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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band.

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Eöln angewiesen hat, war kein großer Taktiker. Ich zweifle nicht an
der Ehrlichkeit des Herrn Prof. Berche, aber an seinem Geschick und
Talent verzweifelt alle Welt. Man frage nur bei den hiesigen Pro¬
testanten nach; sie werden ihm für die Art und Weise, ihre Interessen
zu vertreten, schwerlich einen Ehrenbecher votirrn. Er spricht, wie ein
Gensdarm, er hat einen Styl, wie eine Kratzbürste, sagen die Leute.
Den theologischen Bocksbeutel, den er dem Leser fortwährend in die
Ohren schwenkt, findet man blos ledern und abgeschmackt; fällt er
aber gar, wie neulich, über den Prediger Wislicenus her, so rufen
die gebildeten Cölner: "Da habt Ihr Eure preußische Aufklärung. Der
steife Gaul hat lang nit gewußt, ob er mit den Deutschkatholischen
fahren soll, bis man in Berlin Hot! gesagt hat. Nu trampelt er
aber auch schnurgrad, wie er von seinem Minister kutschirt wird; sonst
hat er seine Schauklappen rechts und links, so gut wie unsere Ultra¬
montanen!" --

Wenn der Prof. Berche sein Bischen theologische Lärmfreiheit sich
durch eine auffallende politische Unschuld erkauft zu haben scheint, so
wollte ">. Andru es nicht umgekehrt machen; er wollte nicht länger
gegen die Büreaukratie ankämpfen, wenn er nicht zugleich der Hie¬
rarchie die Spitze bieten und nach beiden Seiten hin gleich frei auf¬
treten konnte. Diplomatisiren und Laviren ist seine Sache nicht. Er
opfert daher freiwillig seine fette 2Wi> Thalcrstelle bei der Cölnischen
Zeitung und wird die gründliche Kenntniß rheinischer Zustände, die er
sich durch achtjährigen Aufenthalt am Ober- und Niederrhein erworben
hat, gewiß bald auf einem andern Posten geltend machen. Die Eh¬
renhaftigkeit dieses Schrittes wird von allen Seiten anerkannt und
Andrv's Abgang von allen Parteien, so wie von Herrn Dümont-
Schauberg selbst, lebhaft bedauert. Nur die Ultramontanen wiegen
sich in vorzeitigen Hoffnungen. Wenn sie bereits in der Allgemeinen
Zeitung verkünden, "sicherem Vernehmen nach" werde Prof. Dierin-
ger in Bonn Hauptmitarbeiter der Kölnischen werden, so ist das eben
so aus der Luft gegriffen, wie die pikante Notiz aus dem gyivellini-
schen Lager, daß Herr Dumont mittelst des Beichtstuhls :c. bearbeitet
worden sei. Daß um dies wichtigste rheinische Organ alle Parteiströ¬
mungen wühlen, läßt sich denken. Aber Herr Dumont hat zur Zeit
noch gar keine Wahl getroffen und möchte sein goldenes Fahrzeug am
liebsten in Andrv's Weise weiter führen; er hat eben so viel Angst
vor einem ultramontanen Piloten, als vor einem offiziell preußischen
Steuermann.

Sie könnten denken, daß der Deutschkatholicismus, der von einem
Blatt, wie der Rheinische Beobachter, protegirt wird, hier gerade so
viel Aussichten hat wie in Polen. Es scheint indeß, als wollte das
preußische Gouvernement ihn nächstens fallen lassen (y, und das dürfte
ihm in der öffentlichen Meinung der Rheinprovinz nützen.


Eöln angewiesen hat, war kein großer Taktiker. Ich zweifle nicht an
der Ehrlichkeit des Herrn Prof. Berche, aber an seinem Geschick und
Talent verzweifelt alle Welt. Man frage nur bei den hiesigen Pro¬
testanten nach; sie werden ihm für die Art und Weise, ihre Interessen
zu vertreten, schwerlich einen Ehrenbecher votirrn. Er spricht, wie ein
Gensdarm, er hat einen Styl, wie eine Kratzbürste, sagen die Leute.
Den theologischen Bocksbeutel, den er dem Leser fortwährend in die
Ohren schwenkt, findet man blos ledern und abgeschmackt; fällt er
aber gar, wie neulich, über den Prediger Wislicenus her, so rufen
die gebildeten Cölner: „Da habt Ihr Eure preußische Aufklärung. Der
steife Gaul hat lang nit gewußt, ob er mit den Deutschkatholischen
fahren soll, bis man in Berlin Hot! gesagt hat. Nu trampelt er
aber auch schnurgrad, wie er von seinem Minister kutschirt wird; sonst
hat er seine Schauklappen rechts und links, so gut wie unsere Ultra¬
montanen!" —

Wenn der Prof. Berche sein Bischen theologische Lärmfreiheit sich
durch eine auffallende politische Unschuld erkauft zu haben scheint, so
wollte »>. Andru es nicht umgekehrt machen; er wollte nicht länger
gegen die Büreaukratie ankämpfen, wenn er nicht zugleich der Hie¬
rarchie die Spitze bieten und nach beiden Seiten hin gleich frei auf¬
treten konnte. Diplomatisiren und Laviren ist seine Sache nicht. Er
opfert daher freiwillig seine fette 2Wi> Thalcrstelle bei der Cölnischen
Zeitung und wird die gründliche Kenntniß rheinischer Zustände, die er
sich durch achtjährigen Aufenthalt am Ober- und Niederrhein erworben
hat, gewiß bald auf einem andern Posten geltend machen. Die Eh¬
renhaftigkeit dieses Schrittes wird von allen Seiten anerkannt und
Andrv's Abgang von allen Parteien, so wie von Herrn Dümont-
Schauberg selbst, lebhaft bedauert. Nur die Ultramontanen wiegen
sich in vorzeitigen Hoffnungen. Wenn sie bereits in der Allgemeinen
Zeitung verkünden, „sicherem Vernehmen nach" werde Prof. Dierin-
ger in Bonn Hauptmitarbeiter der Kölnischen werden, so ist das eben
so aus der Luft gegriffen, wie die pikante Notiz aus dem gyivellini-
schen Lager, daß Herr Dumont mittelst des Beichtstuhls :c. bearbeitet
worden sei. Daß um dies wichtigste rheinische Organ alle Parteiströ¬
mungen wühlen, läßt sich denken. Aber Herr Dumont hat zur Zeit
noch gar keine Wahl getroffen und möchte sein goldenes Fahrzeug am
liebsten in Andrv's Weise weiter führen; er hat eben so viel Angst
vor einem ultramontanen Piloten, als vor einem offiziell preußischen
Steuermann.

Sie könnten denken, daß der Deutschkatholicismus, der von einem
Blatt, wie der Rheinische Beobachter, protegirt wird, hier gerade so
viel Aussichten hat wie in Polen. Es scheint indeß, als wollte das
preußische Gouvernement ihn nächstens fallen lassen (y, und das dürfte
ihm in der öffentlichen Meinung der Rheinprovinz nützen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_270058/513>, abgerufen am 20.05.2024.