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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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er sogar ein Anerbieten des freundnachbarlichen Souverains aus,
der, um nach den neulichen Kriegsdrohungen die Bande der Ein¬
tracht von Neuem und fester zu knüpfen, ihn mit seiner Prinzessin
Tochter vermählen wollte. Bertha war eine Prinzessin vom alten
Schlag, und ihre mehr strenge als reizende Schönheit contrastirte
gegen die verführerische Anmuth der französischen Sylphide. Hin-
zelmann sah in der vorgeschlagenen Verbindung das wahre Inter¬
esse des Landes, und da, nach heimelt altväterischen Begriffen, die
fürstliche Liebschaft außerdem die Moral und die Würde des Thro¬
nes verletzte, so entschloß er sich, auf eigene Faust dem "Scandal",
wie er es nannte, ein Ende zu machen.

Der neue Minister hatte bisher gegen Intriguen aller Art
durch seine schlichte Gradheit gesiegt; jetzt war er in seinem Fache
so weit routinirt geworden, daß er selber, -- freilich nur im In¬
teresse der Tugend, -- zu intriguiren wagte. Er ließ die Ange¬
betete in sein Cabinet kommen, that so liebenswürdig als möglich,
und theilte ihr unter schmeichelnden Belobungen mit, daß er ihr
einen glänzenden Wirkungskreis, nämlich ein Engagement von Leon
Pillet, dem Duector der großen Pariser Oper, verschafft habe.
Leon Pillet gab zu verstehen, daß die Tänzerin, wenn sie zurück¬
kehren wollte, während der Ferien Carlotta's, die Hauptrollen tan--
zen und ihren Namen mit großen Buchstaben auf dem Theater¬
zettel sehen solle. Rosalinde that in der Freude ihres Herzens
einen Sprung, der, so kunstgerecht und graciös er war, den
ehrlichen Bürgermeister beinahe aus der Fassung brachte. Sie,
die arme Figurantin, die unbemerkte Ziffer im Balletcorps, sie
sollte sich endlich einmal allein auf jene Bühne ihres geprie¬
senen Paris, die erste Bühne der Welt, stürzen und mit ei¬
ner Carlotta, einer Plunkett, einer Fitz-James rivalistrcn dürfen!
Dieser Schauplatz neuer Thaten wog die Bewunderung des Hofes
von die Geschenke und das Herz des Fürsten tausendmal
auf. War doch der Glanz, mit dem der fürstliche Geliebte sie
umgab, nur ein schwacher Trost für die Französin, die von ihrem
Paris crilirt war. Hinzelmann schürte diesen edlen Ehrgeiz und
erhielt die Erlaubniß, den Abgesandten des Herrn Pillet, Herrn
Regisseur Vicentini ihr vorzustellen, worauf die Sache bald in
Ordnung war. Die Undankbare nahm sogleich Ertrapost und


er sogar ein Anerbieten des freundnachbarlichen Souverains aus,
der, um nach den neulichen Kriegsdrohungen die Bande der Ein¬
tracht von Neuem und fester zu knüpfen, ihn mit seiner Prinzessin
Tochter vermählen wollte. Bertha war eine Prinzessin vom alten
Schlag, und ihre mehr strenge als reizende Schönheit contrastirte
gegen die verführerische Anmuth der französischen Sylphide. Hin-
zelmann sah in der vorgeschlagenen Verbindung das wahre Inter¬
esse des Landes, und da, nach heimelt altväterischen Begriffen, die
fürstliche Liebschaft außerdem die Moral und die Würde des Thro¬
nes verletzte, so entschloß er sich, auf eigene Faust dem „Scandal",
wie er es nannte, ein Ende zu machen.

Der neue Minister hatte bisher gegen Intriguen aller Art
durch seine schlichte Gradheit gesiegt; jetzt war er in seinem Fache
so weit routinirt geworden, daß er selber, — freilich nur im In¬
teresse der Tugend, — zu intriguiren wagte. Er ließ die Ange¬
betete in sein Cabinet kommen, that so liebenswürdig als möglich,
und theilte ihr unter schmeichelnden Belobungen mit, daß er ihr
einen glänzenden Wirkungskreis, nämlich ein Engagement von Leon
Pillet, dem Duector der großen Pariser Oper, verschafft habe.
Leon Pillet gab zu verstehen, daß die Tänzerin, wenn sie zurück¬
kehren wollte, während der Ferien Carlotta's, die Hauptrollen tan--
zen und ihren Namen mit großen Buchstaben auf dem Theater¬
zettel sehen solle. Rosalinde that in der Freude ihres Herzens
einen Sprung, der, so kunstgerecht und graciös er war, den
ehrlichen Bürgermeister beinahe aus der Fassung brachte. Sie,
die arme Figurantin, die unbemerkte Ziffer im Balletcorps, sie
sollte sich endlich einmal allein auf jene Bühne ihres geprie¬
senen Paris, die erste Bühne der Welt, stürzen und mit ei¬
ner Carlotta, einer Plunkett, einer Fitz-James rivalistrcn dürfen!
Dieser Schauplatz neuer Thaten wog die Bewunderung des Hofes
von die Geschenke und das Herz des Fürsten tausendmal
auf. War doch der Glanz, mit dem der fürstliche Geliebte sie
umgab, nur ein schwacher Trost für die Französin, die von ihrem
Paris crilirt war. Hinzelmann schürte diesen edlen Ehrgeiz und
erhielt die Erlaubniß, den Abgesandten des Herrn Pillet, Herrn
Regisseur Vicentini ihr vorzustellen, worauf die Sache bald in
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[0112] er sogar ein Anerbieten des freundnachbarlichen Souverains aus, der, um nach den neulichen Kriegsdrohungen die Bande der Ein¬ tracht von Neuem und fester zu knüpfen, ihn mit seiner Prinzessin Tochter vermählen wollte. Bertha war eine Prinzessin vom alten Schlag, und ihre mehr strenge als reizende Schönheit contrastirte gegen die verführerische Anmuth der französischen Sylphide. Hin- zelmann sah in der vorgeschlagenen Verbindung das wahre Inter¬ esse des Landes, und da, nach heimelt altväterischen Begriffen, die fürstliche Liebschaft außerdem die Moral und die Würde des Thro¬ nes verletzte, so entschloß er sich, auf eigene Faust dem „Scandal", wie er es nannte, ein Ende zu machen. Der neue Minister hatte bisher gegen Intriguen aller Art durch seine schlichte Gradheit gesiegt; jetzt war er in seinem Fache so weit routinirt geworden, daß er selber, — freilich nur im In¬ teresse der Tugend, — zu intriguiren wagte. Er ließ die Ange¬ betete in sein Cabinet kommen, that so liebenswürdig als möglich, und theilte ihr unter schmeichelnden Belobungen mit, daß er ihr einen glänzenden Wirkungskreis, nämlich ein Engagement von Leon Pillet, dem Duector der großen Pariser Oper, verschafft habe. Leon Pillet gab zu verstehen, daß die Tänzerin, wenn sie zurück¬ kehren wollte, während der Ferien Carlotta's, die Hauptrollen tan-- zen und ihren Namen mit großen Buchstaben auf dem Theater¬ zettel sehen solle. Rosalinde that in der Freude ihres Herzens einen Sprung, der, so kunstgerecht und graciös er war, den ehrlichen Bürgermeister beinahe aus der Fassung brachte. Sie, die arme Figurantin, die unbemerkte Ziffer im Balletcorps, sie sollte sich endlich einmal allein auf jene Bühne ihres geprie¬ senen Paris, die erste Bühne der Welt, stürzen und mit ei¬ ner Carlotta, einer Plunkett, einer Fitz-James rivalistrcn dürfen! Dieser Schauplatz neuer Thaten wog die Bewunderung des Hofes von die Geschenke und das Herz des Fürsten tausendmal auf. War doch der Glanz, mit dem der fürstliche Geliebte sie umgab, nur ein schwacher Trost für die Französin, die von ihrem Paris crilirt war. Hinzelmann schürte diesen edlen Ehrgeiz und erhielt die Erlaubniß, den Abgesandten des Herrn Pillet, Herrn Regisseur Vicentini ihr vorzustellen, worauf die Sache bald in Ordnung war. Die Undankbare nahm sogleich Ertrapost und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/112>, abgerufen am 31.05.2024.