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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Mönch als unerläßlicher, beständiger Familien- und Tischgenosse,
als Schutzpatron, Hausfreund und in.ljor "tonus in jeder Beziehung
einquartirt hätte. Das war überall eine wichtige Person und mit
den verschiedensten Aemtern betraut; übrigens hielt er regelmäßig
seine vier Mahlzeiten. Aber trotz seines sprichwörtlichen Lecker¬
mauls konnte man den heiligen Mann doch nie einen Schmarotzer
nennen; er suchte sich auf jede Weise nützlich und angenehm zu
machen. Er unterrichtete die Kinder im Abc, im Katechismus und in
den vier Rechenspecies; manchmal spielte er auch Guitarre und
girrte dazu andalusische Arien, oder er machte sich in der Küche
zu thun und ließ sich herab, kantharidenscharfe Ragouts höchst ei¬
genhändig zu bereiten; im Allgemeinen gab er dem Manne gute
Rathschläge, der Frau Bonbons und der Duenna seinen Segen.
War's ein studirter Mönch, so citirte er Aristoteles, trug eine
Brille und spielte den Hausarzt; war's aber ganz einfach ein bra¬
ver Mönch, der seine Schuldigkeit that, so mästete er sich. In bei¬
den Fällen jedoch pflegte er sich fleißig mit der Frau vom Hause
einzuschließen und stellte sorgsam seine Pantoffeln vor die Thüre,
um nicht vom Ehemann gestört zu werden.

Heutzutage jedoch ist .Madrid nicht mehr das Eldorado der
Pfaffen. Wie es in einem Lande natürlich ist, wo die Revolution
sich permanent erklärt hat und paru und wann ein bischen militäri¬
sche Oligarchie herrscht, haben die Mönche den Soldaten weichen
müssen. Im Jahre des Heils 1845 ist Madrid weniger eine Re¬
sidenz- als eine Garnisonsstadt.

Und doch können wir versichern, so sehr man im Vaterlande
des Cid kriegerischen Muth liebt und ehrt, doch führen die Mili¬
tärs in Madrid kein so glänzendes Leben und haben nicht so viel
Einfluß durch den Reiz ihrer Epauletten, wie einst die Mönche
durch die Macht ihrer Beichtstühle. Seit dem Vertrage von Ber-
gara ist eine Unzahl von Offizieren aus Navarra und Guipuzcoa
nach Madrid geströmt, um dort ihr Glück zu machen. Die meisten
haben sich durch ihre Tapferkeit unbestreitbare Anrechte auf Avance¬
ment und Belohnungen erworben; mehr als Einer von ihnen hat
sein Blut reichlich vergossen vor Bilbao und bei Hernani, aber nach¬
dem sie Don Carlos und Zumalacarreguy besiegt, haben sie's jetzt


Mönch als unerläßlicher, beständiger Familien- und Tischgenosse,
als Schutzpatron, Hausfreund und in.ljor »tonus in jeder Beziehung
einquartirt hätte. Das war überall eine wichtige Person und mit
den verschiedensten Aemtern betraut; übrigens hielt er regelmäßig
seine vier Mahlzeiten. Aber trotz seines sprichwörtlichen Lecker¬
mauls konnte man den heiligen Mann doch nie einen Schmarotzer
nennen; er suchte sich auf jede Weise nützlich und angenehm zu
machen. Er unterrichtete die Kinder im Abc, im Katechismus und in
den vier Rechenspecies; manchmal spielte er auch Guitarre und
girrte dazu andalusische Arien, oder er machte sich in der Küche
zu thun und ließ sich herab, kantharidenscharfe Ragouts höchst ei¬
genhändig zu bereiten; im Allgemeinen gab er dem Manne gute
Rathschläge, der Frau Bonbons und der Duenna seinen Segen.
War's ein studirter Mönch, so citirte er Aristoteles, trug eine
Brille und spielte den Hausarzt; war's aber ganz einfach ein bra¬
ver Mönch, der seine Schuldigkeit that, so mästete er sich. In bei¬
den Fällen jedoch pflegte er sich fleißig mit der Frau vom Hause
einzuschließen und stellte sorgsam seine Pantoffeln vor die Thüre,
um nicht vom Ehemann gestört zu werden.

Heutzutage jedoch ist .Madrid nicht mehr das Eldorado der
Pfaffen. Wie es in einem Lande natürlich ist, wo die Revolution
sich permanent erklärt hat und paru und wann ein bischen militäri¬
sche Oligarchie herrscht, haben die Mönche den Soldaten weichen
müssen. Im Jahre des Heils 1845 ist Madrid weniger eine Re¬
sidenz- als eine Garnisonsstadt.

Und doch können wir versichern, so sehr man im Vaterlande
des Cid kriegerischen Muth liebt und ehrt, doch führen die Mili¬
tärs in Madrid kein so glänzendes Leben und haben nicht so viel
Einfluß durch den Reiz ihrer Epauletten, wie einst die Mönche
durch die Macht ihrer Beichtstühle. Seit dem Vertrage von Ber-
gara ist eine Unzahl von Offizieren aus Navarra und Guipuzcoa
nach Madrid geströmt, um dort ihr Glück zu machen. Die meisten
haben sich durch ihre Tapferkeit unbestreitbare Anrechte auf Avance¬
ment und Belohnungen erworben; mehr als Einer von ihnen hat
sein Blut reichlich vergossen vor Bilbao und bei Hernani, aber nach¬
dem sie Don Carlos und Zumalacarreguy besiegt, haben sie's jetzt


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[0231] Mönch als unerläßlicher, beständiger Familien- und Tischgenosse, als Schutzpatron, Hausfreund und in.ljor »tonus in jeder Beziehung einquartirt hätte. Das war überall eine wichtige Person und mit den verschiedensten Aemtern betraut; übrigens hielt er regelmäßig seine vier Mahlzeiten. Aber trotz seines sprichwörtlichen Lecker¬ mauls konnte man den heiligen Mann doch nie einen Schmarotzer nennen; er suchte sich auf jede Weise nützlich und angenehm zu machen. Er unterrichtete die Kinder im Abc, im Katechismus und in den vier Rechenspecies; manchmal spielte er auch Guitarre und girrte dazu andalusische Arien, oder er machte sich in der Küche zu thun und ließ sich herab, kantharidenscharfe Ragouts höchst ei¬ genhändig zu bereiten; im Allgemeinen gab er dem Manne gute Rathschläge, der Frau Bonbons und der Duenna seinen Segen. War's ein studirter Mönch, so citirte er Aristoteles, trug eine Brille und spielte den Hausarzt; war's aber ganz einfach ein bra¬ ver Mönch, der seine Schuldigkeit that, so mästete er sich. In bei¬ den Fällen jedoch pflegte er sich fleißig mit der Frau vom Hause einzuschließen und stellte sorgsam seine Pantoffeln vor die Thüre, um nicht vom Ehemann gestört zu werden. Heutzutage jedoch ist .Madrid nicht mehr das Eldorado der Pfaffen. Wie es in einem Lande natürlich ist, wo die Revolution sich permanent erklärt hat und paru und wann ein bischen militäri¬ sche Oligarchie herrscht, haben die Mönche den Soldaten weichen müssen. Im Jahre des Heils 1845 ist Madrid weniger eine Re¬ sidenz- als eine Garnisonsstadt. Und doch können wir versichern, so sehr man im Vaterlande des Cid kriegerischen Muth liebt und ehrt, doch führen die Mili¬ tärs in Madrid kein so glänzendes Leben und haben nicht so viel Einfluß durch den Reiz ihrer Epauletten, wie einst die Mönche durch die Macht ihrer Beichtstühle. Seit dem Vertrage von Ber- gara ist eine Unzahl von Offizieren aus Navarra und Guipuzcoa nach Madrid geströmt, um dort ihr Glück zu machen. Die meisten haben sich durch ihre Tapferkeit unbestreitbare Anrechte auf Avance¬ ment und Belohnungen erworben; mehr als Einer von ihnen hat sein Blut reichlich vergossen vor Bilbao und bei Hernani, aber nach¬ dem sie Don Carlos und Zumalacarreguy besiegt, haben sie's jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/231>, abgerufen am 04.06.2024.