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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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stadt, was den Berichterstatter der Frankfurter Oberpostamtszeitung zu
der menschenfreundlichen Annahme verleitete, als sei man überhaupt
Sinnes, der Zehentablösung hilfreichst die Hand zu bieten. Doch auch
der beregte Antrag verliert viel von seinem Schimmer, wenn man
ihn beim Licht betrachtet und die Bedingungen prüft, unter denen er
gestellt worden; eine der faßlichsten ist wohl diejenige, welche besagt,
daß die Ablösung nur dann Statt finden könne, wenn die in Wiener
Wahrung vorgenommene Abschätzung dabei in Conventionsmünze aus¬
gezahlt würde.

Wie lästig überhaupt und wie schädlich sogar der Zehent auf
die Landwirthschaft einwirkt, das kann man nirgends klarer einsehen
lernen, als indem man den gegenwärtigen Zustand unserer Winzer
betrachtet. Der Weinbau war ehedem ein goldener Erwerbszweig in
Oesterreich und jetzt gibt es kaum einen ärmeren Erwerbsstand, als
den der Winzer; nicht nur sinken die Weinprcise von Jahr zu Jahr,
auch der Absatz wird mit jedem Herbst geringer und die armen Leute
müssen am Ende ihren Schweiß noch selbst trinken, weil sie selbst um
den mindesten Preis keinen Abgang finden. Einige vorzügliche Gat¬
tungen sind freilich von diesem Mißgeschicke frei, allein diese befinden
sich in den Handen reicher Händler und der gewöhnliche Landwein
wird nur mehr von den Bauersknechten in der Dreschzeit getrunken.
Den armen Leuten bleibt Nichts anders übrig, als ihre Weingärten
nach und nach in Erdäpsclselder zu verwandeln, und so verschwinden
denn immer mehr und mehr die frischgrünen Berghänge und sonnigen-
Weinhügcl, auf denen einst der goldene Saft der Rede in den hellen
Trauben gohr und die der Landschaft ein gar freundliches und lebensvol¬
les Ansehen verliehen. Der wohlfeile und angenehme Ungarwein, der
trotz des Zolles fehr leicht die Concurrenz mit dem Oesterreichischen be¬
stehen kann, auf der einen und der Ausschank d"" spottwohlseilen Ze-
hentwcines von Seite der Grundherren auf der andern Seite, machen
es dem Winzer von Tag zu Tag unmöglicher, sich von seiner Hände
Arbeit zu ernähren, wozu denn endlich auch die steigende Vorliebe für
das Bier kommt, die ihnen nun vollends den Todesstoß gibt. Um
sich eine richtige Vorstellung von dem Umfange zu bilden, in welchem
dieses Getränk, trotz der enormen Steuer, die auf seiner Erzeugung
lastet, und der im Durchschnitt jämmerlichen Qualität desselben, hier¬
orts genossen wird, muß man wissen, daß zur hiesigen Innung allein
siebenundvierzig Brauhäuser gehören, welche zusammen genommen im
Jahre 1844 nicht weniger als 1,327,16j Eimer erzeugten. Dieses
ungeheure Quantum wurde hier und in der Umgebung verbraucht/
denn in die Provinzen wurde ein hö geringer Theil davon versendet,
daß er kaum in Anschlag gebracht werden kann, und in's Ausland
ging gar Nichts. Innerhalb der Linien befinden sich bei 120 Wir¬
then mit 1000 Hausknechten, 200 Oberkellner und 2000 Jungen.


stadt, was den Berichterstatter der Frankfurter Oberpostamtszeitung zu
der menschenfreundlichen Annahme verleitete, als sei man überhaupt
Sinnes, der Zehentablösung hilfreichst die Hand zu bieten. Doch auch
der beregte Antrag verliert viel von seinem Schimmer, wenn man
ihn beim Licht betrachtet und die Bedingungen prüft, unter denen er
gestellt worden; eine der faßlichsten ist wohl diejenige, welche besagt,
daß die Ablösung nur dann Statt finden könne, wenn die in Wiener
Wahrung vorgenommene Abschätzung dabei in Conventionsmünze aus¬
gezahlt würde.

Wie lästig überhaupt und wie schädlich sogar der Zehent auf
die Landwirthschaft einwirkt, das kann man nirgends klarer einsehen
lernen, als indem man den gegenwärtigen Zustand unserer Winzer
betrachtet. Der Weinbau war ehedem ein goldener Erwerbszweig in
Oesterreich und jetzt gibt es kaum einen ärmeren Erwerbsstand, als
den der Winzer; nicht nur sinken die Weinprcise von Jahr zu Jahr,
auch der Absatz wird mit jedem Herbst geringer und die armen Leute
müssen am Ende ihren Schweiß noch selbst trinken, weil sie selbst um
den mindesten Preis keinen Abgang finden. Einige vorzügliche Gat¬
tungen sind freilich von diesem Mißgeschicke frei, allein diese befinden
sich in den Handen reicher Händler und der gewöhnliche Landwein
wird nur mehr von den Bauersknechten in der Dreschzeit getrunken.
Den armen Leuten bleibt Nichts anders übrig, als ihre Weingärten
nach und nach in Erdäpsclselder zu verwandeln, und so verschwinden
denn immer mehr und mehr die frischgrünen Berghänge und sonnigen-
Weinhügcl, auf denen einst der goldene Saft der Rede in den hellen
Trauben gohr und die der Landschaft ein gar freundliches und lebensvol¬
les Ansehen verliehen. Der wohlfeile und angenehme Ungarwein, der
trotz des Zolles fehr leicht die Concurrenz mit dem Oesterreichischen be¬
stehen kann, auf der einen und der Ausschank d»« spottwohlseilen Ze-
hentwcines von Seite der Grundherren auf der andern Seite, machen
es dem Winzer von Tag zu Tag unmöglicher, sich von seiner Hände
Arbeit zu ernähren, wozu denn endlich auch die steigende Vorliebe für
das Bier kommt, die ihnen nun vollends den Todesstoß gibt. Um
sich eine richtige Vorstellung von dem Umfange zu bilden, in welchem
dieses Getränk, trotz der enormen Steuer, die auf seiner Erzeugung
lastet, und der im Durchschnitt jämmerlichen Qualität desselben, hier¬
orts genossen wird, muß man wissen, daß zur hiesigen Innung allein
siebenundvierzig Brauhäuser gehören, welche zusammen genommen im
Jahre 1844 nicht weniger als 1,327,16j Eimer erzeugten. Dieses
ungeheure Quantum wurde hier und in der Umgebung verbraucht/
denn in die Provinzen wurde ein hö geringer Theil davon versendet,
daß er kaum in Anschlag gebracht werden kann, und in's Ausland
ging gar Nichts. Innerhalb der Linien befinden sich bei 120 Wir¬
then mit 1000 Hausknechten, 200 Oberkellner und 2000 Jungen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/144>, abgerufen am 20.05.2024.