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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Doctrinen, für welche jetzt Lord H--keöb--ry die Geistlichkeit von
damals belobt; und wie die Reformation zu früh kam für
die Reinheit der Religion, so kam die Revolution zu
spät für den Geist der Freiheit. . . -- Moore zeigt in je¬
nen Satyren eine Kraft, die man dem kleinen Anakreon nicht zuge¬
traut hätte, aber die Bitterkeit deö Katholiken und des Irländers
treten darin zu sehr hervor, als daß die Kritik des englischen Pub¬
likums nicht etwas parteiisch hätte ausfallen sollen. Man sagte,
Moore sei glücklicher, wenn er mit leichten Witzen und Spötteleien,
als wenn er mit der Geißel Juvenalö auftrete.

Moore wurde überhaupt etwas ernster. Der schlagendste Be¬
weis davon war, daß er (1810) eine schöne junge Engländerin,
Miß Dyke, heirathete, die eben so wie er der Musik ergeben und
in jeder Hinsicht ein ausgezeichnetes Wesen war. Wie der Dich¬
ter aus seinem Elternhause nur Erinnerungen des Glücks und
des gemüthlichsten Friedens hatte, so war auch seine Ehe voll poe¬
tischer Freuden. Moore ist vorzugsweise ein Sänger des Glücks,
Und unterscheidet sich darin wesentlich von der düsteren Lyrik By¬
rons; dieser bedürfte der Stürme und Kämpfe, um seine Schwin¬
gen zu regen, und in den Gewittern seines Gemüthes fand er
dann mehr als Ersatz für den Zwiespalt, den Neid, den Haß und
die Verläumdung, die seine irdische Laufbahn, so dornig mach¬
ten. Moore selbst bettete sich stets auf weiche Gartenerde und
wußte aus Giftblumen Honig zu saugen. Selbst die Leiden Ir¬
lands werfen nur malerische Schatten in seine Dichtung und klin¬
gen als süße Traurigkeit aus seinen Liedern.

Im Jahre 18W, dem Jahre seiner Verheirathung, erschienen
die ersten Lieferungen seiner >>-;">> IVIt-Imlies, das heißt irische Lieder,
angepaßt den alten Nationalmelodien. Sie hatten einen unerhör¬
ten Erfolg und wurden, so gut es ging, in alle europäischen Spra¬
chen, ja in französische Prosa! und in lateinische Reime!") über¬
setzt. In der That war Moore mit diesen Gedichten auf dem
Gipfelpunkt seiner poetischen Größe. Doch würde man irren, wenn
man sich unter den IrisK AlelcxUos lauter gepanzerte Tyrtäusge-



*) Von einem Engländer Nicholas Lee Torre. "parens Mlivrnivi,
London ISZ5.)

Doctrinen, für welche jetzt Lord H—keöb—ry die Geistlichkeit von
damals belobt; und wie die Reformation zu früh kam für
die Reinheit der Religion, so kam die Revolution zu
spät für den Geist der Freiheit. . . — Moore zeigt in je¬
nen Satyren eine Kraft, die man dem kleinen Anakreon nicht zuge¬
traut hätte, aber die Bitterkeit deö Katholiken und des Irländers
treten darin zu sehr hervor, als daß die Kritik des englischen Pub¬
likums nicht etwas parteiisch hätte ausfallen sollen. Man sagte,
Moore sei glücklicher, wenn er mit leichten Witzen und Spötteleien,
als wenn er mit der Geißel Juvenalö auftrete.

Moore wurde überhaupt etwas ernster. Der schlagendste Be¬
weis davon war, daß er (1810) eine schöne junge Engländerin,
Miß Dyke, heirathete, die eben so wie er der Musik ergeben und
in jeder Hinsicht ein ausgezeichnetes Wesen war. Wie der Dich¬
ter aus seinem Elternhause nur Erinnerungen des Glücks und
des gemüthlichsten Friedens hatte, so war auch seine Ehe voll poe¬
tischer Freuden. Moore ist vorzugsweise ein Sänger des Glücks,
Und unterscheidet sich darin wesentlich von der düsteren Lyrik By¬
rons; dieser bedürfte der Stürme und Kämpfe, um seine Schwin¬
gen zu regen, und in den Gewittern seines Gemüthes fand er
dann mehr als Ersatz für den Zwiespalt, den Neid, den Haß und
die Verläumdung, die seine irdische Laufbahn, so dornig mach¬
ten. Moore selbst bettete sich stets auf weiche Gartenerde und
wußte aus Giftblumen Honig zu saugen. Selbst die Leiden Ir¬
lands werfen nur malerische Schatten in seine Dichtung und klin¬
gen als süße Traurigkeit aus seinen Liedern.

Im Jahre 18W, dem Jahre seiner Verheirathung, erschienen
die ersten Lieferungen seiner >>-;»>> IVIt-Imlies, das heißt irische Lieder,
angepaßt den alten Nationalmelodien. Sie hatten einen unerhör¬
ten Erfolg und wurden, so gut es ging, in alle europäischen Spra¬
chen, ja in französische Prosa! und in lateinische Reime!») über¬
setzt. In der That war Moore mit diesen Gedichten auf dem
Gipfelpunkt seiner poetischen Größe. Doch würde man irren, wenn
man sich unter den IrisK AlelcxUos lauter gepanzerte Tyrtäusge-



*) Von einem Engländer Nicholas Lee Torre. «parens Mlivrnivi,
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[0213] Doctrinen, für welche jetzt Lord H—keöb—ry die Geistlichkeit von damals belobt; und wie die Reformation zu früh kam für die Reinheit der Religion, so kam die Revolution zu spät für den Geist der Freiheit. . . — Moore zeigt in je¬ nen Satyren eine Kraft, die man dem kleinen Anakreon nicht zuge¬ traut hätte, aber die Bitterkeit deö Katholiken und des Irländers treten darin zu sehr hervor, als daß die Kritik des englischen Pub¬ likums nicht etwas parteiisch hätte ausfallen sollen. Man sagte, Moore sei glücklicher, wenn er mit leichten Witzen und Spötteleien, als wenn er mit der Geißel Juvenalö auftrete. Moore wurde überhaupt etwas ernster. Der schlagendste Be¬ weis davon war, daß er (1810) eine schöne junge Engländerin, Miß Dyke, heirathete, die eben so wie er der Musik ergeben und in jeder Hinsicht ein ausgezeichnetes Wesen war. Wie der Dich¬ ter aus seinem Elternhause nur Erinnerungen des Glücks und des gemüthlichsten Friedens hatte, so war auch seine Ehe voll poe¬ tischer Freuden. Moore ist vorzugsweise ein Sänger des Glücks, Und unterscheidet sich darin wesentlich von der düsteren Lyrik By¬ rons; dieser bedürfte der Stürme und Kämpfe, um seine Schwin¬ gen zu regen, und in den Gewittern seines Gemüthes fand er dann mehr als Ersatz für den Zwiespalt, den Neid, den Haß und die Verläumdung, die seine irdische Laufbahn, so dornig mach¬ ten. Moore selbst bettete sich stets auf weiche Gartenerde und wußte aus Giftblumen Honig zu saugen. Selbst die Leiden Ir¬ lands werfen nur malerische Schatten in seine Dichtung und klin¬ gen als süße Traurigkeit aus seinen Liedern. Im Jahre 18W, dem Jahre seiner Verheirathung, erschienen die ersten Lieferungen seiner >>-;»>> IVIt-Imlies, das heißt irische Lieder, angepaßt den alten Nationalmelodien. Sie hatten einen unerhör¬ ten Erfolg und wurden, so gut es ging, in alle europäischen Spra¬ chen, ja in französische Prosa! und in lateinische Reime!») über¬ setzt. In der That war Moore mit diesen Gedichten auf dem Gipfelpunkt seiner poetischen Größe. Doch würde man irren, wenn man sich unter den IrisK AlelcxUos lauter gepanzerte Tyrtäusge- *) Von einem Engländer Nicholas Lee Torre. «parens Mlivrnivi, London ISZ5.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/213>, abgerufen am 03.06.2024.