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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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bewacht seien, hätte alles Blut erspart, das jetzt geflossen. Wa¬
rum hat die preußische Polizei um alles gewußt was in Posen
sich vorbereitete? Bei einer besseren Kenntniß der Sachlage hätte
der General Collin nicht mit einem so schwachen Haufen nach
Krakau rücken müssen, er hätte nicht den moralischen ".von den ma¬
teriellen gar nicht zu sprechen) Verlust eines ersten Rückzugs erlei¬
den müssen, ja die Gegenwart eines starken Armeecorps hätte viel¬
leicht hingereicht, die unglücklichen Hoffnungen der Verschworenen
gleich am Anfange nieder zu halten, und alles übrige, für die
Menschheit, für den Staat und für die unglücklichen polnischen
Patrioten so tief Beklagenswert!)": wäre wahrscheinlich ganz unter¬
blieben.

Ist nun von dieser Seite eine Unterlassungssünde Schuld an
vielem Unglück geworden, so ist anderseits wieder ein plumper Ue¬
berfluß von Diensteifer die Quelle zahlloser Gräuelscenen. Wir
meinen den wahnsinnigen Einfall jenes Regierungsbeamten, der in
der Furcht eines Angriffs, gegen die Insurgenten auf Tarnow die
Wuth und die Naubsucht der Bauern entfesselt, und es dem
Belieben dieser wilden Bauernhorde überläßt, zu entscheiden wer ein
Rebell und wer keiner ist. Dieser wahnsinnige Mensch hat in sei¬
nem barbarischen Diensteifer, dem Staate ein viel fürchterlicheres
Unglück bereitet, als die Nevolutionaire selbst, wenn ihr Anschlag
auf Tarnow gelungen wäre, verursacht hätten. Man hat in den
officiellen Berichten in dieser Angelegenheit so oft daS vielbeliebte
Hilfswort Communismus citiren hören. Aber diesmal war es
ein ungeschicktes, kopfloses Werkzeug der Regierung in Tar¬
now, der den Communismus predigte, ja noch fürchterlicher als
Communismus, denn dieser will blos die Güter unter der
Menge vertheilen, jener aber warf ihnen das Leben Unzähliger
ungezählt hin. Noch lassen sich kaum die fürchterlichen Folgen die¬
ser Barbarei absehen. Die Rebellen sind geschlagen, eingefangen,
aber unsere Hilfstruppen die Herren Bauern stehen noch auf den
Beinen, und wer weiß ob sie dem Gothischen Zauberlehrlingsspruch
gehorchen werden- Besen, Besen, bist's gewesen! wer weiß ob sie
ruhig in die Ecke sich stellen lassen werden, oder ob nicht die be¬
waffnete Macht noch ein fürchterlicheres Nachspiel aufzuführen ha-
ben^wird.


bewacht seien, hätte alles Blut erspart, das jetzt geflossen. Wa¬
rum hat die preußische Polizei um alles gewußt was in Posen
sich vorbereitete? Bei einer besseren Kenntniß der Sachlage hätte
der General Collin nicht mit einem so schwachen Haufen nach
Krakau rücken müssen, er hätte nicht den moralischen «.von den ma¬
teriellen gar nicht zu sprechen) Verlust eines ersten Rückzugs erlei¬
den müssen, ja die Gegenwart eines starken Armeecorps hätte viel¬
leicht hingereicht, die unglücklichen Hoffnungen der Verschworenen
gleich am Anfange nieder zu halten, und alles übrige, für die
Menschheit, für den Staat und für die unglücklichen polnischen
Patrioten so tief Beklagenswert!)«: wäre wahrscheinlich ganz unter¬
blieben.

Ist nun von dieser Seite eine Unterlassungssünde Schuld an
vielem Unglück geworden, so ist anderseits wieder ein plumper Ue¬
berfluß von Diensteifer die Quelle zahlloser Gräuelscenen. Wir
meinen den wahnsinnigen Einfall jenes Regierungsbeamten, der in
der Furcht eines Angriffs, gegen die Insurgenten auf Tarnow die
Wuth und die Naubsucht der Bauern entfesselt, und es dem
Belieben dieser wilden Bauernhorde überläßt, zu entscheiden wer ein
Rebell und wer keiner ist. Dieser wahnsinnige Mensch hat in sei¬
nem barbarischen Diensteifer, dem Staate ein viel fürchterlicheres
Unglück bereitet, als die Nevolutionaire selbst, wenn ihr Anschlag
auf Tarnow gelungen wäre, verursacht hätten. Man hat in den
officiellen Berichten in dieser Angelegenheit so oft daS vielbeliebte
Hilfswort Communismus citiren hören. Aber diesmal war es
ein ungeschicktes, kopfloses Werkzeug der Regierung in Tar¬
now, der den Communismus predigte, ja noch fürchterlicher als
Communismus, denn dieser will blos die Güter unter der
Menge vertheilen, jener aber warf ihnen das Leben Unzähliger
ungezählt hin. Noch lassen sich kaum die fürchterlichen Folgen die¬
ser Barbarei absehen. Die Rebellen sind geschlagen, eingefangen,
aber unsere Hilfstruppen die Herren Bauern stehen noch auf den
Beinen, und wer weiß ob sie dem Gothischen Zauberlehrlingsspruch
gehorchen werden- Besen, Besen, bist's gewesen! wer weiß ob sie
ruhig in die Ecke sich stellen lassen werden, oder ob nicht die be¬
waffnete Macht noch ein fürchterlicheres Nachspiel aufzuführen ha-
ben^wird.


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[0577] bewacht seien, hätte alles Blut erspart, das jetzt geflossen. Wa¬ rum hat die preußische Polizei um alles gewußt was in Posen sich vorbereitete? Bei einer besseren Kenntniß der Sachlage hätte der General Collin nicht mit einem so schwachen Haufen nach Krakau rücken müssen, er hätte nicht den moralischen «.von den ma¬ teriellen gar nicht zu sprechen) Verlust eines ersten Rückzugs erlei¬ den müssen, ja die Gegenwart eines starken Armeecorps hätte viel¬ leicht hingereicht, die unglücklichen Hoffnungen der Verschworenen gleich am Anfange nieder zu halten, und alles übrige, für die Menschheit, für den Staat und für die unglücklichen polnischen Patrioten so tief Beklagenswert!)«: wäre wahrscheinlich ganz unter¬ blieben. Ist nun von dieser Seite eine Unterlassungssünde Schuld an vielem Unglück geworden, so ist anderseits wieder ein plumper Ue¬ berfluß von Diensteifer die Quelle zahlloser Gräuelscenen. Wir meinen den wahnsinnigen Einfall jenes Regierungsbeamten, der in der Furcht eines Angriffs, gegen die Insurgenten auf Tarnow die Wuth und die Naubsucht der Bauern entfesselt, und es dem Belieben dieser wilden Bauernhorde überläßt, zu entscheiden wer ein Rebell und wer keiner ist. Dieser wahnsinnige Mensch hat in sei¬ nem barbarischen Diensteifer, dem Staate ein viel fürchterlicheres Unglück bereitet, als die Nevolutionaire selbst, wenn ihr Anschlag auf Tarnow gelungen wäre, verursacht hätten. Man hat in den officiellen Berichten in dieser Angelegenheit so oft daS vielbeliebte Hilfswort Communismus citiren hören. Aber diesmal war es ein ungeschicktes, kopfloses Werkzeug der Regierung in Tar¬ now, der den Communismus predigte, ja noch fürchterlicher als Communismus, denn dieser will blos die Güter unter der Menge vertheilen, jener aber warf ihnen das Leben Unzähliger ungezählt hin. Noch lassen sich kaum die fürchterlichen Folgen die¬ ser Barbarei absehen. Die Rebellen sind geschlagen, eingefangen, aber unsere Hilfstruppen die Herren Bauern stehen noch auf den Beinen, und wer weiß ob sie dem Gothischen Zauberlehrlingsspruch gehorchen werden- Besen, Besen, bist's gewesen! wer weiß ob sie ruhig in die Ecke sich stellen lassen werden, oder ob nicht die be¬ waffnete Macht noch ein fürchterlicheres Nachspiel aufzuführen ha- ben^wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/577>, abgerufen am 29.05.2024.