Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ob es nicht besser wäre, den Grund der plötzlicken Steigerung
des Holzpreises zu heben, statt jenes armselige Palliativmittel zu
wählen, das stellen wir gemüthlich der Hohen Obrigkeit anheim und
frieren in pflichtschuldigen Gehorsam; zahlen die Stola, küssen un¬
serem Herrn Pater den Aermel, und lassen uns vom Dissioenten-
thum nichts träumen, denn schon der Traum würde uns dem Zwangs¬
arbeitshause Verfallen, kurz wir sind gar gute fromme Kinder, die
kein Wasser trüben. Unsere Gaugcasen aber, unsere Schirmvögte
und Burgherrn, die sogenannten Herren Stände hochlöblich, rumo¬
ren gewaltig, und machen der väterlichen Regierung gar.viel zu
schaffen.

Gar oft machen verhätschelte bevorzugte Kinder dem Herrn Va¬
ter bitteren Verdruß, während er an den strenge gehaltenen Freude
erlebt: so auch hier der hohe Adel, und an ihn sich hängend, der
niedere, hebt das Haupt, will mitreden, will mitregieren, will sich
breit machen auf den Landtagen, glaubt besser zu wissen was dem
Lande - nemlich dem Adel -- Noth thut, meint, was unsere Mi¬
nister, ohnehin Glieder des böhmischen Adels, von der Sache verste¬
hen, das verstehe man hier im Lande weit besser und unmittelba¬
rer. --- Der im Landtage durch den Herrn Bürgermeister der Haupt¬
stadt Prag ausschließend und einstimmig repräsentirte Bürgerstand
des Königreiches Böhmen, bemüht sich nach Leibeskräften gegen den
Adel und für das Regierungsintresse zu stimmen, ist auch für seine
Anstrengungen mit der Ordcnsdecoration Kaindl I^eos,ol"ii belohnt
worden, der Bürgermeister nämlich -- die hohe Geistlichkeit halt
treulich zu dem Bürger, denn Bisthümer sind nicht zu verachten;
das Herrn- und das Ritterthum aber -- quäkelt und mäkelt ohne
Unterlaß in dem engen Kreise herum, welchen ihm die auf dem
weißen Berge dictirte Landesordnung -- ein Zwangsjäckchcn, das
man beliebig enger schnüren kann, -- gezogen, und merkt es nicht,
daß wir im Volke längst im Klaren sind über die Tendenzen des
Junkerchums, und ganz gut wissen, hoher und niederer Adel
wünsche beliebig mitzuregicren, und wo möglich die kargen Reste
der josephenischen goldenen Zeit, die uns noch geblieben, auszutilgen
aus Geschichte und Leben. -- Daß in so bewegungslustiger
Zeit, wie die gegenwärtige, die oppositionellen Bestrebungen der
Herrn Stände in der intelligenten Mittelklasse so durchaus keine
Sympathien finden, daß man es vorzieht, autonomisch von Wien
regiert zu werden, daß man seine Freude daran hat, wenn den ho¬
hen Herrn VerHebung und Rüge von hoher Hoftanzley zugewendet
wird, reicht vollkommen aus, die ständischen Tendenzen zu charcckteri-
siren. -- Eine Versammlung, deren Majorität kaum anders denn
Jagd- und Roßangelegenheiten gründlich zu besprechen verstehet, wird
natürlich von einigen Wortführern leicht beherrscht, und häufig dü-


17"

Ob es nicht besser wäre, den Grund der plötzlicken Steigerung
des Holzpreises zu heben, statt jenes armselige Palliativmittel zu
wählen, das stellen wir gemüthlich der Hohen Obrigkeit anheim und
frieren in pflichtschuldigen Gehorsam; zahlen die Stola, küssen un¬
serem Herrn Pater den Aermel, und lassen uns vom Dissioenten-
thum nichts träumen, denn schon der Traum würde uns dem Zwangs¬
arbeitshause Verfallen, kurz wir sind gar gute fromme Kinder, die
kein Wasser trüben. Unsere Gaugcasen aber, unsere Schirmvögte
und Burgherrn, die sogenannten Herren Stände hochlöblich, rumo¬
ren gewaltig, und machen der väterlichen Regierung gar.viel zu
schaffen.

Gar oft machen verhätschelte bevorzugte Kinder dem Herrn Va¬
ter bitteren Verdruß, während er an den strenge gehaltenen Freude
erlebt: so auch hier der hohe Adel, und an ihn sich hängend, der
niedere, hebt das Haupt, will mitreden, will mitregieren, will sich
breit machen auf den Landtagen, glaubt besser zu wissen was dem
Lande - nemlich dem Adel — Noth thut, meint, was unsere Mi¬
nister, ohnehin Glieder des böhmischen Adels, von der Sache verste¬
hen, das verstehe man hier im Lande weit besser und unmittelba¬
rer. —- Der im Landtage durch den Herrn Bürgermeister der Haupt¬
stadt Prag ausschließend und einstimmig repräsentirte Bürgerstand
des Königreiches Böhmen, bemüht sich nach Leibeskräften gegen den
Adel und für das Regierungsintresse zu stimmen, ist auch für seine
Anstrengungen mit der Ordcnsdecoration Kaindl I^eos,ol«ii belohnt
worden, der Bürgermeister nämlich — die hohe Geistlichkeit halt
treulich zu dem Bürger, denn Bisthümer sind nicht zu verachten;
das Herrn- und das Ritterthum aber — quäkelt und mäkelt ohne
Unterlaß in dem engen Kreise herum, welchen ihm die auf dem
weißen Berge dictirte Landesordnung — ein Zwangsjäckchcn, das
man beliebig enger schnüren kann, — gezogen, und merkt es nicht,
daß wir im Volke längst im Klaren sind über die Tendenzen des
Junkerchums, und ganz gut wissen, hoher und niederer Adel
wünsche beliebig mitzuregicren, und wo möglich die kargen Reste
der josephenischen goldenen Zeit, die uns noch geblieben, auszutilgen
aus Geschichte und Leben. — Daß in so bewegungslustiger
Zeit, wie die gegenwärtige, die oppositionellen Bestrebungen der
Herrn Stände in der intelligenten Mittelklasse so durchaus keine
Sympathien finden, daß man es vorzieht, autonomisch von Wien
regiert zu werden, daß man seine Freude daran hat, wenn den ho¬
hen Herrn VerHebung und Rüge von hoher Hoftanzley zugewendet
wird, reicht vollkommen aus, die ständischen Tendenzen zu charcckteri-
siren. — Eine Versammlung, deren Majorität kaum anders denn
Jagd- und Roßangelegenheiten gründlich zu besprechen verstehet, wird
natürlich von einigen Wortführern leicht beherrscht, und häufig dü-


17»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181949"/>
            <p xml:id="ID_281"> Ob es nicht besser wäre, den Grund der plötzlicken Steigerung<lb/>
des Holzpreises zu heben, statt jenes armselige Palliativmittel zu<lb/>
wählen, das stellen wir gemüthlich der Hohen Obrigkeit anheim und<lb/>
frieren in pflichtschuldigen Gehorsam; zahlen die Stola, küssen un¬<lb/>
serem Herrn Pater den Aermel, und lassen uns vom Dissioenten-<lb/>
thum nichts träumen, denn schon der Traum würde uns dem Zwangs¬<lb/>
arbeitshause Verfallen, kurz wir sind gar gute fromme Kinder, die<lb/>
kein Wasser trüben. Unsere Gaugcasen aber, unsere Schirmvögte<lb/>
und Burgherrn, die sogenannten Herren Stände hochlöblich, rumo¬<lb/>
ren gewaltig, und machen der väterlichen Regierung gar.viel zu<lb/>
schaffen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_282" next="#ID_283"> Gar oft machen verhätschelte bevorzugte Kinder dem Herrn Va¬<lb/>
ter bitteren Verdruß, während er an den strenge gehaltenen Freude<lb/>
erlebt: so auch hier der hohe Adel, und an ihn sich hängend, der<lb/>
niedere, hebt das Haupt, will mitreden, will mitregieren, will sich<lb/>
breit machen auf den Landtagen, glaubt besser zu wissen was dem<lb/>
Lande - nemlich dem Adel &#x2014; Noth thut, meint, was unsere Mi¬<lb/>
nister, ohnehin Glieder des böhmischen Adels, von der Sache verste¬<lb/>
hen, das verstehe man hier im Lande weit besser und unmittelba¬<lb/>
rer. &#x2014;- Der im Landtage durch den Herrn Bürgermeister der Haupt¬<lb/>
stadt Prag ausschließend und einstimmig repräsentirte Bürgerstand<lb/>
des Königreiches Böhmen, bemüht sich nach Leibeskräften gegen den<lb/>
Adel und für das Regierungsintresse zu stimmen, ist auch für seine<lb/>
Anstrengungen mit der Ordcnsdecoration Kaindl I^eos,ol«ii belohnt<lb/>
worden, der Bürgermeister nämlich &#x2014; die hohe Geistlichkeit halt<lb/>
treulich zu dem Bürger, denn Bisthümer sind nicht zu verachten;<lb/>
das Herrn- und das Ritterthum aber &#x2014; quäkelt und mäkelt ohne<lb/>
Unterlaß in dem engen Kreise herum, welchen ihm die auf dem<lb/>
weißen Berge dictirte Landesordnung &#x2014; ein Zwangsjäckchcn, das<lb/>
man beliebig enger schnüren kann, &#x2014; gezogen, und merkt es nicht,<lb/>
daß wir im Volke längst im Klaren sind über die Tendenzen des<lb/>
Junkerchums, und ganz gut wissen, hoher und niederer Adel<lb/>
wünsche beliebig mitzuregicren, und wo möglich die kargen Reste<lb/>
der josephenischen goldenen Zeit, die uns noch geblieben, auszutilgen<lb/>
aus Geschichte und Leben. &#x2014; Daß in so bewegungslustiger<lb/>
Zeit, wie die gegenwärtige, die oppositionellen Bestrebungen der<lb/>
Herrn Stände in der intelligenten Mittelklasse so durchaus keine<lb/>
Sympathien finden, daß man es vorzieht, autonomisch von Wien<lb/>
regiert zu werden, daß man seine Freude daran hat, wenn den ho¬<lb/>
hen Herrn VerHebung und Rüge von hoher Hoftanzley zugewendet<lb/>
wird, reicht vollkommen aus, die ständischen Tendenzen zu charcckteri-<lb/>
siren. &#x2014; Eine Versammlung, deren Majorität kaum anders denn<lb/>
Jagd- und Roßangelegenheiten gründlich zu besprechen verstehet, wird<lb/>
natürlich von einigen Wortführern leicht beherrscht, und häufig dü-</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 17»</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] Ob es nicht besser wäre, den Grund der plötzlicken Steigerung des Holzpreises zu heben, statt jenes armselige Palliativmittel zu wählen, das stellen wir gemüthlich der Hohen Obrigkeit anheim und frieren in pflichtschuldigen Gehorsam; zahlen die Stola, küssen un¬ serem Herrn Pater den Aermel, und lassen uns vom Dissioenten- thum nichts träumen, denn schon der Traum würde uns dem Zwangs¬ arbeitshause Verfallen, kurz wir sind gar gute fromme Kinder, die kein Wasser trüben. Unsere Gaugcasen aber, unsere Schirmvögte und Burgherrn, die sogenannten Herren Stände hochlöblich, rumo¬ ren gewaltig, und machen der väterlichen Regierung gar.viel zu schaffen. Gar oft machen verhätschelte bevorzugte Kinder dem Herrn Va¬ ter bitteren Verdruß, während er an den strenge gehaltenen Freude erlebt: so auch hier der hohe Adel, und an ihn sich hängend, der niedere, hebt das Haupt, will mitreden, will mitregieren, will sich breit machen auf den Landtagen, glaubt besser zu wissen was dem Lande - nemlich dem Adel — Noth thut, meint, was unsere Mi¬ nister, ohnehin Glieder des böhmischen Adels, von der Sache verste¬ hen, das verstehe man hier im Lande weit besser und unmittelba¬ rer. —- Der im Landtage durch den Herrn Bürgermeister der Haupt¬ stadt Prag ausschließend und einstimmig repräsentirte Bürgerstand des Königreiches Böhmen, bemüht sich nach Leibeskräften gegen den Adel und für das Regierungsintresse zu stimmen, ist auch für seine Anstrengungen mit der Ordcnsdecoration Kaindl I^eos,ol«ii belohnt worden, der Bürgermeister nämlich — die hohe Geistlichkeit halt treulich zu dem Bürger, denn Bisthümer sind nicht zu verachten; das Herrn- und das Ritterthum aber — quäkelt und mäkelt ohne Unterlaß in dem engen Kreise herum, welchen ihm die auf dem weißen Berge dictirte Landesordnung — ein Zwangsjäckchcn, das man beliebig enger schnüren kann, — gezogen, und merkt es nicht, daß wir im Volke längst im Klaren sind über die Tendenzen des Junkerchums, und ganz gut wissen, hoher und niederer Adel wünsche beliebig mitzuregicren, und wo möglich die kargen Reste der josephenischen goldenen Zeit, die uns noch geblieben, auszutilgen aus Geschichte und Leben. — Daß in so bewegungslustiger Zeit, wie die gegenwärtige, die oppositionellen Bestrebungen der Herrn Stände in der intelligenten Mittelklasse so durchaus keine Sympathien finden, daß man es vorzieht, autonomisch von Wien regiert zu werden, daß man seine Freude daran hat, wenn den ho¬ hen Herrn VerHebung und Rüge von hoher Hoftanzley zugewendet wird, reicht vollkommen aus, die ständischen Tendenzen zu charcckteri- siren. — Eine Versammlung, deren Majorität kaum anders denn Jagd- und Roßangelegenheiten gründlich zu besprechen verstehet, wird natürlich von einigen Wortführern leicht beherrscht, und häufig dü- 17»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/139>, abgerufen am 14.05.2024.