbar eine neue Aera der deutschen Malerei ihren Anfang nimmt.
Abermals, wie in der Zusammensetzung der Gemäldegalerie in der
Pinakothek, begegnen sich hier München und Düsseldorf, indem Cor¬
nelius, als Director der Düsseldorfer Akademie, mehrere Jahre lang
mit den vorzüglichsten seiner Düsseldorfer Schüler München besuchte,
um hier während der Sommermonate an den Fresken in der Glyp¬
tothek zu arbeiten. Im Jahre 1824 vertauschte der inzwischen zum
Vorstand der Akademie der Künste berufene Cornelius Düsseldorf ganz
mit München, und so setzte sich, nach vollbrachter Scheidung, wie
bereits angedeutet, die epische Anschauung mehr in München, die
lyrische Empfindung mehr in Düsseldorf, dort mehr die Historie, hier
mehr das Genre, dort mehr die monumentale Freskomalerei, hier
mehr die beweglichere Oelmalerei fest. Zu streng sind freilich die
Grenz- und Scheidelinien nicht zu ziehen, da man in Düsseldorf auch
im Einzelnen schöne Historien-, in München auch treffliche Genrebilder,
in beiden Städten aber vorzügliche Landschaften zu malen weiß, nur
daß die Düsseldorfer auch in die Landschaft eine mehr subjective
Stimmung hineinzulegen lieben, die Münchner sie objectiver und epi¬
scher auffassen. Man braucht nur an den Münchner Nottmann und
den Düsseldorfer Lessing zu erinnern, um mit der Manier Beider auch
zugleich die mehr klassisch epische und objective Münchner und die
mehr romantisch lyrische und subjective Düsseldorfer Landschaftsmalerei
bezeichnet zu haben. Auf diese Verschiedenartigkeit der Auffassung
hat freilich auch der ganz verschiedene Charakter der näheren oder
ferneren landschaftlichen Umgebungen beider Städte einen nicht


Grclijbvtcn 1"js. ,.

welcher bereits im Jahre 1816 der Grundstein, man möchte sagen
der Grundstein der neuem Münchner Kunst überhaupt, gelegt wurde,
begann das große Talent Leo von Klenze'ö in Wirkung zu treten.
An ihm machte die Münchner Architektur eine ähnliche heilbringende
Eroberung, wie die Berliner an Schinkel. Wenige Jahre später wurde
Friedrich von Gärtner, später der Erbauer des Bibliothek-, des Uni-
versitätsgebäudes, der Ludwigskirche, des imposanten Wittelsbacher
Palastes u. s. w. zum Professor der Baukunst an der Akademie der
Künste ernannt. Die Zukunft der Architektur war somit für Mün¬
chen gesickert. Ein Gleiches geschah für die Malerei durch die Be¬
rufung von Cornelius, welcher den Austrag erhielt, die Glyptothek
mit jenen so berühmt gewordenen Fresken auszustatten, von denen
unläugbar eine neue Aera der deutschen Malerei ihren Anfang nimmt.
Abermals, wie in der Zusammensetzung der Gemäldegalerie in der
Pinakothek, begegnen sich hier München und Düsseldorf, indem Cor¬
nelius, als Director der Düsseldorfer Akademie, mehrere Jahre lang
mit den vorzüglichsten seiner Düsseldorfer Schüler München besuchte,
um hier während der Sommermonate an den Fresken in der Glyp¬
tothek zu arbeiten. Im Jahre 1824 vertauschte der inzwischen zum
Vorstand der Akademie der Künste berufene Cornelius Düsseldorf ganz
mit München, und so setzte sich, nach vollbrachter Scheidung, wie
bereits angedeutet, die epische Anschauung mehr in München, die
lyrische Empfindung mehr in Düsseldorf, dort mehr die Historie, hier
mehr das Genre, dort mehr die monumentale Freskomalerei, hier
mehr die beweglichere Oelmalerei fest. Zu streng sind freilich die
Grenz- und Scheidelinien nicht zu ziehen, da man in Düsseldorf auch
im Einzelnen schöne Historien-, in München auch treffliche Genrebilder,
in beiden Städten aber vorzügliche Landschaften zu malen weiß, nur
daß die Düsseldorfer auch in die Landschaft eine mehr subjective
Stimmung hineinzulegen lieben, die Münchner sie objectiver und epi¬
scher auffassen. Man braucht nur an den Münchner Nottmann und
den Düsseldorfer Lessing zu erinnern, um mit der Manier Beider auch
zugleich die mehr klassisch epische und objective Münchner und die
mehr romantisch lyrische und subjective Düsseldorfer Landschaftsmalerei
bezeichnet zu haben. Auf diese Verschiedenartigkeit der Auffassung
hat freilich auch der ganz verschiedene Charakter der näheren oder
ferneren landschaftlichen Umgebungen beider Städte einen nicht


Grclijbvtcn 1»js. ,.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/269684"/>
            <p xml:id="ID_767" prev="#ID_766" next="#ID_768"> welcher bereits im Jahre 1816 der Grundstein, man möchte sagen<lb/>
der Grundstein der neuem Münchner Kunst überhaupt, gelegt wurde,<lb/>
begann das große Talent Leo von Klenze'ö in Wirkung zu treten.<lb/>
An ihm machte die Münchner Architektur eine ähnliche heilbringende<lb/>
Eroberung, wie die Berliner an Schinkel. Wenige Jahre später wurde<lb/>
Friedrich von Gärtner, später der Erbauer des Bibliothek-, des Uni-<lb/>
versitätsgebäudes, der Ludwigskirche, des imposanten Wittelsbacher<lb/>
Palastes u. s. w. zum Professor der Baukunst an der Akademie der<lb/>
Künste ernannt.  Die Zukunft der Architektur war somit für Mün¬<lb/>
chen gesickert.  Ein Gleiches geschah für die Malerei durch die Be¬<lb/>
rufung von Cornelius, welcher den Austrag erhielt, die Glyptothek<lb/>
mit jenen so berühmt gewordenen Fresken auszustatten, von denen<lb/>
unläugbar eine neue Aera der deutschen Malerei ihren Anfang nimmt.<lb/>
Abermals, wie in der Zusammensetzung der Gemäldegalerie in der<lb/>
Pinakothek, begegnen sich hier München und Düsseldorf, indem Cor¬<lb/>
nelius, als Director der Düsseldorfer Akademie, mehrere Jahre lang<lb/>
mit den vorzüglichsten seiner Düsseldorfer Schüler München besuchte,<lb/>
um hier während der Sommermonate an den Fresken in der Glyp¬<lb/>
tothek zu arbeiten.  Im Jahre 1824 vertauschte der inzwischen zum<lb/>
Vorstand der Akademie der Künste berufene Cornelius Düsseldorf ganz<lb/>
mit München, und so setzte sich, nach vollbrachter Scheidung, wie<lb/>
bereits angedeutet, die epische Anschauung mehr in München, die<lb/>
lyrische Empfindung mehr in Düsseldorf, dort mehr die Historie, hier<lb/>
mehr das Genre, dort mehr die monumentale Freskomalerei, hier<lb/>
mehr die beweglichere Oelmalerei fest. Zu streng sind freilich die<lb/>
Grenz- und Scheidelinien nicht zu ziehen, da man in Düsseldorf auch<lb/>
im Einzelnen schöne Historien-, in München auch treffliche Genrebilder,<lb/>
in beiden Städten aber vorzügliche Landschaften zu malen weiß, nur<lb/>
daß die Düsseldorfer auch in die Landschaft eine mehr subjective<lb/>
Stimmung hineinzulegen lieben, die Münchner sie objectiver und epi¬<lb/>
scher auffassen. Man braucht nur an den Münchner Nottmann und<lb/>
den Düsseldorfer Lessing zu erinnern, um mit der Manier Beider auch<lb/>
zugleich die mehr klassisch epische und objective Münchner und die<lb/>
mehr romantisch lyrische und subjective Düsseldorfer Landschaftsmalerei<lb/>
bezeichnet zu haben.  Auf diese Verschiedenartigkeit der Auffassung<lb/>
hat freilich auch der ganz verschiedene Charakter der näheren oder<lb/>
ferneren landschaftlichen Umgebungen  beider Städte einen nicht</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grclijbvtcn 1»js. ,.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0267] welcher bereits im Jahre 1816 der Grundstein, man möchte sagen der Grundstein der neuem Münchner Kunst überhaupt, gelegt wurde, begann das große Talent Leo von Klenze'ö in Wirkung zu treten. An ihm machte die Münchner Architektur eine ähnliche heilbringende Eroberung, wie die Berliner an Schinkel. Wenige Jahre später wurde Friedrich von Gärtner, später der Erbauer des Bibliothek-, des Uni- versitätsgebäudes, der Ludwigskirche, des imposanten Wittelsbacher Palastes u. s. w. zum Professor der Baukunst an der Akademie der Künste ernannt. Die Zukunft der Architektur war somit für Mün¬ chen gesickert. Ein Gleiches geschah für die Malerei durch die Be¬ rufung von Cornelius, welcher den Austrag erhielt, die Glyptothek mit jenen so berühmt gewordenen Fresken auszustatten, von denen unläugbar eine neue Aera der deutschen Malerei ihren Anfang nimmt. Abermals, wie in der Zusammensetzung der Gemäldegalerie in der Pinakothek, begegnen sich hier München und Düsseldorf, indem Cor¬ nelius, als Director der Düsseldorfer Akademie, mehrere Jahre lang mit den vorzüglichsten seiner Düsseldorfer Schüler München besuchte, um hier während der Sommermonate an den Fresken in der Glyp¬ tothek zu arbeiten. Im Jahre 1824 vertauschte der inzwischen zum Vorstand der Akademie der Künste berufene Cornelius Düsseldorf ganz mit München, und so setzte sich, nach vollbrachter Scheidung, wie bereits angedeutet, die epische Anschauung mehr in München, die lyrische Empfindung mehr in Düsseldorf, dort mehr die Historie, hier mehr das Genre, dort mehr die monumentale Freskomalerei, hier mehr die beweglichere Oelmalerei fest. Zu streng sind freilich die Grenz- und Scheidelinien nicht zu ziehen, da man in Düsseldorf auch im Einzelnen schöne Historien-, in München auch treffliche Genrebilder, in beiden Städten aber vorzügliche Landschaften zu malen weiß, nur daß die Düsseldorfer auch in die Landschaft eine mehr subjective Stimmung hineinzulegen lieben, die Münchner sie objectiver und epi¬ scher auffassen. Man braucht nur an den Münchner Nottmann und den Düsseldorfer Lessing zu erinnern, um mit der Manier Beider auch zugleich die mehr klassisch epische und objective Münchner und die mehr romantisch lyrische und subjective Düsseldorfer Landschaftsmalerei bezeichnet zu haben. Auf diese Verschiedenartigkeit der Auffassung hat freilich auch der ganz verschiedene Charakter der näheren oder ferneren landschaftlichen Umgebungen beider Städte einen nicht Grclijbvtcn 1»js. ,.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/267
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/267>, abgerufen am 26.05.2024.