Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sollte zu Ehren gebracht werden. "Gehe auf die Straßen und Gas¬
sen und führe die Armen und Krüppel herein zum Mahle", das
die geladenen Vornehmen verschmäht haben (Luc. 14.). Aber auf
die Letzt kam nicht das arme Volk durch das Christenthum empor,
sondern nur die christliche Lehre, nur das Dogma, das die Gemein¬
den der Fischer u. s. w. zu ihrem Schilde gemacht hatten. Der
Himmel verdrängte den Olymp, aus den armen Fischern wurden
feiste Bischöfe, aus dem Wundöl des barmherzigen Samariters wurde
das Oel, das man leugnenden Ketzern zum Brennen unter die Fußsohlen
strich, und den Armen, die es nach wie vor gab, den Gedruckten und
Getretenen wurde -- das Evangelium gepredigt, nämlich die Bot¬
schaft, daß alle Dinge im Himmel und auf Erden in die Gewalt der
hohen Geistlichkeit gegeben sind. Ich weiß natürlich nicht, und das
wird man mir wenigstens gewiß aufs Wort glauben, was aus unsrem
heutigen Communismus und seinen Propheten noch dermaleinst wer¬
den wird; aber gesetzt, es 'gelänge ihm in so viel hundert Jahren
zur Geltung, oder gar zur Herrschaft in der Welt zu gelangen, ge¬
wiß würde das was er endlich cmporbringen würde, wieder nichts
anderes sein als eine neue Art Glaubensbekenntniß, und das Stadium
in welchem sein Humanismus in einen Satanismus umschlägt, würde
gewiß nicht ausbleiben. -- So furchtbar scheint mir nun zwar der
Communismus vor der Hand noch nicht, daß man alle möglichen
Vereine oder Versammlungen verbieten oder unter polizeiliche Aufsicht
stellen müsste, bei denen etwa eine Redensart die nach Communismus
schmeckt, fallen könnte oder irgend einmal gefallen ist. Dessenunge¬
achtet begreife ich es sehr wohl, wenn die Polizei hierin anders denkt.
Wo derjenige Stand, der heut zu Tage doch nun einmal der herr¬
schende, und da wo er noch nicht herrscht, wenigstens zur Herrschaft
hin drängende ist, der Bürgerstand, nicht der Freiheit genießt, Ver-,
Sammlungen in seinem Interesse zu halten, wie könnte da diese
Freiheit einem Stande gewährt werden, der noch nirgend an der Herr¬
schaft einen Antheil nimmt? Es darf wohl zugelassen werden/daß
der abhängige Arbeiter wohlmeinend belehrt, über seine Pflichten un¬
terrichtet, oder in Andachtsstunden erbaut werde, aber es darf nicht
zugelassen werden, daß man ihm zur Ausbildung eines Bewußtseins
über die Unzulänglichkeit seiner Stellung und zur Bethätigung sei¬
nes lieben Ich eine Anleitung gebe.

Dergleichen mag man wohl von den Vortragen, die im hiesigen
Handwerkervereine gehalten wurden, gefürchtet haben. Der Candidat
Behrends, welcher dabei besonders thätig war, ist sogar schon früher
in Folge einer Wahlpredigt, in welcher man communistische Elemente
entdeckt haben wollte, von dem Consistorium der Wahlfähigkeit zu ei¬
nem geistlichen Amte und vom Provincial-Schulcollegium der Be-


sollte zu Ehren gebracht werden. „Gehe auf die Straßen und Gas¬
sen und führe die Armen und Krüppel herein zum Mahle", das
die geladenen Vornehmen verschmäht haben (Luc. 14.). Aber auf
die Letzt kam nicht das arme Volk durch das Christenthum empor,
sondern nur die christliche Lehre, nur das Dogma, das die Gemein¬
den der Fischer u. s. w. zu ihrem Schilde gemacht hatten. Der
Himmel verdrängte den Olymp, aus den armen Fischern wurden
feiste Bischöfe, aus dem Wundöl des barmherzigen Samariters wurde
das Oel, das man leugnenden Ketzern zum Brennen unter die Fußsohlen
strich, und den Armen, die es nach wie vor gab, den Gedruckten und
Getretenen wurde — das Evangelium gepredigt, nämlich die Bot¬
schaft, daß alle Dinge im Himmel und auf Erden in die Gewalt der
hohen Geistlichkeit gegeben sind. Ich weiß natürlich nicht, und das
wird man mir wenigstens gewiß aufs Wort glauben, was aus unsrem
heutigen Communismus und seinen Propheten noch dermaleinst wer¬
den wird; aber gesetzt, es 'gelänge ihm in so viel hundert Jahren
zur Geltung, oder gar zur Herrschaft in der Welt zu gelangen, ge¬
wiß würde das was er endlich cmporbringen würde, wieder nichts
anderes sein als eine neue Art Glaubensbekenntniß, und das Stadium
in welchem sein Humanismus in einen Satanismus umschlägt, würde
gewiß nicht ausbleiben. — So furchtbar scheint mir nun zwar der
Communismus vor der Hand noch nicht, daß man alle möglichen
Vereine oder Versammlungen verbieten oder unter polizeiliche Aufsicht
stellen müsste, bei denen etwa eine Redensart die nach Communismus
schmeckt, fallen könnte oder irgend einmal gefallen ist. Dessenunge¬
achtet begreife ich es sehr wohl, wenn die Polizei hierin anders denkt.
Wo derjenige Stand, der heut zu Tage doch nun einmal der herr¬
schende, und da wo er noch nicht herrscht, wenigstens zur Herrschaft
hin drängende ist, der Bürgerstand, nicht der Freiheit genießt, Ver-,
Sammlungen in seinem Interesse zu halten, wie könnte da diese
Freiheit einem Stande gewährt werden, der noch nirgend an der Herr¬
schaft einen Antheil nimmt? Es darf wohl zugelassen werden/daß
der abhängige Arbeiter wohlmeinend belehrt, über seine Pflichten un¬
terrichtet, oder in Andachtsstunden erbaut werde, aber es darf nicht
zugelassen werden, daß man ihm zur Ausbildung eines Bewußtseins
über die Unzulänglichkeit seiner Stellung und zur Bethätigung sei¬
nes lieben Ich eine Anleitung gebe.

Dergleichen mag man wohl von den Vortragen, die im hiesigen
Handwerkervereine gehalten wurden, gefürchtet haben. Der Candidat
Behrends, welcher dabei besonders thätig war, ist sogar schon früher
in Folge einer Wahlpredigt, in welcher man communistische Elemente
entdeckt haben wollte, von dem Consistorium der Wahlfähigkeit zu ei¬
nem geistlichen Amte und vom Provincial-Schulcollegium der Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0190" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182000"/>
            <p xml:id="ID_416" prev="#ID_415"> sollte zu Ehren gebracht werden. &#x201E;Gehe auf die Straßen und Gas¬<lb/>
sen und führe die Armen und Krüppel herein zum Mahle", das<lb/>
die geladenen Vornehmen verschmäht haben (Luc. 14.). Aber auf<lb/>
die Letzt kam nicht das arme Volk durch das Christenthum empor,<lb/>
sondern nur die christliche Lehre, nur das Dogma, das die Gemein¬<lb/>
den der Fischer u. s. w. zu ihrem Schilde gemacht hatten. Der<lb/>
Himmel verdrängte den Olymp, aus den armen Fischern wurden<lb/>
feiste Bischöfe, aus dem Wundöl des barmherzigen Samariters wurde<lb/>
das Oel, das man leugnenden Ketzern zum Brennen unter die Fußsohlen<lb/>
strich, und den Armen, die es nach wie vor gab, den Gedruckten und<lb/>
Getretenen wurde &#x2014; das Evangelium gepredigt, nämlich die Bot¬<lb/>
schaft, daß alle Dinge im Himmel und auf Erden in die Gewalt der<lb/>
hohen Geistlichkeit gegeben sind. Ich weiß natürlich nicht, und das<lb/>
wird man mir wenigstens gewiß aufs Wort glauben, was aus unsrem<lb/>
heutigen Communismus und seinen Propheten noch dermaleinst wer¬<lb/>
den wird; aber gesetzt, es 'gelänge ihm in so viel hundert Jahren<lb/>
zur Geltung, oder gar zur Herrschaft in der Welt zu gelangen, ge¬<lb/>
wiß würde das was er endlich cmporbringen würde, wieder nichts<lb/>
anderes sein als eine neue Art Glaubensbekenntniß, und das Stadium<lb/>
in welchem sein Humanismus in einen Satanismus umschlägt, würde<lb/>
gewiß nicht ausbleiben. &#x2014; So furchtbar scheint mir nun zwar der<lb/>
Communismus vor der Hand noch nicht, daß man alle möglichen<lb/>
Vereine oder Versammlungen verbieten oder unter polizeiliche Aufsicht<lb/>
stellen müsste, bei denen etwa eine Redensart die nach Communismus<lb/>
schmeckt, fallen könnte oder irgend einmal gefallen ist. Dessenunge¬<lb/>
achtet begreife ich es sehr wohl, wenn die Polizei hierin anders denkt.<lb/>
Wo derjenige Stand, der heut zu Tage doch nun einmal der herr¬<lb/>
schende, und da wo er noch nicht herrscht, wenigstens zur Herrschaft<lb/>
hin drängende ist, der Bürgerstand, nicht der Freiheit genießt, Ver-,<lb/>
Sammlungen in seinem Interesse zu halten, wie könnte da diese<lb/>
Freiheit einem Stande gewährt werden, der noch nirgend an der Herr¬<lb/>
schaft einen Antheil nimmt? Es darf wohl zugelassen werden/daß<lb/>
der abhängige Arbeiter wohlmeinend belehrt, über seine Pflichten un¬<lb/>
terrichtet, oder in Andachtsstunden erbaut werde, aber es darf nicht<lb/>
zugelassen werden, daß man ihm zur Ausbildung eines Bewußtseins<lb/>
über die Unzulänglichkeit seiner Stellung und zur Bethätigung sei¬<lb/>
nes lieben Ich eine Anleitung gebe.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_417" next="#ID_418"> Dergleichen mag man wohl von den Vortragen, die im hiesigen<lb/>
Handwerkervereine gehalten wurden, gefürchtet haben. Der Candidat<lb/>
Behrends, welcher dabei besonders thätig war, ist sogar schon früher<lb/>
in Folge einer Wahlpredigt, in welcher man communistische Elemente<lb/>
entdeckt haben wollte, von dem Consistorium der Wahlfähigkeit zu ei¬<lb/>
nem geistlichen Amte und vom Provincial-Schulcollegium der Be-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0190] sollte zu Ehren gebracht werden. „Gehe auf die Straßen und Gas¬ sen und führe die Armen und Krüppel herein zum Mahle", das die geladenen Vornehmen verschmäht haben (Luc. 14.). Aber auf die Letzt kam nicht das arme Volk durch das Christenthum empor, sondern nur die christliche Lehre, nur das Dogma, das die Gemein¬ den der Fischer u. s. w. zu ihrem Schilde gemacht hatten. Der Himmel verdrängte den Olymp, aus den armen Fischern wurden feiste Bischöfe, aus dem Wundöl des barmherzigen Samariters wurde das Oel, das man leugnenden Ketzern zum Brennen unter die Fußsohlen strich, und den Armen, die es nach wie vor gab, den Gedruckten und Getretenen wurde — das Evangelium gepredigt, nämlich die Bot¬ schaft, daß alle Dinge im Himmel und auf Erden in die Gewalt der hohen Geistlichkeit gegeben sind. Ich weiß natürlich nicht, und das wird man mir wenigstens gewiß aufs Wort glauben, was aus unsrem heutigen Communismus und seinen Propheten noch dermaleinst wer¬ den wird; aber gesetzt, es 'gelänge ihm in so viel hundert Jahren zur Geltung, oder gar zur Herrschaft in der Welt zu gelangen, ge¬ wiß würde das was er endlich cmporbringen würde, wieder nichts anderes sein als eine neue Art Glaubensbekenntniß, und das Stadium in welchem sein Humanismus in einen Satanismus umschlägt, würde gewiß nicht ausbleiben. — So furchtbar scheint mir nun zwar der Communismus vor der Hand noch nicht, daß man alle möglichen Vereine oder Versammlungen verbieten oder unter polizeiliche Aufsicht stellen müsste, bei denen etwa eine Redensart die nach Communismus schmeckt, fallen könnte oder irgend einmal gefallen ist. Dessenunge¬ achtet begreife ich es sehr wohl, wenn die Polizei hierin anders denkt. Wo derjenige Stand, der heut zu Tage doch nun einmal der herr¬ schende, und da wo er noch nicht herrscht, wenigstens zur Herrschaft hin drängende ist, der Bürgerstand, nicht der Freiheit genießt, Ver-, Sammlungen in seinem Interesse zu halten, wie könnte da diese Freiheit einem Stande gewährt werden, der noch nirgend an der Herr¬ schaft einen Antheil nimmt? Es darf wohl zugelassen werden/daß der abhängige Arbeiter wohlmeinend belehrt, über seine Pflichten un¬ terrichtet, oder in Andachtsstunden erbaut werde, aber es darf nicht zugelassen werden, daß man ihm zur Ausbildung eines Bewußtseins über die Unzulänglichkeit seiner Stellung und zur Bethätigung sei¬ nes lieben Ich eine Anleitung gebe. Dergleichen mag man wohl von den Vortragen, die im hiesigen Handwerkervereine gehalten wurden, gefürchtet haben. Der Candidat Behrends, welcher dabei besonders thätig war, ist sogar schon früher in Folge einer Wahlpredigt, in welcher man communistische Elemente entdeckt haben wollte, von dem Consistorium der Wahlfähigkeit zu ei¬ nem geistlichen Amte und vom Provincial-Schulcollegium der Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/190
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/190>, abgerufen am 29.05.2024.