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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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den nur in etwas die göttliche, aber kalte Elasticität, wie Gothe'ö
Romantik in der Iphigenia auf Tauris. -- Armer Aloysius Zink!
-- Niemand empfand daS Elend, das Göttinnen auf die Erde
bringen, so bitter wie du. Es war ein häßlicher Mensch, aber
eine gute, weiche Seele, dieser Aloysius Zink, und war Student
und machte schlechte Verse. Unglückseliger Weise war er Abschrei¬
ber bei ihrem Vater, und da hat er sie oft gesehen, und da war
das Elend fertig und der Stab über ihn gebrochen. -- Ich erinnere
mich noch an einen Vers von ihm, den er auf Lionessa's Augen
machte. -- Er heißt:

Er trug sein Leiden still beglückt, und nur wenige seiner Freunde
wußten, warum er so schweigsam geworden und so viele schlechte
Verse schrieb. Da eines Tages kam er noch zu Schoch, drückte
den Freunden die Hand, war sehr heiter und ging. -- Heute hat
sie ihn freundlich angesehen, sagten wir unter uns. -- Nach einer
halben Stunde ging ich durch die neue Allee, da trug man ihn
eben vorüber, vergiftet, erschossen, todt! Das war so zugegangen:
Als er von uns ging, nahm er auf seiner Stube eine schöne Dosis
Gift und erzählte es mit innigem Vergnügen einem Freunde, der
ihn eben besuchte. Der machte großen Lärm lind lief um einen
Arzt. Aloysius fürchtete mit Gewalt gerettet- zu werden, lud schnell
eine Pistole, und wie der Arzt kam, war er erschossen. Zweifacher
Tod für eine Nicht-Liebe! -- beim Himmel! ein hoher Preis. --
Sie aber, die Löwin, blüht hoffentlich noch heute wie damals.
Man kann auch bei ihr nicht denken, wie sie jemals verblühen
könnte; die marmorne Venus von Chios ist noch heute so schön,
wie vor zweitausend Jahren. Um ihretwillen segne ich die ganze
Prager Universität, und alle Professoren, die Töchter haben, und
auch die, die keine Töchter haben, z. B. den Professor Jandera. --

Wie komme ich plötzlich auf die Universität und auf Professor
Jandera? -- "Den Teufel halte wer ihn hält, er wird ihn nicht
sobald zum zweiten Male fangen." Das ist eine Figur, wie sie
nur Hoffmann, Lichtenberg und David Teniers in Eine Person


den nur in etwas die göttliche, aber kalte Elasticität, wie Gothe'ö
Romantik in der Iphigenia auf Tauris. — Armer Aloysius Zink!
— Niemand empfand daS Elend, das Göttinnen auf die Erde
bringen, so bitter wie du. Es war ein häßlicher Mensch, aber
eine gute, weiche Seele, dieser Aloysius Zink, und war Student
und machte schlechte Verse. Unglückseliger Weise war er Abschrei¬
ber bei ihrem Vater, und da hat er sie oft gesehen, und da war
das Elend fertig und der Stab über ihn gebrochen. — Ich erinnere
mich noch an einen Vers von ihm, den er auf Lionessa's Augen
machte. — Er heißt:

Er trug sein Leiden still beglückt, und nur wenige seiner Freunde
wußten, warum er so schweigsam geworden und so viele schlechte
Verse schrieb. Da eines Tages kam er noch zu Schoch, drückte
den Freunden die Hand, war sehr heiter und ging. — Heute hat
sie ihn freundlich angesehen, sagten wir unter uns. — Nach einer
halben Stunde ging ich durch die neue Allee, da trug man ihn
eben vorüber, vergiftet, erschossen, todt! Das war so zugegangen:
Als er von uns ging, nahm er auf seiner Stube eine schöne Dosis
Gift und erzählte es mit innigem Vergnügen einem Freunde, der
ihn eben besuchte. Der machte großen Lärm lind lief um einen
Arzt. Aloysius fürchtete mit Gewalt gerettet- zu werden, lud schnell
eine Pistole, und wie der Arzt kam, war er erschossen. Zweifacher
Tod für eine Nicht-Liebe! — beim Himmel! ein hoher Preis. —
Sie aber, die Löwin, blüht hoffentlich noch heute wie damals.
Man kann auch bei ihr nicht denken, wie sie jemals verblühen
könnte; die marmorne Venus von Chios ist noch heute so schön,
wie vor zweitausend Jahren. Um ihretwillen segne ich die ganze
Prager Universität, und alle Professoren, die Töchter haben, und
auch die, die keine Töchter haben, z. B. den Professor Jandera. —

Wie komme ich plötzlich auf die Universität und auf Professor
Jandera? — „Den Teufel halte wer ihn hält, er wird ihn nicht
sobald zum zweiten Male fangen." Das ist eine Figur, wie sie
nur Hoffmann, Lichtenberg und David Teniers in Eine Person


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[0119] den nur in etwas die göttliche, aber kalte Elasticität, wie Gothe'ö Romantik in der Iphigenia auf Tauris. — Armer Aloysius Zink! — Niemand empfand daS Elend, das Göttinnen auf die Erde bringen, so bitter wie du. Es war ein häßlicher Mensch, aber eine gute, weiche Seele, dieser Aloysius Zink, und war Student und machte schlechte Verse. Unglückseliger Weise war er Abschrei¬ ber bei ihrem Vater, und da hat er sie oft gesehen, und da war das Elend fertig und der Stab über ihn gebrochen. — Ich erinnere mich noch an einen Vers von ihm, den er auf Lionessa's Augen machte. — Er heißt: Er trug sein Leiden still beglückt, und nur wenige seiner Freunde wußten, warum er so schweigsam geworden und so viele schlechte Verse schrieb. Da eines Tages kam er noch zu Schoch, drückte den Freunden die Hand, war sehr heiter und ging. — Heute hat sie ihn freundlich angesehen, sagten wir unter uns. — Nach einer halben Stunde ging ich durch die neue Allee, da trug man ihn eben vorüber, vergiftet, erschossen, todt! Das war so zugegangen: Als er von uns ging, nahm er auf seiner Stube eine schöne Dosis Gift und erzählte es mit innigem Vergnügen einem Freunde, der ihn eben besuchte. Der machte großen Lärm lind lief um einen Arzt. Aloysius fürchtete mit Gewalt gerettet- zu werden, lud schnell eine Pistole, und wie der Arzt kam, war er erschossen. Zweifacher Tod für eine Nicht-Liebe! — beim Himmel! ein hoher Preis. — Sie aber, die Löwin, blüht hoffentlich noch heute wie damals. Man kann auch bei ihr nicht denken, wie sie jemals verblühen könnte; die marmorne Venus von Chios ist noch heute so schön, wie vor zweitausend Jahren. Um ihretwillen segne ich die ganze Prager Universität, und alle Professoren, die Töchter haben, und auch die, die keine Töchter haben, z. B. den Professor Jandera. — Wie komme ich plötzlich auf die Universität und auf Professor Jandera? — „Den Teufel halte wer ihn hält, er wird ihn nicht sobald zum zweiten Male fangen." Das ist eine Figur, wie sie nur Hoffmann, Lichtenberg und David Teniers in Eine Person

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/119>, abgerufen am 31.05.2024.