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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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ven Abends in den königlichen Ballsalons sich erholen soll von den Käm¬
pfen des heißen Tages in der Kammer, weiß allein zu erzählen, was
für ein Unterschied in der Stellung eines Ministers zwischen Einst und
Jetzt statt findet. Die englische Schauspielertruppe hat in den Tuile-
rien bereits drei Borstellungen gegeben: Hamlet, Othello, Macbeth,
Heinrich IV. und Romeo und Julie. Die legitimistischen Journale,
die auch die kleinste Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, ihrer Galle
Lust zu machen, vergleichen den Zungen Herzog von Bordeaux mitHamlet
und sind so unverschämt zu fragen: Was hat man in der königlichen
Loge bei der Stelle sich gedacht, wo der Geist des alten Königs aus¬
ruft: O Hamlet, die Schlange, die mir das Leben nahm, tragt jetzt
meine Krone! -- In Deutschland würde eine solche Phrase, im Her-
zogthum Altenburg gedruckt, eine Censurverscharfung in allen Bundes¬
staaten nach sich ziehen. Hier hält man es nicht mehr der Mühe
werth, einen Preßproceß darüber zu machen.

Ein kleines Mystere de Paris. Das hiesige Banquierhaus Kö-
nigswartcr erhielt aus Lübeck 26.W9 Fras. angewiesen, um sie dem
Sohn eines reichen Lübecker Senators, der hier in Verlegenheiten ge¬
rathen, auszuzahlen. Dieser, ein sehr junger Mann, weist jedoch die
Summe zurück mit der Bemerkung, daß er sie nicht mehr nöthig
habe. Er erzählt hieraus den Hergang. Er war von Havre nach
Paris gereist und hatte unterwegs die Bekanntschaft eines sehr liebens¬
würdigen eleganten Franzosen gemacht, der ihm in Paris ein Hütel
als ganz besonders bequem empfohlen hatte und in welchem der junge
Deutsche auch wirklich abstieg. Es war sechs Uhr Abends und man
setzte sich gerade an die Table d'sine. Was hierauf mit ihm vor ing,
weiß er sich nicht mehr genau zu erinnern; als er des andern Tags
aus dem Bette stieg, hatte er blos einen unendlichen Katzenjammer
und die vague Erinnerung, daß er bei Nacht getrunken und gespielt.
Einen Tag spater wurde ihm ein Wechsel im Betrag der obigen Summe
präsentirt. Er weigerte sich, diese zu zahlen, und wendete sich
an die Polizei, welche -- da das Haus als eine Spielhölle längst im
Verdacht steht -- die Wirthin verhaften ließ. Diese jedoch behauptete,
Nichts von dem zu wissen, was in den obern Zimmern zwischen ihren
Gästen vorgeht, und da der junge Lübecker nicht beweisen konnte, daß
falsch gespielt wurde, so konnte man ihm nicht weiter helfen. Er hatte
sich sogleich an ein ihm bekanntes Handlungshaus wenden müssen, um
nicht selbst in's Schuldgefängniß zu gerathen. -- Die Summe, die
seine Verwandten ihm jetzt schickten, wäre zu spät gekommen
und konnte daher wieder zurück geschickt werden. Ilavc üuwlii,
"iuoet u. s. w. --'

Da Molivre durch das Gutzkowsche Stück in Deutschland eine
beliebte Theatersigur geworden zu sein scheint, so möchte ich die Büh¬
nen auf ein hübsches breiartiges Lustspiel aufmerksam machen, das ich


ven Abends in den königlichen Ballsalons sich erholen soll von den Käm¬
pfen des heißen Tages in der Kammer, weiß allein zu erzählen, was
für ein Unterschied in der Stellung eines Ministers zwischen Einst und
Jetzt statt findet. Die englische Schauspielertruppe hat in den Tuile-
rien bereits drei Borstellungen gegeben: Hamlet, Othello, Macbeth,
Heinrich IV. und Romeo und Julie. Die legitimistischen Journale,
die auch die kleinste Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, ihrer Galle
Lust zu machen, vergleichen den Zungen Herzog von Bordeaux mitHamlet
und sind so unverschämt zu fragen: Was hat man in der königlichen
Loge bei der Stelle sich gedacht, wo der Geist des alten Königs aus¬
ruft: O Hamlet, die Schlange, die mir das Leben nahm, tragt jetzt
meine Krone! — In Deutschland würde eine solche Phrase, im Her-
zogthum Altenburg gedruckt, eine Censurverscharfung in allen Bundes¬
staaten nach sich ziehen. Hier hält man es nicht mehr der Mühe
werth, einen Preßproceß darüber zu machen.

Ein kleines Mystere de Paris. Das hiesige Banquierhaus Kö-
nigswartcr erhielt aus Lübeck 26.W9 Fras. angewiesen, um sie dem
Sohn eines reichen Lübecker Senators, der hier in Verlegenheiten ge¬
rathen, auszuzahlen. Dieser, ein sehr junger Mann, weist jedoch die
Summe zurück mit der Bemerkung, daß er sie nicht mehr nöthig
habe. Er erzählt hieraus den Hergang. Er war von Havre nach
Paris gereist und hatte unterwegs die Bekanntschaft eines sehr liebens¬
würdigen eleganten Franzosen gemacht, der ihm in Paris ein Hütel
als ganz besonders bequem empfohlen hatte und in welchem der junge
Deutsche auch wirklich abstieg. Es war sechs Uhr Abends und man
setzte sich gerade an die Table d'sine. Was hierauf mit ihm vor ing,
weiß er sich nicht mehr genau zu erinnern; als er des andern Tags
aus dem Bette stieg, hatte er blos einen unendlichen Katzenjammer
und die vague Erinnerung, daß er bei Nacht getrunken und gespielt.
Einen Tag spater wurde ihm ein Wechsel im Betrag der obigen Summe
präsentirt. Er weigerte sich, diese zu zahlen, und wendete sich
an die Polizei, welche — da das Haus als eine Spielhölle längst im
Verdacht steht — die Wirthin verhaften ließ. Diese jedoch behauptete,
Nichts von dem zu wissen, was in den obern Zimmern zwischen ihren
Gästen vorgeht, und da der junge Lübecker nicht beweisen konnte, daß
falsch gespielt wurde, so konnte man ihm nicht weiter helfen. Er hatte
sich sogleich an ein ihm bekanntes Handlungshaus wenden müssen, um
nicht selbst in's Schuldgefängniß zu gerathen. — Die Summe, die
seine Verwandten ihm jetzt schickten, wäre zu spät gekommen
und konnte daher wieder zurück geschickt werden. Ilavc üuwlii,
«iuoet u. s. w. —'

Da Molivre durch das Gutzkowsche Stück in Deutschland eine
beliebte Theatersigur geworden zu sein scheint, so möchte ich die Büh¬
nen auf ein hübsches breiartiges Lustspiel aufmerksam machen, das ich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/335>, abgerufen am 17.06.2024.