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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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bisher vergebens waren. Alle Nachweisungen, und auch diese sind
unzureichend, beschränken sich darauf, daß seit der Revolution von
l>?30 bis 1839, innerhalb zehn Jahre, die geistlichen Institute an
Geschenken und Legaten von Privaten gegen vier Millionen Franken
erhalten haben. Da es sich nun herausstellt, daß die Summen die¬
ser Legate, durch den wachsenden Einfluß des Clerus, mit jedem
Jahre um ein Drittel sich vermehren, so kann man annehmen, daß
daS Kirchenvermögen, in so weit es zur öffentlichen Kunde ge¬
langte, seit der Revolution um sieben Millionen Franken sich ge-
steigert hat, d. h. in so weit der Staat die Controle übt; was dieser
Controle sich entzieht, ist unberechenbar. Außerdem hat das Gouver¬
nement, haben die Communen und Provinzen zu Bau und Ausbesse¬
rungen von Kirchen und Pfarrhäusern in diesen vierzehn Jahren über
drei Millionen Franken gesteuert. Die Weltgeistlichen aller Glau¬
bensbekenntnisse werden bekanntlich in Belgien aus der Staatskasse
bezahlt und die jährliche Summe dieser Besoldungen beträgt 4,186,15,0
Franken. Hiervon erhält der protestamische Cultus jährlich 66,527
Franks, der anglicanische 4,1,260 Franks und der israelitische 10,000
Franks; demnach bleibt für die katholische Geistlichkeit eine jährliche
Besolvung von 4,107,423 Franken. Dafür hat auch Belgien sechs
Bisthümer, nämlich: das Erzbisthum zu Mecheln für die Provinzen
Antwerpen und Brabant, (der Erzbischof ist zugleich Cardinal), das
Bisthum Touriitü für das Hennegau, das Bisthum Gent für Ost-
flandern, das Bisthum Brügge für Westflandern, das Bisthum Lüt¬
tich für die Provinzen Lüttich und Limburg und das Bisthum Namur
für die Provinzen Namur und Luxemburg; die Gesammtzahl der
Weltgeistlichen beträgt in ganz Belgien 4,421. Unzählbar dagegen
ist die Zahl der Ordens- und Klostergeistlichkeit, da dieselbe von Jahr
zu Jahr mit einer soeben Schnelligkeit und Unverhältnißmäßigkeit an¬
wächst, daß man jeden Maßstab verliert. Ein Beispiel. Im Jahre
1830 (vor der Revolution) zählte Belgien 29 Männer- und 255
Frauenklöster. Im Jahre 1837 gab es bereits 42 Männer- und
333 Frauenklöster. Und wie haben sie sich erst in den letzten fünf
Jahren gesteigert! Die einzige Diöces von Mecheln zählte im Jahre
1837 bereits 86 Klöster und heute zählt sie mehr als einhundert
und vierzig!

Ich will den Leser in diesem Kapitel nicht durch Reflexionen


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bisher vergebens waren. Alle Nachweisungen, und auch diese sind
unzureichend, beschränken sich darauf, daß seit der Revolution von
l>?30 bis 1839, innerhalb zehn Jahre, die geistlichen Institute an
Geschenken und Legaten von Privaten gegen vier Millionen Franken
erhalten haben. Da es sich nun herausstellt, daß die Summen die¬
ser Legate, durch den wachsenden Einfluß des Clerus, mit jedem
Jahre um ein Drittel sich vermehren, so kann man annehmen, daß
daS Kirchenvermögen, in so weit es zur öffentlichen Kunde ge¬
langte, seit der Revolution um sieben Millionen Franken sich ge-
steigert hat, d. h. in so weit der Staat die Controle übt; was dieser
Controle sich entzieht, ist unberechenbar. Außerdem hat das Gouver¬
nement, haben die Communen und Provinzen zu Bau und Ausbesse¬
rungen von Kirchen und Pfarrhäusern in diesen vierzehn Jahren über
drei Millionen Franken gesteuert. Die Weltgeistlichen aller Glau¬
bensbekenntnisse werden bekanntlich in Belgien aus der Staatskasse
bezahlt und die jährliche Summe dieser Besoldungen beträgt 4,186,15,0
Franken. Hiervon erhält der protestamische Cultus jährlich 66,527
Franks, der anglicanische 4,1,260 Franks und der israelitische 10,000
Franks; demnach bleibt für die katholische Geistlichkeit eine jährliche
Besolvung von 4,107,423 Franken. Dafür hat auch Belgien sechs
Bisthümer, nämlich: das Erzbisthum zu Mecheln für die Provinzen
Antwerpen und Brabant, (der Erzbischof ist zugleich Cardinal), das
Bisthum Touriitü für das Hennegau, das Bisthum Gent für Ost-
flandern, das Bisthum Brügge für Westflandern, das Bisthum Lüt¬
tich für die Provinzen Lüttich und Limburg und das Bisthum Namur
für die Provinzen Namur und Luxemburg; die Gesammtzahl der
Weltgeistlichen beträgt in ganz Belgien 4,421. Unzählbar dagegen
ist die Zahl der Ordens- und Klostergeistlichkeit, da dieselbe von Jahr
zu Jahr mit einer soeben Schnelligkeit und Unverhältnißmäßigkeit an¬
wächst, daß man jeden Maßstab verliert. Ein Beispiel. Im Jahre
1830 (vor der Revolution) zählte Belgien 29 Männer- und 255
Frauenklöster. Im Jahre 1837 gab es bereits 42 Männer- und
333 Frauenklöster. Und wie haben sie sich erst in den letzten fünf
Jahren gesteigert! Die einzige Diöces von Mecheln zählte im Jahre
1837 bereits 86 Klöster und heute zählt sie mehr als einhundert
und vierzig!

Ich will den Leser in diesem Kapitel nicht durch Reflexionen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/11>, abgerufen am 09.05.2024.