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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Cchooße der Kirche machen können, ans welche er angewiesen ist.
In der Richtung und unter den Formen, die er eingeschlagen hat,
ist ihm jedoch keineswegs eine große Zukunft zu prophezeihen, die
Schuld hiervon liegt nicht blos an den Führern, ein großer Theil
derselben fällt vielmehr den protestantischen Enthusiasten zur Last,
die sich an sie gehängt. Diese Triumphzüge, welche den Deutsch¬
katholiken von Protestanten veranstaltet werden, erscheinen den
Altkatholiken nicht als ein Triumph der Schismatiker seiner
eigenen Kirche, sondern als ein Siegesgeschrei ihrer Gegner;
die alte Eifersucht tritt ein, die Orthodorcn und die Priester fin¬
den geneigte Ohren für ihr Dazwischenreden, und Alles bleibt
beim Alten. Nicht mit Unrecht fragen die Altkatholiken: ihr
die ihr durch Triumphzüge, Festreden, Zweckessen und Ehrenbecher
den Werth und die Wahrheit der neuen Kirche so laut feiert, wa¬
rum geht ihr nicht zu ihr über? Der Deutschkatholizismus steht
euerer Kirche ja noch näher als der unsrigen, warum thut Ihr
nicht den kleinem Schritt? Aber in eurer Mitte schreien diejenigen
vielleicht am lautesten Halleluja der neuen Kirche zu, die ihre ei¬
frigsten Verfolger würden, wenn man ihnen zumuthen wollte, in
ihren Schooß zu treten. Eure geräuschvollen Loblieder, eure Kränze
und Triumphe scheinen uns daher weniger der Sache selbst zu
gelten, alö der Lücke, die dadurch in unserer Reihe entstehet, eine
Lücke, die viel größer und unausfüllbarer geworden wäre, der viel¬
leicht Millionen von uns nachgefolgt wären, hättet ihr nicht so
zeitlich gejubelt und wäre in eurem Jubelgeschrei nicht mancher
Mißton der wie Schadenfreude klingt. Diese zwingt selbst uns,
die wir die Gebrechen der römischen Kirche, die Uebergriffe
der Priesterherrschaft, und die vielen sinnlosen Allotria derselben
sehr wohl erkennen und abzustreifen wünschen, dennoch von den Sepa¬
ratisten fern zu bleiben." -- Der Mangel an politischer Praris hat
sich in Deutschland bei dieser Gelegenheit wieder ein Mal klar ge¬
zeigt. Die leidende, verfolgte junge Kirchenpartci hätte überall
Sympathie gefunden, sie hätte die Phantasie gereizt, den Haupt¬
hebel in katholischer Welt, sie hätte das Herz angeregt, und auf
diesem Wege allmählig sichere Eroberungen im Kerne der römischen
Christenheit gemacht, während die voreiligen Feste und Siegeszuge
die ihr bereitet werden, die ganz entgegengesetzte Wirkung hervor-


Cchooße der Kirche machen können, ans welche er angewiesen ist.
In der Richtung und unter den Formen, die er eingeschlagen hat,
ist ihm jedoch keineswegs eine große Zukunft zu prophezeihen, die
Schuld hiervon liegt nicht blos an den Führern, ein großer Theil
derselben fällt vielmehr den protestantischen Enthusiasten zur Last,
die sich an sie gehängt. Diese Triumphzüge, welche den Deutsch¬
katholiken von Protestanten veranstaltet werden, erscheinen den
Altkatholiken nicht als ein Triumph der Schismatiker seiner
eigenen Kirche, sondern als ein Siegesgeschrei ihrer Gegner;
die alte Eifersucht tritt ein, die Orthodorcn und die Priester fin¬
den geneigte Ohren für ihr Dazwischenreden, und Alles bleibt
beim Alten. Nicht mit Unrecht fragen die Altkatholiken: ihr
die ihr durch Triumphzüge, Festreden, Zweckessen und Ehrenbecher
den Werth und die Wahrheit der neuen Kirche so laut feiert, wa¬
rum geht ihr nicht zu ihr über? Der Deutschkatholizismus steht
euerer Kirche ja noch näher als der unsrigen, warum thut Ihr
nicht den kleinem Schritt? Aber in eurer Mitte schreien diejenigen
vielleicht am lautesten Halleluja der neuen Kirche zu, die ihre ei¬
frigsten Verfolger würden, wenn man ihnen zumuthen wollte, in
ihren Schooß zu treten. Eure geräuschvollen Loblieder, eure Kränze
und Triumphe scheinen uns daher weniger der Sache selbst zu
gelten, alö der Lücke, die dadurch in unserer Reihe entstehet, eine
Lücke, die viel größer und unausfüllbarer geworden wäre, der viel¬
leicht Millionen von uns nachgefolgt wären, hättet ihr nicht so
zeitlich gejubelt und wäre in eurem Jubelgeschrei nicht mancher
Mißton der wie Schadenfreude klingt. Diese zwingt selbst uns,
die wir die Gebrechen der römischen Kirche, die Uebergriffe
der Priesterherrschaft, und die vielen sinnlosen Allotria derselben
sehr wohl erkennen und abzustreifen wünschen, dennoch von den Sepa¬
ratisten fern zu bleiben." — Der Mangel an politischer Praris hat
sich in Deutschland bei dieser Gelegenheit wieder ein Mal klar ge¬
zeigt. Die leidende, verfolgte junge Kirchenpartci hätte überall
Sympathie gefunden, sie hätte die Phantasie gereizt, den Haupt¬
hebel in katholischer Welt, sie hätte das Herz angeregt, und auf
diesem Wege allmählig sichere Eroberungen im Kerne der römischen
Christenheit gemacht, während die voreiligen Feste und Siegeszuge
die ihr bereitet werden, die ganz entgegengesetzte Wirkung hervor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/15>, abgerufen am 15.05.2024.