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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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euren selbst ihren Grund haben. Die große Masse der Gewerbtreiben-
den aber, die kleinen Meister sind e6, welche noch zu sehr im Unkla¬
ren über den Fortschritt und die Erfordernisse der Zeit, sich jeder sol¬
chen Maßregel hemmend entgegenstellen werden.

Ja, wenn wir eine Presse hätten, die sich solcher wichtigen, ein¬
flußreichen Fragen bemächtigen dürfte, wenn es möglich wäre, in
hiesigen Zeitungen eine solche Frage von allen Seiten zu beleuchten,
ihre wesentlichen Vortheile für das Allgemeine und für die Zukunft, und
ihre kleinen Nachtheile hervorzuheben, wenn wir eine Presse hätten,
welche dazu da wäre, die Vortheile des Volles und des Staates zu
wahren, wir hätten seit Monaten über den Gegenstand öffentliche Un¬
terhandlungen geführt, die Regierung hätte aus dem Munde des Vol¬
kes selbst gehört, welche seine Wünsche, seine Vorschläge, seine Ein¬
würfe; die Betheiligten hätten aber auch die nöthigen Belehrungen em¬
pfangen, man hätte die Nation überzeugen können, daß die Gewerbe¬
freiheit ihr Bestes fördere und man weiß es ja bei uns, welchen Ein¬
fluß das gedruckte Wort auf die Masse hat. So aber hört man im
Publicum von den bedeutendsten Gesetzen und Maßregeln im letzten
Momente das erste Wort. Der Kurzsichtige und der Privilegirte sieht
sich dadurch in Vermögen und Erwerb geschmälert, zu Grunde gerich¬
tet, glaubt bei seinen Vorstellungen sich im guten Rechte und pocht
darauf, daß der Staat verpflichtet ist, seine Angehörigen in ihren Rechten
zu schützen. So waren es zuerst die Barbiere! welche den Reigen der
Protestationen,-- wenn man es so nennen will, eröffneten. Man muß
nur wissen, daß hier in Wien z. B. eine Barbierstube, die viele Kundschaft
hat, auf einem gutenPlatze gelegen und im guten Renommve ist, ihr Recht
oft um 8--l0,00l) Gulden verkauft; diese Rechte fallen nun natürlich
bedeutend im Preise, wenn die Concurrenz eine größere wird und es
verlöre Mancher sogleich ein paar Tausend Gulden. Nun muß zu¬
gestanden werden, daß es in mehr als einem Gewerbe für den Anfang
solche kleine Erschütterungen gegeben hätte, aber muß denn dem Staate
als großem Ganzen nicht da das Allgemeine mehr am Herzen liegen,
als die Einzelnen? und darf man denn den ungeheueren Gewinn
vergessen, den die Idee deS Forschritteö im Ganzen von einer solchen
Maßregel gehabt hätte?! Es ist freilich sehr schön, daß der Staat
so viel Rücksicht auf die Wünsche und Bitten der Einzelnen dem All¬
gemeinen gegenüber legt, aber möge er bedenken, daß er gerade in
Fällen, welche das innerste Leben der Nation betreffen, dieses nicht
immer gethan, und noch thut -- wir erinnern an ein gewisses Fi-


euren selbst ihren Grund haben. Die große Masse der Gewerbtreiben-
den aber, die kleinen Meister sind e6, welche noch zu sehr im Unkla¬
ren über den Fortschritt und die Erfordernisse der Zeit, sich jeder sol¬
chen Maßregel hemmend entgegenstellen werden.

Ja, wenn wir eine Presse hätten, die sich solcher wichtigen, ein¬
flußreichen Fragen bemächtigen dürfte, wenn es möglich wäre, in
hiesigen Zeitungen eine solche Frage von allen Seiten zu beleuchten,
ihre wesentlichen Vortheile für das Allgemeine und für die Zukunft, und
ihre kleinen Nachtheile hervorzuheben, wenn wir eine Presse hätten,
welche dazu da wäre, die Vortheile des Volles und des Staates zu
wahren, wir hätten seit Monaten über den Gegenstand öffentliche Un¬
terhandlungen geführt, die Regierung hätte aus dem Munde des Vol¬
kes selbst gehört, welche seine Wünsche, seine Vorschläge, seine Ein¬
würfe; die Betheiligten hätten aber auch die nöthigen Belehrungen em¬
pfangen, man hätte die Nation überzeugen können, daß die Gewerbe¬
freiheit ihr Bestes fördere und man weiß es ja bei uns, welchen Ein¬
fluß das gedruckte Wort auf die Masse hat. So aber hört man im
Publicum von den bedeutendsten Gesetzen und Maßregeln im letzten
Momente das erste Wort. Der Kurzsichtige und der Privilegirte sieht
sich dadurch in Vermögen und Erwerb geschmälert, zu Grunde gerich¬
tet, glaubt bei seinen Vorstellungen sich im guten Rechte und pocht
darauf, daß der Staat verpflichtet ist, seine Angehörigen in ihren Rechten
zu schützen. So waren es zuerst die Barbiere! welche den Reigen der
Protestationen,— wenn man es so nennen will, eröffneten. Man muß
nur wissen, daß hier in Wien z. B. eine Barbierstube, die viele Kundschaft
hat, auf einem gutenPlatze gelegen und im guten Renommve ist, ihr Recht
oft um 8—l0,00l) Gulden verkauft; diese Rechte fallen nun natürlich
bedeutend im Preise, wenn die Concurrenz eine größere wird und es
verlöre Mancher sogleich ein paar Tausend Gulden. Nun muß zu¬
gestanden werden, daß es in mehr als einem Gewerbe für den Anfang
solche kleine Erschütterungen gegeben hätte, aber muß denn dem Staate
als großem Ganzen nicht da das Allgemeine mehr am Herzen liegen,
als die Einzelnen? und darf man denn den ungeheueren Gewinn
vergessen, den die Idee deS Forschritteö im Ganzen von einer solchen
Maßregel gehabt hätte?! Es ist freilich sehr schön, daß der Staat
so viel Rücksicht auf die Wünsche und Bitten der Einzelnen dem All¬
gemeinen gegenüber legt, aber möge er bedenken, daß er gerade in
Fällen, welche das innerste Leben der Nation betreffen, dieses nicht
immer gethan, und noch thut — wir erinnern an ein gewisses Fi-


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[0268] euren selbst ihren Grund haben. Die große Masse der Gewerbtreiben- den aber, die kleinen Meister sind e6, welche noch zu sehr im Unkla¬ ren über den Fortschritt und die Erfordernisse der Zeit, sich jeder sol¬ chen Maßregel hemmend entgegenstellen werden. Ja, wenn wir eine Presse hätten, die sich solcher wichtigen, ein¬ flußreichen Fragen bemächtigen dürfte, wenn es möglich wäre, in hiesigen Zeitungen eine solche Frage von allen Seiten zu beleuchten, ihre wesentlichen Vortheile für das Allgemeine und für die Zukunft, und ihre kleinen Nachtheile hervorzuheben, wenn wir eine Presse hätten, welche dazu da wäre, die Vortheile des Volles und des Staates zu wahren, wir hätten seit Monaten über den Gegenstand öffentliche Un¬ terhandlungen geführt, die Regierung hätte aus dem Munde des Vol¬ kes selbst gehört, welche seine Wünsche, seine Vorschläge, seine Ein¬ würfe; die Betheiligten hätten aber auch die nöthigen Belehrungen em¬ pfangen, man hätte die Nation überzeugen können, daß die Gewerbe¬ freiheit ihr Bestes fördere und man weiß es ja bei uns, welchen Ein¬ fluß das gedruckte Wort auf die Masse hat. So aber hört man im Publicum von den bedeutendsten Gesetzen und Maßregeln im letzten Momente das erste Wort. Der Kurzsichtige und der Privilegirte sieht sich dadurch in Vermögen und Erwerb geschmälert, zu Grunde gerich¬ tet, glaubt bei seinen Vorstellungen sich im guten Rechte und pocht darauf, daß der Staat verpflichtet ist, seine Angehörigen in ihren Rechten zu schützen. So waren es zuerst die Barbiere! welche den Reigen der Protestationen,— wenn man es so nennen will, eröffneten. Man muß nur wissen, daß hier in Wien z. B. eine Barbierstube, die viele Kundschaft hat, auf einem gutenPlatze gelegen und im guten Renommve ist, ihr Recht oft um 8—l0,00l) Gulden verkauft; diese Rechte fallen nun natürlich bedeutend im Preise, wenn die Concurrenz eine größere wird und es verlöre Mancher sogleich ein paar Tausend Gulden. Nun muß zu¬ gestanden werden, daß es in mehr als einem Gewerbe für den Anfang solche kleine Erschütterungen gegeben hätte, aber muß denn dem Staate als großem Ganzen nicht da das Allgemeine mehr am Herzen liegen, als die Einzelnen? und darf man denn den ungeheueren Gewinn vergessen, den die Idee deS Forschritteö im Ganzen von einer solchen Maßregel gehabt hätte?! Es ist freilich sehr schön, daß der Staat so viel Rücksicht auf die Wünsche und Bitten der Einzelnen dem All¬ gemeinen gegenüber legt, aber möge er bedenken, daß er gerade in Fällen, welche das innerste Leben der Nation betreffen, dieses nicht immer gethan, und noch thut — wir erinnern an ein gewisses Fi-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/268>, abgerufen am 15.06.2024.