Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

werden, daß ihnen nicht blos die Aufrechthaltung und Wiederbele¬
bung eingeschläferter Privilegien, sondern des Landes Wohlund Be¬
stes am Herzen liegt. Niemanden ist es unbekannt, daß der böhmische
Adel, lange noch bevor die Stände zum Bewußtsein ihrer Existenz
wieder erwachten, sich allen gemeinnützigen Unternehmungen und
Anstalten, deren Menge und Wirksamkeit der Stolz Böhmens sind,
an die Spitze gestellt hat, daß die meisten ihm ihr Dasein danken;
warum sollten wir befürchten, daß dieselben Männer, die dem Fort¬
schritte ihres Vaterlandes in Kunst Und Wissenschaft, wie in der
Industrie täglich bedeutende Opfer bringen, ihre politische Stellung
zur Zurückrufung mittelalterlichen Unfugs, zur Unterdrückung des
Volkes mißbrauchen werden?

Hingegen ist es nicht zu läugnen, daß der Formenstreit, in
den sich die Stände mit der Regierung eingelassen haben, nicht dazu
geeignet ist, ihnen Sympathien zu erwecken; wir wollen es dahin
gestellt sein lassen, ob sie klug handelten, vom historischen Stand¬
puncte aus ihre Rechte formell vindiciren zu wollen, doch wollen
wir es auch nicht übergehen, daß die Stände auch schon manches
allgemein fühlbare Bedürfniß des Landes allerhöchsten Orts in
neuester Zeit vertreten haben. Nebst dem schon erwähnten Projecte
zur Errichtung einer Hypothekenbank, hören wir auch von einem
Vorschlage zu einer neuen Waldordnung, von einem solchen zur
Vereinfachung und Verbesserung des Grundbuchöwesens; wir hö¬
ren , daß die Stände um eine Reform der mangelhaften Criminal-
gerichtspflege, dann um eine Einschränkung der den Wohlstand und
die Moralität der untern Volksklassen untergrabenden Lotterie ge¬
beten haben, wir hören auch, daß sie sich mit einem neuen Stra-
ßenbausystcme und einer Schulordnung beschäftigen, endlich daß die
Errichtung einer Ackerbauschule von ihnen beschlossen worden ist.
Rechnen wir hiezu noch, was die Stände in letzter Zeit für die
Verschönerung Prags gethan, und zwar auf ihre Kosten, mit Ver-
schönung des Rustikales, dann endlich den im verflossenen Jahre
beschlossenen Ankauf eines Hauses für das Landes-Museum: so mü߬
ten wir wahrlich ungerecht sein, wenn wir sie ob ihres Strebens
tadeln wollten.

Daß sie durch ihre oppositionellen Bestrebungen die kargen
Ueberreste der Josephinischen Zeit vertilgen wollen, ist eine gänzlich


werden, daß ihnen nicht blos die Aufrechthaltung und Wiederbele¬
bung eingeschläferter Privilegien, sondern des Landes Wohlund Be¬
stes am Herzen liegt. Niemanden ist es unbekannt, daß der böhmische
Adel, lange noch bevor die Stände zum Bewußtsein ihrer Existenz
wieder erwachten, sich allen gemeinnützigen Unternehmungen und
Anstalten, deren Menge und Wirksamkeit der Stolz Böhmens sind,
an die Spitze gestellt hat, daß die meisten ihm ihr Dasein danken;
warum sollten wir befürchten, daß dieselben Männer, die dem Fort¬
schritte ihres Vaterlandes in Kunst Und Wissenschaft, wie in der
Industrie täglich bedeutende Opfer bringen, ihre politische Stellung
zur Zurückrufung mittelalterlichen Unfugs, zur Unterdrückung des
Volkes mißbrauchen werden?

Hingegen ist es nicht zu läugnen, daß der Formenstreit, in
den sich die Stände mit der Regierung eingelassen haben, nicht dazu
geeignet ist, ihnen Sympathien zu erwecken; wir wollen es dahin
gestellt sein lassen, ob sie klug handelten, vom historischen Stand¬
puncte aus ihre Rechte formell vindiciren zu wollen, doch wollen
wir es auch nicht übergehen, daß die Stände auch schon manches
allgemein fühlbare Bedürfniß des Landes allerhöchsten Orts in
neuester Zeit vertreten haben. Nebst dem schon erwähnten Projecte
zur Errichtung einer Hypothekenbank, hören wir auch von einem
Vorschlage zu einer neuen Waldordnung, von einem solchen zur
Vereinfachung und Verbesserung des Grundbuchöwesens; wir hö¬
ren , daß die Stände um eine Reform der mangelhaften Criminal-
gerichtspflege, dann um eine Einschränkung der den Wohlstand und
die Moralität der untern Volksklassen untergrabenden Lotterie ge¬
beten haben, wir hören auch, daß sie sich mit einem neuen Stra-
ßenbausystcme und einer Schulordnung beschäftigen, endlich daß die
Errichtung einer Ackerbauschule von ihnen beschlossen worden ist.
Rechnen wir hiezu noch, was die Stände in letzter Zeit für die
Verschönerung Prags gethan, und zwar auf ihre Kosten, mit Ver-
schönung des Rustikales, dann endlich den im verflossenen Jahre
beschlossenen Ankauf eines Hauses für das Landes-Museum: so mü߬
ten wir wahrlich ungerecht sein, wenn wir sie ob ihres Strebens
tadeln wollten.

Daß sie durch ihre oppositionellen Bestrebungen die kargen
Ueberreste der Josephinischen Zeit vertilgen wollen, ist eine gänzlich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182223"/>
          <p xml:id="ID_934" prev="#ID_933"> werden, daß ihnen nicht blos die Aufrechthaltung und Wiederbele¬<lb/>
bung eingeschläferter Privilegien, sondern des Landes Wohlund Be¬<lb/>
stes am Herzen liegt. Niemanden ist es unbekannt, daß der böhmische<lb/>
Adel, lange noch bevor die Stände zum Bewußtsein ihrer Existenz<lb/>
wieder erwachten, sich allen gemeinnützigen Unternehmungen und<lb/>
Anstalten, deren Menge und Wirksamkeit der Stolz Böhmens sind,<lb/>
an die Spitze gestellt hat, daß die meisten ihm ihr Dasein danken;<lb/>
warum sollten wir befürchten, daß dieselben Männer, die dem Fort¬<lb/>
schritte ihres Vaterlandes in Kunst Und Wissenschaft, wie in der<lb/>
Industrie täglich bedeutende Opfer bringen, ihre politische Stellung<lb/>
zur Zurückrufung mittelalterlichen Unfugs, zur Unterdrückung des<lb/>
Volkes mißbrauchen werden?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_935"> Hingegen ist es nicht zu läugnen, daß der Formenstreit, in<lb/>
den sich die Stände mit der Regierung eingelassen haben, nicht dazu<lb/>
geeignet ist, ihnen Sympathien zu erwecken; wir wollen es dahin<lb/>
gestellt sein lassen, ob sie klug handelten, vom historischen Stand¬<lb/>
puncte aus ihre Rechte formell vindiciren zu wollen, doch wollen<lb/>
wir es auch nicht übergehen, daß die Stände auch schon manches<lb/>
allgemein fühlbare Bedürfniß des Landes allerhöchsten Orts in<lb/>
neuester Zeit vertreten haben. Nebst dem schon erwähnten Projecte<lb/>
zur Errichtung einer Hypothekenbank, hören wir auch von einem<lb/>
Vorschlage zu einer neuen Waldordnung, von einem solchen zur<lb/>
Vereinfachung und Verbesserung des Grundbuchöwesens; wir hö¬<lb/>
ren , daß die Stände um eine Reform der mangelhaften Criminal-<lb/>
gerichtspflege, dann um eine Einschränkung der den Wohlstand und<lb/>
die Moralität der untern Volksklassen untergrabenden Lotterie ge¬<lb/>
beten haben, wir hören auch, daß sie sich mit einem neuen Stra-<lb/>
ßenbausystcme und einer Schulordnung beschäftigen, endlich daß die<lb/>
Errichtung einer Ackerbauschule von ihnen beschlossen worden ist.<lb/>
Rechnen wir hiezu noch, was die Stände in letzter Zeit für die<lb/>
Verschönerung Prags gethan, und zwar auf ihre Kosten, mit Ver-<lb/>
schönung des Rustikales, dann endlich den im verflossenen Jahre<lb/>
beschlossenen Ankauf eines Hauses für das Landes-Museum: so mü߬<lb/>
ten wir wahrlich ungerecht sein, wenn wir sie ob ihres Strebens<lb/>
tadeln wollten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_936" next="#ID_937"> Daß sie durch ihre oppositionellen Bestrebungen die kargen<lb/>
Ueberreste der Josephinischen Zeit vertilgen wollen, ist eine gänzlich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0413] werden, daß ihnen nicht blos die Aufrechthaltung und Wiederbele¬ bung eingeschläferter Privilegien, sondern des Landes Wohlund Be¬ stes am Herzen liegt. Niemanden ist es unbekannt, daß der böhmische Adel, lange noch bevor die Stände zum Bewußtsein ihrer Existenz wieder erwachten, sich allen gemeinnützigen Unternehmungen und Anstalten, deren Menge und Wirksamkeit der Stolz Böhmens sind, an die Spitze gestellt hat, daß die meisten ihm ihr Dasein danken; warum sollten wir befürchten, daß dieselben Männer, die dem Fort¬ schritte ihres Vaterlandes in Kunst Und Wissenschaft, wie in der Industrie täglich bedeutende Opfer bringen, ihre politische Stellung zur Zurückrufung mittelalterlichen Unfugs, zur Unterdrückung des Volkes mißbrauchen werden? Hingegen ist es nicht zu läugnen, daß der Formenstreit, in den sich die Stände mit der Regierung eingelassen haben, nicht dazu geeignet ist, ihnen Sympathien zu erwecken; wir wollen es dahin gestellt sein lassen, ob sie klug handelten, vom historischen Stand¬ puncte aus ihre Rechte formell vindiciren zu wollen, doch wollen wir es auch nicht übergehen, daß die Stände auch schon manches allgemein fühlbare Bedürfniß des Landes allerhöchsten Orts in neuester Zeit vertreten haben. Nebst dem schon erwähnten Projecte zur Errichtung einer Hypothekenbank, hören wir auch von einem Vorschlage zu einer neuen Waldordnung, von einem solchen zur Vereinfachung und Verbesserung des Grundbuchöwesens; wir hö¬ ren , daß die Stände um eine Reform der mangelhaften Criminal- gerichtspflege, dann um eine Einschränkung der den Wohlstand und die Moralität der untern Volksklassen untergrabenden Lotterie ge¬ beten haben, wir hören auch, daß sie sich mit einem neuen Stra- ßenbausystcme und einer Schulordnung beschäftigen, endlich daß die Errichtung einer Ackerbauschule von ihnen beschlossen worden ist. Rechnen wir hiezu noch, was die Stände in letzter Zeit für die Verschönerung Prags gethan, und zwar auf ihre Kosten, mit Ver- schönung des Rustikales, dann endlich den im verflossenen Jahre beschlossenen Ankauf eines Hauses für das Landes-Museum: so mü߬ ten wir wahrlich ungerecht sein, wenn wir sie ob ihres Strebens tadeln wollten. Daß sie durch ihre oppositionellen Bestrebungen die kargen Ueberreste der Josephinischen Zeit vertilgen wollen, ist eine gänzlich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/413
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/413>, abgerufen am 28.05.2024.