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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Manöver auf, mit denen die Gegner ihm beizukommen gesucht halten,
und außerdem machten diese was bekanntlich noch weit schlim¬
mer ist, als Unrechthaben -- sich in den Zeitungen lächerlich; z. B.
der Eine dadurch, daß er öffentlich versicherte er werde Herrn Sturz
gerichtlich belangen, zu Verantwortung und eventueller Bestrafung
ziehen, weil Sturz auf Jenes "Pflichterfüllung als Mitglied der im
höchsten Auftrage nach der Moskitoküste gesandten Untersuchungscom-
Mission" sich Angrisse erlaubt habe. Ein allerliebster Einfall, diese von
einigen vornehmen Herren ausgegangene Privatsendung in den Augen
des Publicums zu einer staatsdienstlichen Angelegenheit stempeln zu
wollen. Auch die "Börsennachrichten der Ostsee", die sich oft ohne
das mindeste gesunde Urtheil zu allerlei Tracasserien herzugeben
pflegen, wurden gegen Sturz aufgeboten, und auch dort drohete Je¬
mand mit gerichtlicher Verfolgung. Unverzüglich erklärte Sturz tap¬
fer, daß, wenn man ihn gerichtlich angreifen wolle, er für diesen Fall
allen Eremtionen, die aus seiner Stellung flößen, entsage und bereit
sei, "den Gegnern überall auf gleiche Weise und auf gleichem Fuße
zu begegnen." In einer jener Aeitungsnummern, in denen der Kampf
am heißesten wüthete, trat Sturz mit drei Inseraten gegen verschie¬
dene seiner Gegner zugleich auf, und sagte dabei: "Ich hatte mir vor¬
genommen, meine zahlreichen Gegner vu l"Ioo abzufertigen; da deren
Behauptungen aber so sehr verzweifelter Art sind, so muß ich mir
wohl einige Taktik aus dem Kampfe des Horatiers mit den Curiatiern
holen, und sie nun, wie es gerade kommt, einzeln abfertigen." Die
Gegner warfen ihm vor, daß er gegen das Moskitoproject nur deshalb
kämpfe, weil dasselbe seine längst gehegten Absichten, die deutsche Aus¬
wanderung nach Brasilien zu leiten, durchkreuze. Nun aber hatte
Sturz in der That immer laut erklärt, daß er unter den jetzt noch
in Brasilien bestehenden rechtlichen Verhältnissen zu einer Auswande¬
rung dorthin nicht rathen könne; hierauf berief er sich in seiner Ant¬
wort. Dagegen warf er selbst den Moskitianern vor, daß sie arme
Leute verleiteten, sich dem Moskitounternehmen anzuschließen, indem
sie ihnen mit Aussichten auf leichtes Sammeln von Vanille und Gold¬
staub und von "selbstgewachsener" Seide und dergl. schmeichelten. In
der That waren in einer der Versammlungen der sogenannten Berli¬
ner "Moskitogemeinde" -- denn wirklich hatte sich eine Masse von
Menschen für das Unternehmen enlhusiasmiren lassen -- viele Schau¬
stücke von Landescrzeugnissen umhergewiesen worden. Endlich mischte
sich noch der Berliner Witz hinein und gab dem Moskitoschwin¬
del durch Verspottung in den Eingesandt's der Zeitungen den Rest.
Es erschien zum Beispiel ein Gedicht mit vielen Namenwortspielen
und dergl., welches gleich so anfing:
Ueber die Moskitoküe

st

Ist ein arger Sturz gekommen,
Der der vielgepriesenen Wüste
Alle Kundschaft schier benommen, u- s. w.

Manöver auf, mit denen die Gegner ihm beizukommen gesucht halten,
und außerdem machten diese was bekanntlich noch weit schlim¬
mer ist, als Unrechthaben — sich in den Zeitungen lächerlich; z. B.
der Eine dadurch, daß er öffentlich versicherte er werde Herrn Sturz
gerichtlich belangen, zu Verantwortung und eventueller Bestrafung
ziehen, weil Sturz auf Jenes „Pflichterfüllung als Mitglied der im
höchsten Auftrage nach der Moskitoküste gesandten Untersuchungscom-
Mission" sich Angrisse erlaubt habe. Ein allerliebster Einfall, diese von
einigen vornehmen Herren ausgegangene Privatsendung in den Augen
des Publicums zu einer staatsdienstlichen Angelegenheit stempeln zu
wollen. Auch die „Börsennachrichten der Ostsee", die sich oft ohne
das mindeste gesunde Urtheil zu allerlei Tracasserien herzugeben
pflegen, wurden gegen Sturz aufgeboten, und auch dort drohete Je¬
mand mit gerichtlicher Verfolgung. Unverzüglich erklärte Sturz tap¬
fer, daß, wenn man ihn gerichtlich angreifen wolle, er für diesen Fall
allen Eremtionen, die aus seiner Stellung flößen, entsage und bereit
sei, „den Gegnern überall auf gleiche Weise und auf gleichem Fuße
zu begegnen." In einer jener Aeitungsnummern, in denen der Kampf
am heißesten wüthete, trat Sturz mit drei Inseraten gegen verschie¬
dene seiner Gegner zugleich auf, und sagte dabei: „Ich hatte mir vor¬
genommen, meine zahlreichen Gegner vu l»Ioo abzufertigen; da deren
Behauptungen aber so sehr verzweifelter Art sind, so muß ich mir
wohl einige Taktik aus dem Kampfe des Horatiers mit den Curiatiern
holen, und sie nun, wie es gerade kommt, einzeln abfertigen." Die
Gegner warfen ihm vor, daß er gegen das Moskitoproject nur deshalb
kämpfe, weil dasselbe seine längst gehegten Absichten, die deutsche Aus¬
wanderung nach Brasilien zu leiten, durchkreuze. Nun aber hatte
Sturz in der That immer laut erklärt, daß er unter den jetzt noch
in Brasilien bestehenden rechtlichen Verhältnissen zu einer Auswande¬
rung dorthin nicht rathen könne; hierauf berief er sich in seiner Ant¬
wort. Dagegen warf er selbst den Moskitianern vor, daß sie arme
Leute verleiteten, sich dem Moskitounternehmen anzuschließen, indem
sie ihnen mit Aussichten auf leichtes Sammeln von Vanille und Gold¬
staub und von „selbstgewachsener" Seide und dergl. schmeichelten. In
der That waren in einer der Versammlungen der sogenannten Berli¬
ner „Moskitogemeinde" — denn wirklich hatte sich eine Masse von
Menschen für das Unternehmen enlhusiasmiren lassen — viele Schau¬
stücke von Landescrzeugnissen umhergewiesen worden. Endlich mischte
sich noch der Berliner Witz hinein und gab dem Moskitoschwin¬
del durch Verspottung in den Eingesandt's der Zeitungen den Rest.
Es erschien zum Beispiel ein Gedicht mit vielen Namenwortspielen
und dergl., welches gleich so anfing:
Ueber die Moskitoküe

st

Ist ein arger Sturz gekommen,
Der der vielgepriesenen Wüste
Alle Kundschaft schier benommen, u- s. w.

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[0520] Manöver auf, mit denen die Gegner ihm beizukommen gesucht halten, und außerdem machten diese was bekanntlich noch weit schlim¬ mer ist, als Unrechthaben — sich in den Zeitungen lächerlich; z. B. der Eine dadurch, daß er öffentlich versicherte er werde Herrn Sturz gerichtlich belangen, zu Verantwortung und eventueller Bestrafung ziehen, weil Sturz auf Jenes „Pflichterfüllung als Mitglied der im höchsten Auftrage nach der Moskitoküste gesandten Untersuchungscom- Mission" sich Angrisse erlaubt habe. Ein allerliebster Einfall, diese von einigen vornehmen Herren ausgegangene Privatsendung in den Augen des Publicums zu einer staatsdienstlichen Angelegenheit stempeln zu wollen. Auch die „Börsennachrichten der Ostsee", die sich oft ohne das mindeste gesunde Urtheil zu allerlei Tracasserien herzugeben pflegen, wurden gegen Sturz aufgeboten, und auch dort drohete Je¬ mand mit gerichtlicher Verfolgung. Unverzüglich erklärte Sturz tap¬ fer, daß, wenn man ihn gerichtlich angreifen wolle, er für diesen Fall allen Eremtionen, die aus seiner Stellung flößen, entsage und bereit sei, „den Gegnern überall auf gleiche Weise und auf gleichem Fuße zu begegnen." In einer jener Aeitungsnummern, in denen der Kampf am heißesten wüthete, trat Sturz mit drei Inseraten gegen verschie¬ dene seiner Gegner zugleich auf, und sagte dabei: „Ich hatte mir vor¬ genommen, meine zahlreichen Gegner vu l»Ioo abzufertigen; da deren Behauptungen aber so sehr verzweifelter Art sind, so muß ich mir wohl einige Taktik aus dem Kampfe des Horatiers mit den Curiatiern holen, und sie nun, wie es gerade kommt, einzeln abfertigen." Die Gegner warfen ihm vor, daß er gegen das Moskitoproject nur deshalb kämpfe, weil dasselbe seine längst gehegten Absichten, die deutsche Aus¬ wanderung nach Brasilien zu leiten, durchkreuze. Nun aber hatte Sturz in der That immer laut erklärt, daß er unter den jetzt noch in Brasilien bestehenden rechtlichen Verhältnissen zu einer Auswande¬ rung dorthin nicht rathen könne; hierauf berief er sich in seiner Ant¬ wort. Dagegen warf er selbst den Moskitianern vor, daß sie arme Leute verleiteten, sich dem Moskitounternehmen anzuschließen, indem sie ihnen mit Aussichten auf leichtes Sammeln von Vanille und Gold¬ staub und von „selbstgewachsener" Seide und dergl. schmeichelten. In der That waren in einer der Versammlungen der sogenannten Berli¬ ner „Moskitogemeinde" — denn wirklich hatte sich eine Masse von Menschen für das Unternehmen enlhusiasmiren lassen — viele Schau¬ stücke von Landescrzeugnissen umhergewiesen worden. Endlich mischte sich noch der Berliner Witz hinein und gab dem Moskitoschwin¬ del durch Verspottung in den Eingesandt's der Zeitungen den Rest. Es erschien zum Beispiel ein Gedicht mit vielen Namenwortspielen und dergl., welches gleich so anfing: Ueber die Moskitoküe st Ist ein arger Sturz gekommen, Der der vielgepriesenen Wüste Alle Kundschaft schier benommen, u- s. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/520>, abgerufen am 13.05.2024.