Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht so sehr schadet als man erwarten sollte, weil sie ihre eigenen
systematischen Grundsatze in der That nicht strenge befolgen, sondern
bestandig praktische Ausnahmen machen. Auch Mr. Sam. Jones
Loyd ist in der Juliusschen Schrift als Theoretiker behandelt, obgleich
über ihn als Praktiker die nöthigen Notizen ausdrücklich beigebracht sind.
Und diese Schrift also, die Herr Dönniges nicht gelesen, diecr vielleicht
nur aus einer Anzeige der Spenerschen oder Vossischen Zeitung gekannt
hat, nennt er eine Schrift "untergeordnetster Art." Und das thut
Herr Dönniges, er, der augenscheinlich ebenso großen Anspruch auf
Gründlichkeit als auf Billigkeit des Urtheils in allen seinen Aufsätzen
macht. Was soll man sagen, wenn diejenigen welche sich selbst ihre
Stellung hoch über den gemeinen Troß anweisen, so nach Troßbu¬
benart in der Literatur verfahren? Aber leider zeigt Herr Dönniges
in seinen Bankartikeln nur, wie sehr es ihm darum zu thun ist,
seine national-ökonomischen Kenntnisse als etwas Seltenes und Vor¬
zügliches in Preußen herauszustreichen: er kommt wiederholt und mit
Nachdruck darauf zurück, daß in Preußen so wenig für Heranbildung
von solchen Beamten die staatswirthliche Kenntnisse besitzen, gethan
werde, und daß es an Männern dieser Art immer mehr zu fehlen
anfange, wie sehr man ihrer bedürfe. Es klingt das fast wie Worte
Eines, der sich anempfehlen will -- wenn nicht zur Anstellung im Fi-
nanzministerio doch zum Bildner von Finanzbeamten; nur müsste man
dann freilich die Ausrupfung von Federn aus officiellen Verhandlungen,
um sich damit in Zeitungsaufsätzen zu putzen, für ein unglückliches
Debüt halten.

Ein anderer Zeitungsstrcit, welcher in die kleine Periode fallt,
die ich hier überblicke, ist der ebenfalls schon in einem meiner frühe¬
ren Briefe erwähnte Jnseratenwechsel zwischen dem brasilianischen Ge¬
neralkonsul, Herrn Sturz und seinen Gegnern, den Vertheidigern der
Auswanderung nach der Moskitoküste. Auch in diesem Streite ist
die allgemeine Angelegenheit ganz auf ein persönliches Gebiet hinüber¬
gespielt worden; man muß aber allerdings einräumen, daß diesmal
wenigstens ein Grund dazu vorhanden war. Denn es handelte sich
nicht um die Entscheidung eines Processes, dessen Thatbestand sicher
ermittelt vorläge, so daß der Richter nur seinen Verstand zu gebrau¬
chen hatte, um das Urtheil zu fällen; vielmehr konnte man sich we¬
gen der Richtigkeit der Angaben, auf die sich die Entscheidung stützen
mußte, nur an die Glaubwürdigkeit der Aussagenden halten. Es
folgte daher diesmal aus dem Wesen der Sache, daß diese einander
zu verdächtigen und in den Augen des Publicums unglaubwürdig zu
machen suchten. Herr Sturz, der sich in einer großen Menge spalten¬
reicher Inserate allein gegen ein Dutzend Angreifer schlug, hat durch
seine Beharrlichkeit, und wie es scheint, auch durch sein wirklich gutes
Recht den Sieg davon getragen. Er deckte haßliche und hinterlistige


nicht so sehr schadet als man erwarten sollte, weil sie ihre eigenen
systematischen Grundsatze in der That nicht strenge befolgen, sondern
bestandig praktische Ausnahmen machen. Auch Mr. Sam. Jones
Loyd ist in der Juliusschen Schrift als Theoretiker behandelt, obgleich
über ihn als Praktiker die nöthigen Notizen ausdrücklich beigebracht sind.
Und diese Schrift also, die Herr Dönniges nicht gelesen, diecr vielleicht
nur aus einer Anzeige der Spenerschen oder Vossischen Zeitung gekannt
hat, nennt er eine Schrift „untergeordnetster Art." Und das thut
Herr Dönniges, er, der augenscheinlich ebenso großen Anspruch auf
Gründlichkeit als auf Billigkeit des Urtheils in allen seinen Aufsätzen
macht. Was soll man sagen, wenn diejenigen welche sich selbst ihre
Stellung hoch über den gemeinen Troß anweisen, so nach Troßbu¬
benart in der Literatur verfahren? Aber leider zeigt Herr Dönniges
in seinen Bankartikeln nur, wie sehr es ihm darum zu thun ist,
seine national-ökonomischen Kenntnisse als etwas Seltenes und Vor¬
zügliches in Preußen herauszustreichen: er kommt wiederholt und mit
Nachdruck darauf zurück, daß in Preußen so wenig für Heranbildung
von solchen Beamten die staatswirthliche Kenntnisse besitzen, gethan
werde, und daß es an Männern dieser Art immer mehr zu fehlen
anfange, wie sehr man ihrer bedürfe. Es klingt das fast wie Worte
Eines, der sich anempfehlen will — wenn nicht zur Anstellung im Fi-
nanzministerio doch zum Bildner von Finanzbeamten; nur müsste man
dann freilich die Ausrupfung von Federn aus officiellen Verhandlungen,
um sich damit in Zeitungsaufsätzen zu putzen, für ein unglückliches
Debüt halten.

Ein anderer Zeitungsstrcit, welcher in die kleine Periode fallt,
die ich hier überblicke, ist der ebenfalls schon in einem meiner frühe¬
ren Briefe erwähnte Jnseratenwechsel zwischen dem brasilianischen Ge¬
neralkonsul, Herrn Sturz und seinen Gegnern, den Vertheidigern der
Auswanderung nach der Moskitoküste. Auch in diesem Streite ist
die allgemeine Angelegenheit ganz auf ein persönliches Gebiet hinüber¬
gespielt worden; man muß aber allerdings einräumen, daß diesmal
wenigstens ein Grund dazu vorhanden war. Denn es handelte sich
nicht um die Entscheidung eines Processes, dessen Thatbestand sicher
ermittelt vorläge, so daß der Richter nur seinen Verstand zu gebrau¬
chen hatte, um das Urtheil zu fällen; vielmehr konnte man sich we¬
gen der Richtigkeit der Angaben, auf die sich die Entscheidung stützen
mußte, nur an die Glaubwürdigkeit der Aussagenden halten. Es
folgte daher diesmal aus dem Wesen der Sache, daß diese einander
zu verdächtigen und in den Augen des Publicums unglaubwürdig zu
machen suchten. Herr Sturz, der sich in einer großen Menge spalten¬
reicher Inserate allein gegen ein Dutzend Angreifer schlug, hat durch
seine Beharrlichkeit, und wie es scheint, auch durch sein wirklich gutes
Recht den Sieg davon getragen. Er deckte haßliche und hinterlistige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/182329"/>
            <p xml:id="ID_1216" prev="#ID_1215"> nicht so sehr schadet als man erwarten sollte, weil sie ihre eigenen<lb/>
systematischen Grundsatze in der That nicht strenge befolgen, sondern<lb/>
bestandig praktische Ausnahmen machen. Auch Mr. Sam. Jones<lb/>
Loyd ist in der Juliusschen Schrift als Theoretiker behandelt, obgleich<lb/>
über ihn als Praktiker die nöthigen Notizen ausdrücklich beigebracht sind.<lb/>
Und diese Schrift also, die Herr Dönniges nicht gelesen, diecr vielleicht<lb/>
nur aus einer Anzeige der Spenerschen oder Vossischen Zeitung gekannt<lb/>
hat, nennt er eine Schrift &#x201E;untergeordnetster Art." Und das thut<lb/>
Herr Dönniges, er, der augenscheinlich ebenso großen Anspruch auf<lb/>
Gründlichkeit als auf Billigkeit des Urtheils in allen seinen Aufsätzen<lb/>
macht. Was soll man sagen, wenn diejenigen welche sich selbst ihre<lb/>
Stellung hoch über den gemeinen Troß anweisen, so nach Troßbu¬<lb/>
benart in der Literatur verfahren? Aber leider zeigt Herr Dönniges<lb/>
in seinen Bankartikeln nur, wie sehr es ihm darum zu thun ist,<lb/>
seine national-ökonomischen Kenntnisse als etwas Seltenes und Vor¬<lb/>
zügliches in Preußen herauszustreichen: er kommt wiederholt und mit<lb/>
Nachdruck darauf zurück, daß in Preußen so wenig für Heranbildung<lb/>
von solchen Beamten die staatswirthliche Kenntnisse besitzen, gethan<lb/>
werde, und daß es an Männern dieser Art immer mehr zu fehlen<lb/>
anfange, wie sehr man ihrer bedürfe. Es klingt das fast wie Worte<lb/>
Eines, der sich anempfehlen will &#x2014; wenn nicht zur Anstellung im Fi-<lb/>
nanzministerio doch zum Bildner von Finanzbeamten; nur müsste man<lb/>
dann freilich die Ausrupfung von Federn aus officiellen Verhandlungen,<lb/>
um sich damit in Zeitungsaufsätzen zu putzen, für ein unglückliches<lb/>
Debüt halten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1217" next="#ID_1218"> Ein anderer Zeitungsstrcit, welcher in die kleine Periode fallt,<lb/>
die ich hier überblicke, ist der ebenfalls schon in einem meiner frühe¬<lb/>
ren Briefe erwähnte Jnseratenwechsel zwischen dem brasilianischen Ge¬<lb/>
neralkonsul, Herrn Sturz und seinen Gegnern, den Vertheidigern der<lb/>
Auswanderung nach der Moskitoküste. Auch in diesem Streite ist<lb/>
die allgemeine Angelegenheit ganz auf ein persönliches Gebiet hinüber¬<lb/>
gespielt worden; man muß aber allerdings einräumen, daß diesmal<lb/>
wenigstens ein Grund dazu vorhanden war. Denn es handelte sich<lb/>
nicht um die Entscheidung eines Processes, dessen Thatbestand sicher<lb/>
ermittelt vorläge, so daß der Richter nur seinen Verstand zu gebrau¬<lb/>
chen hatte, um das Urtheil zu fällen; vielmehr konnte man sich we¬<lb/>
gen der Richtigkeit der Angaben, auf die sich die Entscheidung stützen<lb/>
mußte, nur an die Glaubwürdigkeit der Aussagenden halten. Es<lb/>
folgte daher diesmal aus dem Wesen der Sache, daß diese einander<lb/>
zu verdächtigen und in den Augen des Publicums unglaubwürdig zu<lb/>
machen suchten. Herr Sturz, der sich in einer großen Menge spalten¬<lb/>
reicher Inserate allein gegen ein Dutzend Angreifer schlug, hat durch<lb/>
seine Beharrlichkeit, und wie es scheint, auch durch sein wirklich gutes<lb/>
Recht den Sieg davon getragen.  Er deckte haßliche und hinterlistige</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0519] nicht so sehr schadet als man erwarten sollte, weil sie ihre eigenen systematischen Grundsatze in der That nicht strenge befolgen, sondern bestandig praktische Ausnahmen machen. Auch Mr. Sam. Jones Loyd ist in der Juliusschen Schrift als Theoretiker behandelt, obgleich über ihn als Praktiker die nöthigen Notizen ausdrücklich beigebracht sind. Und diese Schrift also, die Herr Dönniges nicht gelesen, diecr vielleicht nur aus einer Anzeige der Spenerschen oder Vossischen Zeitung gekannt hat, nennt er eine Schrift „untergeordnetster Art." Und das thut Herr Dönniges, er, der augenscheinlich ebenso großen Anspruch auf Gründlichkeit als auf Billigkeit des Urtheils in allen seinen Aufsätzen macht. Was soll man sagen, wenn diejenigen welche sich selbst ihre Stellung hoch über den gemeinen Troß anweisen, so nach Troßbu¬ benart in der Literatur verfahren? Aber leider zeigt Herr Dönniges in seinen Bankartikeln nur, wie sehr es ihm darum zu thun ist, seine national-ökonomischen Kenntnisse als etwas Seltenes und Vor¬ zügliches in Preußen herauszustreichen: er kommt wiederholt und mit Nachdruck darauf zurück, daß in Preußen so wenig für Heranbildung von solchen Beamten die staatswirthliche Kenntnisse besitzen, gethan werde, und daß es an Männern dieser Art immer mehr zu fehlen anfange, wie sehr man ihrer bedürfe. Es klingt das fast wie Worte Eines, der sich anempfehlen will — wenn nicht zur Anstellung im Fi- nanzministerio doch zum Bildner von Finanzbeamten; nur müsste man dann freilich die Ausrupfung von Federn aus officiellen Verhandlungen, um sich damit in Zeitungsaufsätzen zu putzen, für ein unglückliches Debüt halten. Ein anderer Zeitungsstrcit, welcher in die kleine Periode fallt, die ich hier überblicke, ist der ebenfalls schon in einem meiner frühe¬ ren Briefe erwähnte Jnseratenwechsel zwischen dem brasilianischen Ge¬ neralkonsul, Herrn Sturz und seinen Gegnern, den Vertheidigern der Auswanderung nach der Moskitoküste. Auch in diesem Streite ist die allgemeine Angelegenheit ganz auf ein persönliches Gebiet hinüber¬ gespielt worden; man muß aber allerdings einräumen, daß diesmal wenigstens ein Grund dazu vorhanden war. Denn es handelte sich nicht um die Entscheidung eines Processes, dessen Thatbestand sicher ermittelt vorläge, so daß der Richter nur seinen Verstand zu gebrau¬ chen hatte, um das Urtheil zu fällen; vielmehr konnte man sich we¬ gen der Richtigkeit der Angaben, auf die sich die Entscheidung stützen mußte, nur an die Glaubwürdigkeit der Aussagenden halten. Es folgte daher diesmal aus dem Wesen der Sache, daß diese einander zu verdächtigen und in den Augen des Publicums unglaubwürdig zu machen suchten. Herr Sturz, der sich in einer großen Menge spalten¬ reicher Inserate allein gegen ein Dutzend Angreifer schlug, hat durch seine Beharrlichkeit, und wie es scheint, auch durch sein wirklich gutes Recht den Sieg davon getragen. Er deckte haßliche und hinterlistige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/519
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/519>, abgerufen am 28.05.2024.