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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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nahm vom Fürsten französischen Abschied, d. h., sie empfahl sich
ihm nicht einmal, während er grade schmachtend ihr theures Por¬
trait betrachtete, das er zuletzt doch mit 20,000 Gulden
bezahlt hatte. Hinzelmann rieb sich die Hände über den Sieg
der guten Sache. Armer Hinzelmann! Seine Geradheit hatte ihm das
Leben sauer gemacht, doch an seiner ersten und letzten Intrigue
sollte er scheitern.

Als der Fürst Rosalindens Flucht erfuhr, wäre er vor Schmerz
beinahe umgekommen; als er jedoch die Intrigue seines Ministers
erfuhr, ward Seine Hoheit wüthend. Er stürzte in das Cabinet,
wo Hinzelmann grade an der Abfassung des Heirathscontractes
arbeitete, den er seinem Souverain zur Unterschrist vorlegen
wollte.

-- Herr! rief Witsch I. mit schneidender Stimme ; man
klagt Sie an, daß Sie an Rosalindens Entweickumg Schuld
sind.

-- Das ist wahr, Hoheit!

-- Es ist wahr, und Sie haben die Stirne, zu gestehen.
... Es ist genug. Ich habe lange genug geschwiegen über Ihre ge¬
hässige Verwaltung; ich zwang mich zu dem Glauben, daß Sie
ein ehrlicher Mann sind, aber Sie waren ein Heuchler. Sie
haben meine Unterthanen gegen mich aufgewiegelt, Sie haben die
Journale der Regierung erzürnt, Sie haben die Religion des Staats
beleidigt, Sie haben den Richterstand beschimpft und die Zwietracht
unter die Armee gebracht: jetzt stören Sie mich noch die Ruhe meiner
Tage?! Gehen Sie; ich entlasse Sie. Diese Gerechtigkeit bin
ich meinen armen Unterthanen schuldig.

-- Ihren Unterthanen! sagte Hinzelmann kaltblütig; sehen
Sie, Hoheit, was ich für das Wohl derselben gethan habe.--
Er zeigte ihm den Heirathscontract; Witsch s. zerriß ihn in
tausend Fetzen und ging.

Hinzelmann zog sich still, und ohne ein Wort zu verlieren,
aus dem Palast zurück; alle die Leute, deren Selbstsucht er be¬
leidigt hatte -- und ihre Zahl war groß -- erwarteten ihn am
Thor, und begleiteten ihn mit einer Katzenmusik, weit lauter als


Ärcuztoten, >- 14

nahm vom Fürsten französischen Abschied, d. h., sie empfahl sich
ihm nicht einmal, während er grade schmachtend ihr theures Por¬
trait betrachtete, das er zuletzt doch mit 20,000 Gulden
bezahlt hatte. Hinzelmann rieb sich die Hände über den Sieg
der guten Sache. Armer Hinzelmann! Seine Geradheit hatte ihm das
Leben sauer gemacht, doch an seiner ersten und letzten Intrigue
sollte er scheitern.

Als der Fürst Rosalindens Flucht erfuhr, wäre er vor Schmerz
beinahe umgekommen; als er jedoch die Intrigue seines Ministers
erfuhr, ward Seine Hoheit wüthend. Er stürzte in das Cabinet,
wo Hinzelmann grade an der Abfassung des Heirathscontractes
arbeitete, den er seinem Souverain zur Unterschrist vorlegen
wollte.

— Herr! rief Witsch I. mit schneidender Stimme ; man
klagt Sie an, daß Sie an Rosalindens Entweickumg Schuld
sind.

— Das ist wahr, Hoheit!

— Es ist wahr, und Sie haben die Stirne, zu gestehen.
... Es ist genug. Ich habe lange genug geschwiegen über Ihre ge¬
hässige Verwaltung; ich zwang mich zu dem Glauben, daß Sie
ein ehrlicher Mann sind, aber Sie waren ein Heuchler. Sie
haben meine Unterthanen gegen mich aufgewiegelt, Sie haben die
Journale der Regierung erzürnt, Sie haben die Religion des Staats
beleidigt, Sie haben den Richterstand beschimpft und die Zwietracht
unter die Armee gebracht: jetzt stören Sie mich noch die Ruhe meiner
Tage?! Gehen Sie; ich entlasse Sie. Diese Gerechtigkeit bin
ich meinen armen Unterthanen schuldig.

— Ihren Unterthanen! sagte Hinzelmann kaltblütig; sehen
Sie, Hoheit, was ich für das Wohl derselben gethan habe.—
Er zeigte ihm den Heirathscontract; Witsch s. zerriß ihn in
tausend Fetzen und ging.

Hinzelmann zog sich still, und ohne ein Wort zu verlieren,
aus dem Palast zurück; alle die Leute, deren Selbstsucht er be¬
leidigt hatte — und ihre Zahl war groß — erwarteten ihn am
Thor, und begleiteten ihn mit einer Katzenmusik, weit lauter als


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[0113] nahm vom Fürsten französischen Abschied, d. h., sie empfahl sich ihm nicht einmal, während er grade schmachtend ihr theures Por¬ trait betrachtete, das er zuletzt doch mit 20,000 Gulden bezahlt hatte. Hinzelmann rieb sich die Hände über den Sieg der guten Sache. Armer Hinzelmann! Seine Geradheit hatte ihm das Leben sauer gemacht, doch an seiner ersten und letzten Intrigue sollte er scheitern. Als der Fürst Rosalindens Flucht erfuhr, wäre er vor Schmerz beinahe umgekommen; als er jedoch die Intrigue seines Ministers erfuhr, ward Seine Hoheit wüthend. Er stürzte in das Cabinet, wo Hinzelmann grade an der Abfassung des Heirathscontractes arbeitete, den er seinem Souverain zur Unterschrist vorlegen wollte. — Herr! rief Witsch I. mit schneidender Stimme ; man klagt Sie an, daß Sie an Rosalindens Entweickumg Schuld sind. — Das ist wahr, Hoheit! — Es ist wahr, und Sie haben die Stirne, zu gestehen. ... Es ist genug. Ich habe lange genug geschwiegen über Ihre ge¬ hässige Verwaltung; ich zwang mich zu dem Glauben, daß Sie ein ehrlicher Mann sind, aber Sie waren ein Heuchler. Sie haben meine Unterthanen gegen mich aufgewiegelt, Sie haben die Journale der Regierung erzürnt, Sie haben die Religion des Staats beleidigt, Sie haben den Richterstand beschimpft und die Zwietracht unter die Armee gebracht: jetzt stören Sie mich noch die Ruhe meiner Tage?! Gehen Sie; ich entlasse Sie. Diese Gerechtigkeit bin ich meinen armen Unterthanen schuldig. — Ihren Unterthanen! sagte Hinzelmann kaltblütig; sehen Sie, Hoheit, was ich für das Wohl derselben gethan habe.— Er zeigte ihm den Heirathscontract; Witsch s. zerriß ihn in tausend Fetzen und ging. Hinzelmann zog sich still, und ohne ein Wort zu verlieren, aus dem Palast zurück; alle die Leute, deren Selbstsucht er be¬ leidigt hatte — und ihre Zahl war groß — erwarteten ihn am Thor, und begleiteten ihn mit einer Katzenmusik, weit lauter als Ärcuztoten, >- 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/113>, abgerufen am 28.05.2024.