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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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aus der Lust gegriffene Behauptung, denn der Verfasser obigen
Artikels wäre in Verlegenheit, uns eine einzige den Fortschritt be¬
urkundende Maßregel der Regierung zu nennen, der sich die Stände
widersetzt hätten. Ebenso unrichtig argumentire der Verfasser bei
seiner Mittheilung über die Deputation; sie hätte wohl auch un¬
terbleiben können, doch nicht aus dem Grunde, weil die Eisenbahn
aus Staatskosten gebaut wurde; jedes Kind weiß es, wer die
Schulden des Staates zahlt; hingegen ist es falsch, daß die Kosten
der Deputation !2000 si. betrugen und vom Lande bestritten wur¬
den, denn die Kosten für Deputationen werden der Landesverfassung
gemäß auf den Decimalsteuergulden allein vertheilt, hienach von
den Ständen getragen. Ohne daß man sich gegen die Landesverfas¬
sung sowie die Ehre des Königs selbst vergreife, kann doch Letzterem
der Rath nicht ertheilt werden, die beschworene Verfassung zu schmä¬
lern, und die am Wiener Congresse Europa gegenüber eingegangene
Verpflichtung zu brechen.

Unser größtes Uebel liegt darin, daß die Gesetze in derselben
finstern Schreibstube geschmiedet werden, aus der die Entscheidun-
-gen hervorgehen, daß an ihnen geschnörkelt und gemodelt wird;
deshalb vermissen wir bei den Behörden wie im Volke jene Achtung
vor dem Gesetze, die die sicherste Bürgschaft für das Wohlergehen,
und für die Ehre der Nationen wie der Staaten ist. Doch dieses
Thema würde mich zu weit führen, und ich beabsichtigte lediglich
die Ansicht zu begründen, daß es ungerecht ist, jetzt über die neu
erwachte Thätigkeit der Stände ein verdammendes Urtheil voreilig
auszusprechen, während früher ihre Unthätigkeit gerechter Weise
getadelt wurde.


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aus der Lust gegriffene Behauptung, denn der Verfasser obigen
Artikels wäre in Verlegenheit, uns eine einzige den Fortschritt be¬
urkundende Maßregel der Regierung zu nennen, der sich die Stände
widersetzt hätten. Ebenso unrichtig argumentire der Verfasser bei
seiner Mittheilung über die Deputation; sie hätte wohl auch un¬
terbleiben können, doch nicht aus dem Grunde, weil die Eisenbahn
aus Staatskosten gebaut wurde; jedes Kind weiß es, wer die
Schulden des Staates zahlt; hingegen ist es falsch, daß die Kosten
der Deputation !2000 si. betrugen und vom Lande bestritten wur¬
den, denn die Kosten für Deputationen werden der Landesverfassung
gemäß auf den Decimalsteuergulden allein vertheilt, hienach von
den Ständen getragen. Ohne daß man sich gegen die Landesverfas¬
sung sowie die Ehre des Königs selbst vergreife, kann doch Letzterem
der Rath nicht ertheilt werden, die beschworene Verfassung zu schmä¬
lern, und die am Wiener Congresse Europa gegenüber eingegangene
Verpflichtung zu brechen.

Unser größtes Uebel liegt darin, daß die Gesetze in derselben
finstern Schreibstube geschmiedet werden, aus der die Entscheidun-
-gen hervorgehen, daß an ihnen geschnörkelt und gemodelt wird;
deshalb vermissen wir bei den Behörden wie im Volke jene Achtung
vor dem Gesetze, die die sicherste Bürgschaft für das Wohlergehen,
und für die Ehre der Nationen wie der Staaten ist. Doch dieses
Thema würde mich zu weit führen, und ich beabsichtigte lediglich
die Ansicht zu begründen, daß es ungerecht ist, jetzt über die neu
erwachte Thätigkeit der Stände ein verdammendes Urtheil voreilig
auszusprechen, während früher ihre Unthätigkeit gerechter Weise
getadelt wurde.


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[0414] aus der Lust gegriffene Behauptung, denn der Verfasser obigen Artikels wäre in Verlegenheit, uns eine einzige den Fortschritt be¬ urkundende Maßregel der Regierung zu nennen, der sich die Stände widersetzt hätten. Ebenso unrichtig argumentire der Verfasser bei seiner Mittheilung über die Deputation; sie hätte wohl auch un¬ terbleiben können, doch nicht aus dem Grunde, weil die Eisenbahn aus Staatskosten gebaut wurde; jedes Kind weiß es, wer die Schulden des Staates zahlt; hingegen ist es falsch, daß die Kosten der Deputation !2000 si. betrugen und vom Lande bestritten wur¬ den, denn die Kosten für Deputationen werden der Landesverfassung gemäß auf den Decimalsteuergulden allein vertheilt, hienach von den Ständen getragen. Ohne daß man sich gegen die Landesverfas¬ sung sowie die Ehre des Königs selbst vergreife, kann doch Letzterem der Rath nicht ertheilt werden, die beschworene Verfassung zu schmä¬ lern, und die am Wiener Congresse Europa gegenüber eingegangene Verpflichtung zu brechen. Unser größtes Uebel liegt darin, daß die Gesetze in derselben finstern Schreibstube geschmiedet werden, aus der die Entscheidun- -gen hervorgehen, daß an ihnen geschnörkelt und gemodelt wird; deshalb vermissen wir bei den Behörden wie im Volke jene Achtung vor dem Gesetze, die die sicherste Bürgschaft für das Wohlergehen, und für die Ehre der Nationen wie der Staaten ist. Doch dieses Thema würde mich zu weit führen, und ich beabsichtigte lediglich die Ansicht zu begründen, daß es ungerecht ist, jetzt über die neu erwachte Thätigkeit der Stände ein verdammendes Urtheil voreilig auszusprechen, während früher ihre Unthätigkeit gerechter Weise getadelt wurde. —n

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/414>, abgerufen am 14.05.2024.