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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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bald am Ende deS Ganges nach der Oeffnung zmecht, durch die ich
wieder in meine stille Klause hineinkroch. Ich zog die Klappe hinter
mir zu, setzte mich auf meinen Säulenschaft und harrte der Dinge,
die da kommen wollten. Das ganze Ereigniß auf meiner Wander¬
schaft durch die Gänge des Hauses trat wie ein Traum in meiner
Seele zurück. In der That will es nur auch jetzt noch traumhaft
erscheinen, daß deutsche Männer so ernst, so feierlich und gründlich
in Streit und Hader geriethen, wo es vielleicht nur darauf ankam,
den kleinen Betrug einiger Abenteurer und Schwarzkünstler zu ent¬
larven.

Es mochte noch eine Stunde verstrichen sein; fast hielt ich mich
schon für vergessen im großen Tumult, als sich die Thür, die mich
von dem Tempel absperrte, eröffnete und ich aus dem Dunkel meines
Schlupfwinkels wieder in die Rotunde geführt wurde. Ich war ver¬
legen, unter dieselben Gestalten zu treten, die ich kurz zuvor noch im
Aufruhr leidenschaftlicher Bewegung belauschte. Die Anzahl der Ge¬
genwärtigen war jetzt weit geringer und ich kam auf den Gedanken,
mich hier im Tempel der Rosenkreuzer unter lauter Eingeweihten zu
befinden, während doch viele von den Maurern noch anwesend sein
mochten. Auch öffneten sich im Hintergründe die Pforten ab und zu
für Gehende und Kommende. Der gelehrte Redner, offenbar der
Meister vom Stuhl in der Loge Rose und Kreuz, führte den Vorsitz.
Der unterbrochene Akt meiner Einweihung wurde wieder aufgenom¬
men und man führte mich von Neuem unter die Lotosblume, deren
Pythia mir nun freilich keinen überirdischen Zauber mehr bieten konnte.
Aber es kam darauf an, zu versuchen, wie weit die Keckheit ihr
Spiel trieb, wenn ich die gerühmte Allwissenheit des Bundes und
dieser Prophetin prüfte, die ich als ein Wesen von Fleisch und Bein
kannte. Mit einem Ernst, als gälte es eine kirchliche Weihe, nahm
der Obere die Verhandlung wieder auf. Er setze voraus, sagte er,
daß ich die einsamen Stunden, die man mir gegönnt, weise benutzt
habe, mein Leben zu überdenken, um aus der Vergangenheit einen
Wunsch meines Herzens herauszuholen, der sich an die Zukunft mei¬
nes Daseins knüpfe. Meine Frage, sagt' ich, betreffe meine Gegen¬
wart, doch reiche sie in weite Ferne hinein, in mein Heimathland.
Wofern meine Absicht rein, mein Wille gut, entgegnete der Meister,
solle mir Erhörung werden. Man führte mich einige Stufen auf


bald am Ende deS Ganges nach der Oeffnung zmecht, durch die ich
wieder in meine stille Klause hineinkroch. Ich zog die Klappe hinter
mir zu, setzte mich auf meinen Säulenschaft und harrte der Dinge,
die da kommen wollten. Das ganze Ereigniß auf meiner Wander¬
schaft durch die Gänge des Hauses trat wie ein Traum in meiner
Seele zurück. In der That will es nur auch jetzt noch traumhaft
erscheinen, daß deutsche Männer so ernst, so feierlich und gründlich
in Streit und Hader geriethen, wo es vielleicht nur darauf ankam,
den kleinen Betrug einiger Abenteurer und Schwarzkünstler zu ent¬
larven.

Es mochte noch eine Stunde verstrichen sein; fast hielt ich mich
schon für vergessen im großen Tumult, als sich die Thür, die mich
von dem Tempel absperrte, eröffnete und ich aus dem Dunkel meines
Schlupfwinkels wieder in die Rotunde geführt wurde. Ich war ver¬
legen, unter dieselben Gestalten zu treten, die ich kurz zuvor noch im
Aufruhr leidenschaftlicher Bewegung belauschte. Die Anzahl der Ge¬
genwärtigen war jetzt weit geringer und ich kam auf den Gedanken,
mich hier im Tempel der Rosenkreuzer unter lauter Eingeweihten zu
befinden, während doch viele von den Maurern noch anwesend sein
mochten. Auch öffneten sich im Hintergründe die Pforten ab und zu
für Gehende und Kommende. Der gelehrte Redner, offenbar der
Meister vom Stuhl in der Loge Rose und Kreuz, führte den Vorsitz.
Der unterbrochene Akt meiner Einweihung wurde wieder aufgenom¬
men und man führte mich von Neuem unter die Lotosblume, deren
Pythia mir nun freilich keinen überirdischen Zauber mehr bieten konnte.
Aber es kam darauf an, zu versuchen, wie weit die Keckheit ihr
Spiel trieb, wenn ich die gerühmte Allwissenheit des Bundes und
dieser Prophetin prüfte, die ich als ein Wesen von Fleisch und Bein
kannte. Mit einem Ernst, als gälte es eine kirchliche Weihe, nahm
der Obere die Verhandlung wieder auf. Er setze voraus, sagte er,
daß ich die einsamen Stunden, die man mir gegönnt, weise benutzt
habe, mein Leben zu überdenken, um aus der Vergangenheit einen
Wunsch meines Herzens herauszuholen, der sich an die Zukunft mei¬
nes Daseins knüpfe. Meine Frage, sagt' ich, betreffe meine Gegen¬
wart, doch reiche sie in weite Ferne hinein, in mein Heimathland.
Wofern meine Absicht rein, mein Wille gut, entgegnete der Meister,
solle mir Erhörung werden. Man führte mich einige Stufen auf


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[0404] bald am Ende deS Ganges nach der Oeffnung zmecht, durch die ich wieder in meine stille Klause hineinkroch. Ich zog die Klappe hinter mir zu, setzte mich auf meinen Säulenschaft und harrte der Dinge, die da kommen wollten. Das ganze Ereigniß auf meiner Wander¬ schaft durch die Gänge des Hauses trat wie ein Traum in meiner Seele zurück. In der That will es nur auch jetzt noch traumhaft erscheinen, daß deutsche Männer so ernst, so feierlich und gründlich in Streit und Hader geriethen, wo es vielleicht nur darauf ankam, den kleinen Betrug einiger Abenteurer und Schwarzkünstler zu ent¬ larven. Es mochte noch eine Stunde verstrichen sein; fast hielt ich mich schon für vergessen im großen Tumult, als sich die Thür, die mich von dem Tempel absperrte, eröffnete und ich aus dem Dunkel meines Schlupfwinkels wieder in die Rotunde geführt wurde. Ich war ver¬ legen, unter dieselben Gestalten zu treten, die ich kurz zuvor noch im Aufruhr leidenschaftlicher Bewegung belauschte. Die Anzahl der Ge¬ genwärtigen war jetzt weit geringer und ich kam auf den Gedanken, mich hier im Tempel der Rosenkreuzer unter lauter Eingeweihten zu befinden, während doch viele von den Maurern noch anwesend sein mochten. Auch öffneten sich im Hintergründe die Pforten ab und zu für Gehende und Kommende. Der gelehrte Redner, offenbar der Meister vom Stuhl in der Loge Rose und Kreuz, führte den Vorsitz. Der unterbrochene Akt meiner Einweihung wurde wieder aufgenom¬ men und man führte mich von Neuem unter die Lotosblume, deren Pythia mir nun freilich keinen überirdischen Zauber mehr bieten konnte. Aber es kam darauf an, zu versuchen, wie weit die Keckheit ihr Spiel trieb, wenn ich die gerühmte Allwissenheit des Bundes und dieser Prophetin prüfte, die ich als ein Wesen von Fleisch und Bein kannte. Mit einem Ernst, als gälte es eine kirchliche Weihe, nahm der Obere die Verhandlung wieder auf. Er setze voraus, sagte er, daß ich die einsamen Stunden, die man mir gegönnt, weise benutzt habe, mein Leben zu überdenken, um aus der Vergangenheit einen Wunsch meines Herzens herauszuholen, der sich an die Zukunft mei¬ nes Daseins knüpfe. Meine Frage, sagt' ich, betreffe meine Gegen¬ wart, doch reiche sie in weite Ferne hinein, in mein Heimathland. Wofern meine Absicht rein, mein Wille gut, entgegnete der Meister, solle mir Erhörung werden. Man führte mich einige Stufen auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/404>, abgerufen am 26.05.2024.