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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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ihren reinkatholischen Artikeln sich auszeichnet. Doch thu ich dieser
zu viel Ehre an, wenn ich sie der Elberfelder gegenüberstelle, die we¬
nigstens anständig geschrieben ist und zu den gebildeten und aufge¬
klärten Leuten gehört. Die Rhein- und Moselzeitung, in politischen
Dingen so confus, daß sie legitimistisch, radical und absolutistisch in Ei¬
nem Athem ist, scheint auch den katholischen Parteiinteressen keine sehr
wichtigen Dienste zu leisten. Ein Iesuitenblatt ist sie gewiß nicht,
sonst würde sie mehr Kopf haben. Wenn man sie ultramontan und
undeutsch nennt, so kommt dies weniger daher, daß sie durch welsche
Feinheit gefährlich wird, als weil ihr Deutsch oft ein wahres Kauder-
wälsch ist.

Der Rheinische Beobachter hat mit dem neuen Jahre nicht
nur an Format, sondern auch an Wichtigkeit zugenommen. Dieses
halboffizielle Blatt sing sehr unscheinbar an und ergötzte Anfangs durch
seine steifen Capriolen, seine insipidcn Ausfälle, sein pedantisches Kei¬
fen. Aber allmählig ist aus dem komischen Schulmeister ein spitzfin¬
diger Criminalinquisitor, ein sophistischer und manchmal scharfsinniger
Advocat geworden. Offenbar wird der Rheinische Beobachter jetzt von
bedeutendem büreaukratischen Kräften unterstützt, und vertheidigt von
vornherein jede Maßregel von Ober- und Unterbeamten nach allen
Seiten hin. Dem katholischen Rheinland gegenüber zeigt er eine
protestantische Strenge, die oft lebhast an den Orangismus in Irland
erinnert; gegen die protestantischen Lichtfreunde spricht er mit der
Starrheit eines Hochkirchlichen, obwohl Preußen keine Hochkirche
hat; den Deutschkatholicismus protegirte er, so lange derselbe nicht
so weit ging wie die Rationalisten; Lehr-, Preß-, Glaubens- und
Redefreiheit will er nicht angreifen, aber er beweist, daß Preußen be¬
reits all diese schönen Güter -- so weit es dieselben nöthig hat --
besitzt, und nennt jede Forderung nach ein bischen mehr, wie der
Master im englichen Armenhause, Rebellion. Will man dem Rhein.
Beob. glauben, so ist die preußische Presse voll von radikalen, subver¬
siven, revolutionären, anarchischen Pulverfässern; denn der Rhein.
Beobachter nennt jedes Kind bei seinem Spitznamen, legt in jeden libe¬
ralen Satz einen versteckten Sinn, der sich aus "Feigheit" nicht deut¬
lich auszusprechen wage, und construirt sich selber, was die Censur
etwa herausgestrichen haben mag. Da er den Tendenzen der Regie¬
rung immer vorausläüft, und dann nicht weiß, ob er vorwärts oder
rückwärts, ob er rechts oder links laufen soll, so thut er lieber zu
viel -- als zu wenig und ist darum stets königischer als der König,
ja es kann ihm wohl noch passiren, daß die höhere Politik des Ca-
binets ihn beschämen und manche von den Forderungen, die er als
radical und revolutionär bezeichnet, einfach erfüllen wird. Zu bemer¬
ken ist noch, daß der Rhein. Beobachter so patriotisch ist, seinen mäch¬
tigen Arm eben nur Preußen zu bieten, denn in Bezug auf andere


ihren reinkatholischen Artikeln sich auszeichnet. Doch thu ich dieser
zu viel Ehre an, wenn ich sie der Elberfelder gegenüberstelle, die we¬
nigstens anständig geschrieben ist und zu den gebildeten und aufge¬
klärten Leuten gehört. Die Rhein- und Moselzeitung, in politischen
Dingen so confus, daß sie legitimistisch, radical und absolutistisch in Ei¬
nem Athem ist, scheint auch den katholischen Parteiinteressen keine sehr
wichtigen Dienste zu leisten. Ein Iesuitenblatt ist sie gewiß nicht,
sonst würde sie mehr Kopf haben. Wenn man sie ultramontan und
undeutsch nennt, so kommt dies weniger daher, daß sie durch welsche
Feinheit gefährlich wird, als weil ihr Deutsch oft ein wahres Kauder-
wälsch ist.

Der Rheinische Beobachter hat mit dem neuen Jahre nicht
nur an Format, sondern auch an Wichtigkeit zugenommen. Dieses
halboffizielle Blatt sing sehr unscheinbar an und ergötzte Anfangs durch
seine steifen Capriolen, seine insipidcn Ausfälle, sein pedantisches Kei¬
fen. Aber allmählig ist aus dem komischen Schulmeister ein spitzfin¬
diger Criminalinquisitor, ein sophistischer und manchmal scharfsinniger
Advocat geworden. Offenbar wird der Rheinische Beobachter jetzt von
bedeutendem büreaukratischen Kräften unterstützt, und vertheidigt von
vornherein jede Maßregel von Ober- und Unterbeamten nach allen
Seiten hin. Dem katholischen Rheinland gegenüber zeigt er eine
protestantische Strenge, die oft lebhast an den Orangismus in Irland
erinnert; gegen die protestantischen Lichtfreunde spricht er mit der
Starrheit eines Hochkirchlichen, obwohl Preußen keine Hochkirche
hat; den Deutschkatholicismus protegirte er, so lange derselbe nicht
so weit ging wie die Rationalisten; Lehr-, Preß-, Glaubens- und
Redefreiheit will er nicht angreifen, aber er beweist, daß Preußen be¬
reits all diese schönen Güter — so weit es dieselben nöthig hat —
besitzt, und nennt jede Forderung nach ein bischen mehr, wie der
Master im englichen Armenhause, Rebellion. Will man dem Rhein.
Beob. glauben, so ist die preußische Presse voll von radikalen, subver¬
siven, revolutionären, anarchischen Pulverfässern; denn der Rhein.
Beobachter nennt jedes Kind bei seinem Spitznamen, legt in jeden libe¬
ralen Satz einen versteckten Sinn, der sich aus „Feigheit" nicht deut¬
lich auszusprechen wage, und construirt sich selber, was die Censur
etwa herausgestrichen haben mag. Da er den Tendenzen der Regie¬
rung immer vorausläüft, und dann nicht weiß, ob er vorwärts oder
rückwärts, ob er rechts oder links laufen soll, so thut er lieber zu
viel — als zu wenig und ist darum stets königischer als der König,
ja es kann ihm wohl noch passiren, daß die höhere Politik des Ca-
binets ihn beschämen und manche von den Forderungen, die er als
radical und revolutionär bezeichnet, einfach erfüllen wird. Zu bemer¬
ken ist noch, daß der Rhein. Beobachter so patriotisch ist, seinen mäch¬
tigen Arm eben nur Preußen zu bieten, denn in Bezug auf andere


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[0241] ihren reinkatholischen Artikeln sich auszeichnet. Doch thu ich dieser zu viel Ehre an, wenn ich sie der Elberfelder gegenüberstelle, die we¬ nigstens anständig geschrieben ist und zu den gebildeten und aufge¬ klärten Leuten gehört. Die Rhein- und Moselzeitung, in politischen Dingen so confus, daß sie legitimistisch, radical und absolutistisch in Ei¬ nem Athem ist, scheint auch den katholischen Parteiinteressen keine sehr wichtigen Dienste zu leisten. Ein Iesuitenblatt ist sie gewiß nicht, sonst würde sie mehr Kopf haben. Wenn man sie ultramontan und undeutsch nennt, so kommt dies weniger daher, daß sie durch welsche Feinheit gefährlich wird, als weil ihr Deutsch oft ein wahres Kauder- wälsch ist. Der Rheinische Beobachter hat mit dem neuen Jahre nicht nur an Format, sondern auch an Wichtigkeit zugenommen. Dieses halboffizielle Blatt sing sehr unscheinbar an und ergötzte Anfangs durch seine steifen Capriolen, seine insipidcn Ausfälle, sein pedantisches Kei¬ fen. Aber allmählig ist aus dem komischen Schulmeister ein spitzfin¬ diger Criminalinquisitor, ein sophistischer und manchmal scharfsinniger Advocat geworden. Offenbar wird der Rheinische Beobachter jetzt von bedeutendem büreaukratischen Kräften unterstützt, und vertheidigt von vornherein jede Maßregel von Ober- und Unterbeamten nach allen Seiten hin. Dem katholischen Rheinland gegenüber zeigt er eine protestantische Strenge, die oft lebhast an den Orangismus in Irland erinnert; gegen die protestantischen Lichtfreunde spricht er mit der Starrheit eines Hochkirchlichen, obwohl Preußen keine Hochkirche hat; den Deutschkatholicismus protegirte er, so lange derselbe nicht so weit ging wie die Rationalisten; Lehr-, Preß-, Glaubens- und Redefreiheit will er nicht angreifen, aber er beweist, daß Preußen be¬ reits all diese schönen Güter — so weit es dieselben nöthig hat — besitzt, und nennt jede Forderung nach ein bischen mehr, wie der Master im englichen Armenhause, Rebellion. Will man dem Rhein. Beob. glauben, so ist die preußische Presse voll von radikalen, subver¬ siven, revolutionären, anarchischen Pulverfässern; denn der Rhein. Beobachter nennt jedes Kind bei seinem Spitznamen, legt in jeden libe¬ ralen Satz einen versteckten Sinn, der sich aus „Feigheit" nicht deut¬ lich auszusprechen wage, und construirt sich selber, was die Censur etwa herausgestrichen haben mag. Da er den Tendenzen der Regie¬ rung immer vorausläüft, und dann nicht weiß, ob er vorwärts oder rückwärts, ob er rechts oder links laufen soll, so thut er lieber zu viel — als zu wenig und ist darum stets königischer als der König, ja es kann ihm wohl noch passiren, daß die höhere Politik des Ca- binets ihn beschämen und manche von den Forderungen, die er als radical und revolutionär bezeichnet, einfach erfüllen wird. Zu bemer¬ ken ist noch, daß der Rhein. Beobachter so patriotisch ist, seinen mäch¬ tigen Arm eben nur Preußen zu bieten, denn in Bezug auf andere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/241>, abgerufen am 15.05.2024.