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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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berechenbaren Vermögens-Zuflüsse, welche die eifrigsten Katholiken
jährlich für diese Anstalt spenden, durch die reichen Mittel gleich zu
Anfang ihrer Begründung ist es möglich geworden, dieser Universität
so großen Glanz zu geben, und sowohl durch enorme Gehalte einige
ausgezeichnete Professoren herbeizuziehen, als auch durch viele und
ausreichende Stipendien bei der unbemittelten Jugend einen gro¬
ßen Vortheil über alle andern Landesuniversitäten zu gewinnen.
Doch nicht blos die unbemittelten, sondern selbst die reichsten Lan-
deskinder werden von ihren Eltern mit Vorliebe auf die Löwner
Universität geschickt; theils weil der reiche Adel und ein guter
Theil der Bourgeoisie ganz zu dem Clerus Hält, theils weil dieses
glänzend bedachte Institut in den praktischen Wissenschaften, in Me¬
dizin, Mathematik und Naturkunde wirklich vortreffliche Lehrer besitzt.
Die philosophische Wissenschaft, die geschichtliche Wahrheit, die freie
Forschung darf man hier allerdings nicht suchen. Aber dieser po¬
sitive Geist, der in Belgien weit mehr als anderswo herrscht -- waS
kümmert er sich um Philosophie? Diesen belgischen Familienvätern,
die gewohnt sind, die Freiheit praktisch auszubeuten -- was ist ihnen
die freie Wissenschaft, durch die man weder Fabrikant, noch Gutsbesitzer,
ja nicht ein Mal Wähler wird. Es ist somit kein Wunder,
wenn die katholische Universität zu Löwen die meisten Studenten
unter den vier Landesuniversitäten zählt, um so mehr als die katho¬
lische Partei, nach Beendigung der Studienjahre, für die unter ihrer
Leitung herangewachsenen jungen Leute zu sorgen sich bemüht und
ihnen sowohl bei Staatsanstellungen als bei andern Lebensfragen
mit mächtigem Einfluß beisteht.

Eine Macht, die auf eine so energische Weise ihren Einfluß aufdie folgen¬
den Generationen jetzt schon zu sichern bedacht ist, eine Hierarchie, die durch
eine nach ihren Grundsätzen erzogene Jugend die Säulen ihrer Zu¬
kunft jetzt schon ausrichtet, wird für die Sicherung ihrer Gegenwart
natürlicher Weise noch weniger müßig sein. In der That würde
man in allen katholischen Ländern vergebens nach einem zweiten Bei<
spiele suchen, wo der Clerus so direct und offen in alle Maßregeln
der Regierung eingreift. Der Kirchenstaat, als ein durchaus geiht"
licher, muß natürlich ausgenommen werden. Aber weder in Oester¬
reich, noch in Baiern, weder in Sardinien, noch in Neapel, den vier
katholischen Staaten par Ercellence, spielt der Clerus eine so offene


berechenbaren Vermögens-Zuflüsse, welche die eifrigsten Katholiken
jährlich für diese Anstalt spenden, durch die reichen Mittel gleich zu
Anfang ihrer Begründung ist es möglich geworden, dieser Universität
so großen Glanz zu geben, und sowohl durch enorme Gehalte einige
ausgezeichnete Professoren herbeizuziehen, als auch durch viele und
ausreichende Stipendien bei der unbemittelten Jugend einen gro¬
ßen Vortheil über alle andern Landesuniversitäten zu gewinnen.
Doch nicht blos die unbemittelten, sondern selbst die reichsten Lan-
deskinder werden von ihren Eltern mit Vorliebe auf die Löwner
Universität geschickt; theils weil der reiche Adel und ein guter
Theil der Bourgeoisie ganz zu dem Clerus Hält, theils weil dieses
glänzend bedachte Institut in den praktischen Wissenschaften, in Me¬
dizin, Mathematik und Naturkunde wirklich vortreffliche Lehrer besitzt.
Die philosophische Wissenschaft, die geschichtliche Wahrheit, die freie
Forschung darf man hier allerdings nicht suchen. Aber dieser po¬
sitive Geist, der in Belgien weit mehr als anderswo herrscht — waS
kümmert er sich um Philosophie? Diesen belgischen Familienvätern,
die gewohnt sind, die Freiheit praktisch auszubeuten — was ist ihnen
die freie Wissenschaft, durch die man weder Fabrikant, noch Gutsbesitzer,
ja nicht ein Mal Wähler wird. Es ist somit kein Wunder,
wenn die katholische Universität zu Löwen die meisten Studenten
unter den vier Landesuniversitäten zählt, um so mehr als die katho¬
lische Partei, nach Beendigung der Studienjahre, für die unter ihrer
Leitung herangewachsenen jungen Leute zu sorgen sich bemüht und
ihnen sowohl bei Staatsanstellungen als bei andern Lebensfragen
mit mächtigem Einfluß beisteht.

Eine Macht, die auf eine so energische Weise ihren Einfluß aufdie folgen¬
den Generationen jetzt schon zu sichern bedacht ist, eine Hierarchie, die durch
eine nach ihren Grundsätzen erzogene Jugend die Säulen ihrer Zu¬
kunft jetzt schon ausrichtet, wird für die Sicherung ihrer Gegenwart
natürlicher Weise noch weniger müßig sein. In der That würde
man in allen katholischen Ländern vergebens nach einem zweiten Bei<
spiele suchen, wo der Clerus so direct und offen in alle Maßregeln
der Regierung eingreift. Der Kirchenstaat, als ein durchaus geiht»
licher, muß natürlich ausgenommen werden. Aber weder in Oester¬
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[0013] berechenbaren Vermögens-Zuflüsse, welche die eifrigsten Katholiken jährlich für diese Anstalt spenden, durch die reichen Mittel gleich zu Anfang ihrer Begründung ist es möglich geworden, dieser Universität so großen Glanz zu geben, und sowohl durch enorme Gehalte einige ausgezeichnete Professoren herbeizuziehen, als auch durch viele und ausreichende Stipendien bei der unbemittelten Jugend einen gro¬ ßen Vortheil über alle andern Landesuniversitäten zu gewinnen. Doch nicht blos die unbemittelten, sondern selbst die reichsten Lan- deskinder werden von ihren Eltern mit Vorliebe auf die Löwner Universität geschickt; theils weil der reiche Adel und ein guter Theil der Bourgeoisie ganz zu dem Clerus Hält, theils weil dieses glänzend bedachte Institut in den praktischen Wissenschaften, in Me¬ dizin, Mathematik und Naturkunde wirklich vortreffliche Lehrer besitzt. Die philosophische Wissenschaft, die geschichtliche Wahrheit, die freie Forschung darf man hier allerdings nicht suchen. Aber dieser po¬ sitive Geist, der in Belgien weit mehr als anderswo herrscht — waS kümmert er sich um Philosophie? Diesen belgischen Familienvätern, die gewohnt sind, die Freiheit praktisch auszubeuten — was ist ihnen die freie Wissenschaft, durch die man weder Fabrikant, noch Gutsbesitzer, ja nicht ein Mal Wähler wird. Es ist somit kein Wunder, wenn die katholische Universität zu Löwen die meisten Studenten unter den vier Landesuniversitäten zählt, um so mehr als die katho¬ lische Partei, nach Beendigung der Studienjahre, für die unter ihrer Leitung herangewachsenen jungen Leute zu sorgen sich bemüht und ihnen sowohl bei Staatsanstellungen als bei andern Lebensfragen mit mächtigem Einfluß beisteht. Eine Macht, die auf eine so energische Weise ihren Einfluß aufdie folgen¬ den Generationen jetzt schon zu sichern bedacht ist, eine Hierarchie, die durch eine nach ihren Grundsätzen erzogene Jugend die Säulen ihrer Zu¬ kunft jetzt schon ausrichtet, wird für die Sicherung ihrer Gegenwart natürlicher Weise noch weniger müßig sein. In der That würde man in allen katholischen Ländern vergebens nach einem zweiten Bei< spiele suchen, wo der Clerus so direct und offen in alle Maßregeln der Regierung eingreift. Der Kirchenstaat, als ein durchaus geiht» licher, muß natürlich ausgenommen werden. Aber weder in Oester¬ reich, noch in Baiern, weder in Sardinien, noch in Neapel, den vier katholischen Staaten par Ercellence, spielt der Clerus eine so offene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/13>, abgerufen am 09.05.2024.