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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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-- Sie scherzen.

- Ihre Hoheit wissen, daß ich niemals scherze.

Der junge Fürst und der alte Minister trennten sich, und
jener dachte, daß nur der Aerger über seine Verlorne Stellung aus
dem Diplomaten spreche. Sogleich ward der Bürgermeister be¬
rufen und kam in den Palast, nicht nur ohne zu ahnen, was
man von ihm wollte, sondern zitternd vor Furcht, denn er
erwartete Ungnade, Vorwürfe, vielleicht sogar einen Hochnoth-
peinlichen Proceß, wegen einiger harten Verordnungen des vori¬
gen Cabinets, deren Vollstreckung er hintertrieben hatte. Wie
erstaunte er, als ihm der Fürst, unter Beweisen seiner höchsten
Gnade, nichts Geringeres als das Staatsruder in die Hand
drücken wollte. Hinzelmann war ein schlichter Mann und etwas
schüchtern, wie alle ehrlichen Leute, denn nur den Spitzbuben
fehlt es nie an Selbstvertrauen, weil sie Nichts zu verlieren
haben. Er erschrak vor einer so großen Verantwortlichkeit, er
zauderte. Der Fürst dagegen machte die Wohlthaten geltend, die
er durch seine patriotische Politik dem Lande erweisen könnte, und
Hinzelmann, der gewohnt war, vor keiner noch so schwierigen
Pflichterfüllung zurückzuschrecken, entschied sich endlich für die
Annahme der unerwarteten Ehre. Der Fürst versprach, ihn frei
walten und schalten zu lassen, und der Bürgermeister, der zu
den Naturen gehörte, die sich schnell in den höchsten Regionen
wie in den niedersten zurechtfinden, genas bald vom Schwindel,
der ihn bei der plötzlichen Erhebung befallen hatte; er machte
sich ans Werk und nahm sein Portefeuille unter den Arm, wie
ein geborener Staatsmann.

Das war ein Festrag im ganzen Lande und in der Residenz.
Die Leute fielen sich auf offener Straße um den Hals, die Racker¬
ten flogen in die Luft, der Name des Fürsten ward gepriesen
bis in den siebenten Himmel. Abends war große Illumination,
doch als man dem alten Minister eine Katzenmusik brachte, und
einige Scheiben einwarf, war die Freude auf ihrem Gipfel.
Witsch I. war zufrieden und sagte, wie Titus: llockiv 6loin
von peräiäi, d. h. auf Deutsch: Heute habe ich ein Monument
verdient.


— Sie scherzen.

- Ihre Hoheit wissen, daß ich niemals scherze.

Der junge Fürst und der alte Minister trennten sich, und
jener dachte, daß nur der Aerger über seine Verlorne Stellung aus
dem Diplomaten spreche. Sogleich ward der Bürgermeister be¬
rufen und kam in den Palast, nicht nur ohne zu ahnen, was
man von ihm wollte, sondern zitternd vor Furcht, denn er
erwartete Ungnade, Vorwürfe, vielleicht sogar einen Hochnoth-
peinlichen Proceß, wegen einiger harten Verordnungen des vori¬
gen Cabinets, deren Vollstreckung er hintertrieben hatte. Wie
erstaunte er, als ihm der Fürst, unter Beweisen seiner höchsten
Gnade, nichts Geringeres als das Staatsruder in die Hand
drücken wollte. Hinzelmann war ein schlichter Mann und etwas
schüchtern, wie alle ehrlichen Leute, denn nur den Spitzbuben
fehlt es nie an Selbstvertrauen, weil sie Nichts zu verlieren
haben. Er erschrak vor einer so großen Verantwortlichkeit, er
zauderte. Der Fürst dagegen machte die Wohlthaten geltend, die
er durch seine patriotische Politik dem Lande erweisen könnte, und
Hinzelmann, der gewohnt war, vor keiner noch so schwierigen
Pflichterfüllung zurückzuschrecken, entschied sich endlich für die
Annahme der unerwarteten Ehre. Der Fürst versprach, ihn frei
walten und schalten zu lassen, und der Bürgermeister, der zu
den Naturen gehörte, die sich schnell in den höchsten Regionen
wie in den niedersten zurechtfinden, genas bald vom Schwindel,
der ihn bei der plötzlichen Erhebung befallen hatte; er machte
sich ans Werk und nahm sein Portefeuille unter den Arm, wie
ein geborener Staatsmann.

Das war ein Festrag im ganzen Lande und in der Residenz.
Die Leute fielen sich auf offener Straße um den Hals, die Racker¬
ten flogen in die Luft, der Name des Fürsten ward gepriesen
bis in den siebenten Himmel. Abends war große Illumination,
doch als man dem alten Minister eine Katzenmusik brachte, und
einige Scheiben einwarf, war die Freude auf ihrem Gipfel.
Witsch I. war zufrieden und sagte, wie Titus: llockiv 6loin
von peräiäi, d. h. auf Deutsch: Heute habe ich ein Monument
verdient.


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[0108] — Sie scherzen. - Ihre Hoheit wissen, daß ich niemals scherze. Der junge Fürst und der alte Minister trennten sich, und jener dachte, daß nur der Aerger über seine Verlorne Stellung aus dem Diplomaten spreche. Sogleich ward der Bürgermeister be¬ rufen und kam in den Palast, nicht nur ohne zu ahnen, was man von ihm wollte, sondern zitternd vor Furcht, denn er erwartete Ungnade, Vorwürfe, vielleicht sogar einen Hochnoth- peinlichen Proceß, wegen einiger harten Verordnungen des vori¬ gen Cabinets, deren Vollstreckung er hintertrieben hatte. Wie erstaunte er, als ihm der Fürst, unter Beweisen seiner höchsten Gnade, nichts Geringeres als das Staatsruder in die Hand drücken wollte. Hinzelmann war ein schlichter Mann und etwas schüchtern, wie alle ehrlichen Leute, denn nur den Spitzbuben fehlt es nie an Selbstvertrauen, weil sie Nichts zu verlieren haben. Er erschrak vor einer so großen Verantwortlichkeit, er zauderte. Der Fürst dagegen machte die Wohlthaten geltend, die er durch seine patriotische Politik dem Lande erweisen könnte, und Hinzelmann, der gewohnt war, vor keiner noch so schwierigen Pflichterfüllung zurückzuschrecken, entschied sich endlich für die Annahme der unerwarteten Ehre. Der Fürst versprach, ihn frei walten und schalten zu lassen, und der Bürgermeister, der zu den Naturen gehörte, die sich schnell in den höchsten Regionen wie in den niedersten zurechtfinden, genas bald vom Schwindel, der ihn bei der plötzlichen Erhebung befallen hatte; er machte sich ans Werk und nahm sein Portefeuille unter den Arm, wie ein geborener Staatsmann. Das war ein Festrag im ganzen Lande und in der Residenz. Die Leute fielen sich auf offener Straße um den Hals, die Racker¬ ten flogen in die Luft, der Name des Fürsten ward gepriesen bis in den siebenten Himmel. Abends war große Illumination, doch als man dem alten Minister eine Katzenmusik brachte, und einige Scheiben einwarf, war die Freude auf ihrem Gipfel. Witsch I. war zufrieden und sagte, wie Titus: llockiv 6loin von peräiäi, d. h. auf Deutsch: Heute habe ich ein Monument verdient.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/108>, abgerufen am 09.06.2024.