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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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abgesehen von seinem Kunstwerth, schon wegen der Originalität viel
Glück unter allen Kunstfreunden machen muß. Sie geben nämlich
die "Schattenseiten der Düsseldorfer Kunstwelt" heraus.
Die scharfsinnige Berliner Kritik wird hier sagen: das verstehen wir
besser, namentlich wenn wir uns selbst dabei gehörig in's Licht stellen
können. Aber tröstet Euch -- Ihr versteht das nicht, denn Ihr
kennt die Düsseldorfer nicht, und das ist dazu durchaus nöthig. Es
sollen nämlich unter obigem Titel alle namhaften Künstler der Düssel-
dorfer Akademie portraitirt werden, und zwar nicht in gewöhnlichen
philiströsen Bildnissen, sondern Jeder in seinem Atelier "mit einer
verkürzten Ansicht seiner letzten Werke." Der drollige Titel wird dadurch
gerechtfertigt, daß man die Figuren alle von der Schattenseite sieht,
da ihre Vorderseite bei der Arbeit dem Lichte zugekehrt ist; jeder in
seinem Heiligthume, worin es meistens so bunt aussieht, wie in dem
Laboratorium eines Adepten des Mittelalters. Bunt sind die Farben-
klekse auf der Wand, bunt die Kostümlappen auf den lebenden Mo¬
dells oder den hölzernen Gliederpuppen, bunt liegen Skizzen, Tabak,
Berliner Zeitungen, Fidibusse, Gypssiguren :c. durcheinander -- und
doch sehen wir Alles nur in schwarzen Lithographien -- also auch
dies von der Schattenseite. Inmitten dieser Utensilien steht der Mei¬
ster an der Staffele!, emsig malend, oder das eben Gemälde betrach¬
tend, oder er sitzt radircnd und zeichnend am Pulte, versteht sich,
jeder ganz in seinem gewöhnlichen Habit. Die beiden Herausgeber
zeichnen die Blatter selbst auf den Stein, man bekommt also lauter
Originalzeichnungen. Für's erste haben sie eine Reihenfolge von 24
festgefetzt, darstellend die Künstler: Schadow, Lessing u. Sohn, Hil¬
debrandt, Schirmer, Schroedter, Kiederich, v. Normann, Schrader,
Jordan, Ritter, Hasenclever, Mücke, Plüddemann, Sonderland, Carl
Hübner, Scheuren, Stille, Köhler, Krctzschmer, Canton, Steinbrück,
Camphausen und die Künstlerin Baumann. Es sind dies nämlich
diejenigen, die zur Zeit anwesend, größtentheils schon in den Entwür¬
fen zur Zeichnung fertig sind. Die Uebrigen folgen, wenn das Werk
Anklang findet, was wohl kaum zu bezweifeln sein dürfte. Wer un¬
ter den zahlreichen Kunstfreunden, der keine Gelegenheit hatte, die Schöp¬
fer des Schönen in ihrem Wirken und Schaffen zu belauschen; wer ferner
unter den Sammlern, der seine Leute alle kennt, hätte dieselben nicht
gern im Bilde, und zwar Jeden wie er leibt und lebt? Als Titelblatt
kommt ein plastisches Verzeichnis; der Modellsigurcn und Farbenreiber,
klassisch gruppirt, damit man sehen kann, daß sie auch Künstler sind, wie
Goethe von ihnen sagt. Das Werk soll in Heften erscheinen und steht
,W. K. die Herausgabe der ersten Lieferung nahe bevor.




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abgesehen von seinem Kunstwerth, schon wegen der Originalität viel
Glück unter allen Kunstfreunden machen muß. Sie geben nämlich
die „Schattenseiten der Düsseldorfer Kunstwelt" heraus.
Die scharfsinnige Berliner Kritik wird hier sagen: das verstehen wir
besser, namentlich wenn wir uns selbst dabei gehörig in's Licht stellen
können. Aber tröstet Euch — Ihr versteht das nicht, denn Ihr
kennt die Düsseldorfer nicht, und das ist dazu durchaus nöthig. Es
sollen nämlich unter obigem Titel alle namhaften Künstler der Düssel-
dorfer Akademie portraitirt werden, und zwar nicht in gewöhnlichen
philiströsen Bildnissen, sondern Jeder in seinem Atelier „mit einer
verkürzten Ansicht seiner letzten Werke." Der drollige Titel wird dadurch
gerechtfertigt, daß man die Figuren alle von der Schattenseite sieht,
da ihre Vorderseite bei der Arbeit dem Lichte zugekehrt ist; jeder in
seinem Heiligthume, worin es meistens so bunt aussieht, wie in dem
Laboratorium eines Adepten des Mittelalters. Bunt sind die Farben-
klekse auf der Wand, bunt die Kostümlappen auf den lebenden Mo¬
dells oder den hölzernen Gliederpuppen, bunt liegen Skizzen, Tabak,
Berliner Zeitungen, Fidibusse, Gypssiguren :c. durcheinander — und
doch sehen wir Alles nur in schwarzen Lithographien — also auch
dies von der Schattenseite. Inmitten dieser Utensilien steht der Mei¬
ster an der Staffele!, emsig malend, oder das eben Gemälde betrach¬
tend, oder er sitzt radircnd und zeichnend am Pulte, versteht sich,
jeder ganz in seinem gewöhnlichen Habit. Die beiden Herausgeber
zeichnen die Blatter selbst auf den Stein, man bekommt also lauter
Originalzeichnungen. Für's erste haben sie eine Reihenfolge von 24
festgefetzt, darstellend die Künstler: Schadow, Lessing u. Sohn, Hil¬
debrandt, Schirmer, Schroedter, Kiederich, v. Normann, Schrader,
Jordan, Ritter, Hasenclever, Mücke, Plüddemann, Sonderland, Carl
Hübner, Scheuren, Stille, Köhler, Krctzschmer, Canton, Steinbrück,
Camphausen und die Künstlerin Baumann. Es sind dies nämlich
diejenigen, die zur Zeit anwesend, größtentheils schon in den Entwür¬
fen zur Zeichnung fertig sind. Die Uebrigen folgen, wenn das Werk
Anklang findet, was wohl kaum zu bezweifeln sein dürfte. Wer un¬
ter den zahlreichen Kunstfreunden, der keine Gelegenheit hatte, die Schöp¬
fer des Schönen in ihrem Wirken und Schaffen zu belauschen; wer ferner
unter den Sammlern, der seine Leute alle kennt, hätte dieselben nicht
gern im Bilde, und zwar Jeden wie er leibt und lebt? Als Titelblatt
kommt ein plastisches Verzeichnis; der Modellsigurcn und Farbenreiber,
klassisch gruppirt, damit man sehen kann, daß sie auch Künstler sind, wie
Goethe von ihnen sagt. Das Werk soll in Heften erscheinen und steht
,W. K. die Herausgabe der ersten Lieferung nahe bevor.




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[0293] abgesehen von seinem Kunstwerth, schon wegen der Originalität viel Glück unter allen Kunstfreunden machen muß. Sie geben nämlich die „Schattenseiten der Düsseldorfer Kunstwelt" heraus. Die scharfsinnige Berliner Kritik wird hier sagen: das verstehen wir besser, namentlich wenn wir uns selbst dabei gehörig in's Licht stellen können. Aber tröstet Euch — Ihr versteht das nicht, denn Ihr kennt die Düsseldorfer nicht, und das ist dazu durchaus nöthig. Es sollen nämlich unter obigem Titel alle namhaften Künstler der Düssel- dorfer Akademie portraitirt werden, und zwar nicht in gewöhnlichen philiströsen Bildnissen, sondern Jeder in seinem Atelier „mit einer verkürzten Ansicht seiner letzten Werke." Der drollige Titel wird dadurch gerechtfertigt, daß man die Figuren alle von der Schattenseite sieht, da ihre Vorderseite bei der Arbeit dem Lichte zugekehrt ist; jeder in seinem Heiligthume, worin es meistens so bunt aussieht, wie in dem Laboratorium eines Adepten des Mittelalters. Bunt sind die Farben- klekse auf der Wand, bunt die Kostümlappen auf den lebenden Mo¬ dells oder den hölzernen Gliederpuppen, bunt liegen Skizzen, Tabak, Berliner Zeitungen, Fidibusse, Gypssiguren :c. durcheinander — und doch sehen wir Alles nur in schwarzen Lithographien — also auch dies von der Schattenseite. Inmitten dieser Utensilien steht der Mei¬ ster an der Staffele!, emsig malend, oder das eben Gemälde betrach¬ tend, oder er sitzt radircnd und zeichnend am Pulte, versteht sich, jeder ganz in seinem gewöhnlichen Habit. Die beiden Herausgeber zeichnen die Blatter selbst auf den Stein, man bekommt also lauter Originalzeichnungen. Für's erste haben sie eine Reihenfolge von 24 festgefetzt, darstellend die Künstler: Schadow, Lessing u. Sohn, Hil¬ debrandt, Schirmer, Schroedter, Kiederich, v. Normann, Schrader, Jordan, Ritter, Hasenclever, Mücke, Plüddemann, Sonderland, Carl Hübner, Scheuren, Stille, Köhler, Krctzschmer, Canton, Steinbrück, Camphausen und die Künstlerin Baumann. Es sind dies nämlich diejenigen, die zur Zeit anwesend, größtentheils schon in den Entwür¬ fen zur Zeichnung fertig sind. Die Uebrigen folgen, wenn das Werk Anklang findet, was wohl kaum zu bezweifeln sein dürfte. Wer un¬ ter den zahlreichen Kunstfreunden, der keine Gelegenheit hatte, die Schöp¬ fer des Schönen in ihrem Wirken und Schaffen zu belauschen; wer ferner unter den Sammlern, der seine Leute alle kennt, hätte dieselben nicht gern im Bilde, und zwar Jeden wie er leibt und lebt? Als Titelblatt kommt ein plastisches Verzeichnis; der Modellsigurcn und Farbenreiber, klassisch gruppirt, damit man sehen kann, daß sie auch Künstler sind, wie Goethe von ihnen sagt. Das Werk soll in Heften erscheinen und steht ,W. K. die Herausgabe der ersten Lieferung nahe bevor. -i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/293>, abgerufen am 26.05.2024.