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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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tern Deutschlands, die Brochüren und Werke unserer Touristen zeigen
auffallend von dem dringenden Bedürfniß nach Verständigung, Wir
begnügen uns indeß, hier darzuthun, wie die meisten Schritte dazu
mißlangen und, selbst von heimathlichen Schriftstellern versucht, eher
Verwirrung als Licht brachten.

Die magyarische Presse hat eine sehr seine, sensible Haut. In
einem Lande, wo doch Freiheit des Gedankens herrscht, ist diese Em¬
pfindlichkeit doppelt zu verwundern. Die magyarische Polemik zumal
hat etwas so Bramarbasirendes, Klirrendes und Gesporntes, daß sie
den Gegner verleitet, ihr, vielleicht öfter als klug und billig ist, mit
den Waffen des Spottes entgegenzutreten. Die Heftigkeit magyari¬
scher Polemik hat etwas von einer orientalischen Neiterattake. Mich
erinnerte ihre Bitterkeit oft an jene Scene in Eugen Sue'S Pariser
Geheimnissen, wo der Chourineur von Rudolph in das eigens für
ihn eingerichtete Schlachthaus geführt wird und an einem Lamme
die langausgesetzte Kraft seines Handwerkes versuchen soll. Bei dem
Anblick deö frisch aufquellenden Blutes ergreift ihn selbst der alte
Blutdurst, seine Augen unterläuft ein gefährlicher Brand, der ihn Nichts
sehen und Nichts hören läßt, als das hochaufschäumende rothe Meer.
"Der Sergeant," ruft er, "der Sergeant" und theilt mit seinem Messer
Stöße nach rechts und links aus.

Diese Chourineurwuth richtet sich, wie gesagt, namentlich gegen
die deutsche Presse. Man wird hier fragen: Steht denn die deutsche
Literatur wirklich als der gespenstige und blutrünstige Sergeant da,
daß die ungarische Presse jedesmal in Wuth und Feuer geräth, wenn
sie mit ihr zu sprechen hat? Wenn sie gegen slavische Propagandi¬
sten mit aller Heftigkeit zu Felde zieht, so wird das Jeder begreiflich
finden; hier gilt jeder Schlag, den man dem Feinde versetzt, als
eine Darangabe auf die gefürchtete Zukunft, in Knute und Zobelpelz,
jeder verfehlte Hieb eine verlorene Schlacht. Wie ist aber die deutsche
Presse in eine so schiefe Stellung gerathen, daß sie der ungarischen
feindselig erscheinen muß? Sollten MißHelligkeiten kleinerer Art ver¬
gessen machen, daß sie eben beide einen gemeinsamen großen Gegner
haben? Wenn ein Deutscher in einem Werke über Ungarn Notizen
brächte, wie etwa Miß Pardoe schreibseligen und Miß Trollope
schwatzhaften Andenkens, wie würde da die ungarische Kritik aufge¬
fahren sein, wie würde sie ihre spitzesten und giftigsten Pfeile hervor-


tern Deutschlands, die Brochüren und Werke unserer Touristen zeigen
auffallend von dem dringenden Bedürfniß nach Verständigung, Wir
begnügen uns indeß, hier darzuthun, wie die meisten Schritte dazu
mißlangen und, selbst von heimathlichen Schriftstellern versucht, eher
Verwirrung als Licht brachten.

Die magyarische Presse hat eine sehr seine, sensible Haut. In
einem Lande, wo doch Freiheit des Gedankens herrscht, ist diese Em¬
pfindlichkeit doppelt zu verwundern. Die magyarische Polemik zumal
hat etwas so Bramarbasirendes, Klirrendes und Gesporntes, daß sie
den Gegner verleitet, ihr, vielleicht öfter als klug und billig ist, mit
den Waffen des Spottes entgegenzutreten. Die Heftigkeit magyari¬
scher Polemik hat etwas von einer orientalischen Neiterattake. Mich
erinnerte ihre Bitterkeit oft an jene Scene in Eugen Sue'S Pariser
Geheimnissen, wo der Chourineur von Rudolph in das eigens für
ihn eingerichtete Schlachthaus geführt wird und an einem Lamme
die langausgesetzte Kraft seines Handwerkes versuchen soll. Bei dem
Anblick deö frisch aufquellenden Blutes ergreift ihn selbst der alte
Blutdurst, seine Augen unterläuft ein gefährlicher Brand, der ihn Nichts
sehen und Nichts hören läßt, als das hochaufschäumende rothe Meer.
„Der Sergeant," ruft er, „der Sergeant" und theilt mit seinem Messer
Stöße nach rechts und links aus.

Diese Chourineurwuth richtet sich, wie gesagt, namentlich gegen
die deutsche Presse. Man wird hier fragen: Steht denn die deutsche
Literatur wirklich als der gespenstige und blutrünstige Sergeant da,
daß die ungarische Presse jedesmal in Wuth und Feuer geräth, wenn
sie mit ihr zu sprechen hat? Wenn sie gegen slavische Propagandi¬
sten mit aller Heftigkeit zu Felde zieht, so wird das Jeder begreiflich
finden; hier gilt jeder Schlag, den man dem Feinde versetzt, als
eine Darangabe auf die gefürchtete Zukunft, in Knute und Zobelpelz,
jeder verfehlte Hieb eine verlorene Schlacht. Wie ist aber die deutsche
Presse in eine so schiefe Stellung gerathen, daß sie der ungarischen
feindselig erscheinen muß? Sollten MißHelligkeiten kleinerer Art ver¬
gessen machen, daß sie eben beide einen gemeinsamen großen Gegner
haben? Wenn ein Deutscher in einem Werke über Ungarn Notizen
brächte, wie etwa Miß Pardoe schreibseligen und Miß Trollope
schwatzhaften Andenkens, wie würde da die ungarische Kritik aufge¬
fahren sein, wie würde sie ihre spitzesten und giftigsten Pfeile hervor-


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[0480] tern Deutschlands, die Brochüren und Werke unserer Touristen zeigen auffallend von dem dringenden Bedürfniß nach Verständigung, Wir begnügen uns indeß, hier darzuthun, wie die meisten Schritte dazu mißlangen und, selbst von heimathlichen Schriftstellern versucht, eher Verwirrung als Licht brachten. Die magyarische Presse hat eine sehr seine, sensible Haut. In einem Lande, wo doch Freiheit des Gedankens herrscht, ist diese Em¬ pfindlichkeit doppelt zu verwundern. Die magyarische Polemik zumal hat etwas so Bramarbasirendes, Klirrendes und Gesporntes, daß sie den Gegner verleitet, ihr, vielleicht öfter als klug und billig ist, mit den Waffen des Spottes entgegenzutreten. Die Heftigkeit magyari¬ scher Polemik hat etwas von einer orientalischen Neiterattake. Mich erinnerte ihre Bitterkeit oft an jene Scene in Eugen Sue'S Pariser Geheimnissen, wo der Chourineur von Rudolph in das eigens für ihn eingerichtete Schlachthaus geführt wird und an einem Lamme die langausgesetzte Kraft seines Handwerkes versuchen soll. Bei dem Anblick deö frisch aufquellenden Blutes ergreift ihn selbst der alte Blutdurst, seine Augen unterläuft ein gefährlicher Brand, der ihn Nichts sehen und Nichts hören läßt, als das hochaufschäumende rothe Meer. „Der Sergeant," ruft er, „der Sergeant" und theilt mit seinem Messer Stöße nach rechts und links aus. Diese Chourineurwuth richtet sich, wie gesagt, namentlich gegen die deutsche Presse. Man wird hier fragen: Steht denn die deutsche Literatur wirklich als der gespenstige und blutrünstige Sergeant da, daß die ungarische Presse jedesmal in Wuth und Feuer geräth, wenn sie mit ihr zu sprechen hat? Wenn sie gegen slavische Propagandi¬ sten mit aller Heftigkeit zu Felde zieht, so wird das Jeder begreiflich finden; hier gilt jeder Schlag, den man dem Feinde versetzt, als eine Darangabe auf die gefürchtete Zukunft, in Knute und Zobelpelz, jeder verfehlte Hieb eine verlorene Schlacht. Wie ist aber die deutsche Presse in eine so schiefe Stellung gerathen, daß sie der ungarischen feindselig erscheinen muß? Sollten MißHelligkeiten kleinerer Art ver¬ gessen machen, daß sie eben beide einen gemeinsamen großen Gegner haben? Wenn ein Deutscher in einem Werke über Ungarn Notizen brächte, wie etwa Miß Pardoe schreibseligen und Miß Trollope schwatzhaften Andenkens, wie würde da die ungarische Kritik aufge¬ fahren sein, wie würde sie ihre spitzesten und giftigsten Pfeile hervor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/480>, abgerufen am 19.05.2024.