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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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tet, immer wird sich der Regierung eine Berücksichtigung und Förde¬
rung seiner Interessen ganz besonders empfehlen. Zwar ist die In¬
dustrie in den letzten Jahren ein großes Paradewort für das officielle
Oesterreich geworden. Aber wir glauben nicht, daß diese bereits so groß
und ergiebig ist, um über dieses jüngste Kind österreichischer Civi¬
lisation einer der Hauptadern derselben: den Handel und seine Re¬
präsentanten vernachlässigen zu dürfen. Ja, je mehr die Industrie
sich hebt, um so dringender wird die Aufgabe für die Canäle und die
Triebräder derselben, für die commerzielle und kapitalistische Welt
Raum, Erleichterung und neue Hebel zu schaffen. Mit Freuden er¬
kennen wir an, daß die österreichische Industrie Fortschritte gemacht
hat, obschon man so manches, was über die letzte Ausstattung, über
den Gewerbverein und andere Dinge gesagt wird, nicht als baare
Münze, sondern in Wiener Währung, d. i. mit einem Rabatt
von 60 Procent zu nehmen hat. So z. B. trugen Kunsttischler und
Kunstschlosser, Buchbinder, Papiertapeten- und Silberplattirarbeiter
u. in. tgi. recht viel zu einer sinnigen Ausschmückung einer Industrie-
Ausstellung bei, und was sie bringen, ist schön und erfreulich anzu¬
sehen, allein wo es gilt, den Passivhandel mit dem Activhandel er's
Gleiche zu bringen, wird des letzteren Wagschale von daher wohl
nicht sonderlich beschwert werden.

Die Ausschlag gebenden Fabricationözweige lassen sich wohl in
die Rubriken: Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Sin¬
ne n - M a n u fa c t e eintheilen. -- Die Ausfuhr der rohen Wolle
hat sehr abgenommen, ohne daß die Verarbeitung im Inlande in
gleichem Verhältnisse sich vergrößert hätte. Die Concurrenz der Au¬
stralischen Wolle ist aber bereits so weit gediehen, daß österreichische
Kammgarnfabriken sich derselben zur Verarbeitung bedienen. Was
aber von roher Wolle nach Westen geht, passirt meist verarbeitet wie¬
der retour, um nach dem Osten oder Süden per Transit zu gehen:
kein Compliment für die österreichische Industrie im Großen!

Die Baumwollspinnereien, Webereien, Druckereien
befinden sich zur Zeit in einem nichts weniger als blühenden Zustan¬
de; der Absatz ist zumeist auf Ungarn beschränkt, und hängt mit dem¬
jenigen der Naturprodukte dieses Landes eng zusammen. In den
nahen Empörten des Manufacturhandels, namentlich in Trieft und
den südlichen Häfen vermögen die Producte der österreichische" Baum¬
wollindustrie gegen die englische nicht auszukommen, indem die fer¬
tige gedruckte Waare unter dem Preise geboten wird, für welchen


tet, immer wird sich der Regierung eine Berücksichtigung und Förde¬
rung seiner Interessen ganz besonders empfehlen. Zwar ist die In¬
dustrie in den letzten Jahren ein großes Paradewort für das officielle
Oesterreich geworden. Aber wir glauben nicht, daß diese bereits so groß
und ergiebig ist, um über dieses jüngste Kind österreichischer Civi¬
lisation einer der Hauptadern derselben: den Handel und seine Re¬
präsentanten vernachlässigen zu dürfen. Ja, je mehr die Industrie
sich hebt, um so dringender wird die Aufgabe für die Canäle und die
Triebräder derselben, für die commerzielle und kapitalistische Welt
Raum, Erleichterung und neue Hebel zu schaffen. Mit Freuden er¬
kennen wir an, daß die österreichische Industrie Fortschritte gemacht
hat, obschon man so manches, was über die letzte Ausstattung, über
den Gewerbverein und andere Dinge gesagt wird, nicht als baare
Münze, sondern in Wiener Währung, d. i. mit einem Rabatt
von 60 Procent zu nehmen hat. So z. B. trugen Kunsttischler und
Kunstschlosser, Buchbinder, Papiertapeten- und Silberplattirarbeiter
u. in. tgi. recht viel zu einer sinnigen Ausschmückung einer Industrie-
Ausstellung bei, und was sie bringen, ist schön und erfreulich anzu¬
sehen, allein wo es gilt, den Passivhandel mit dem Activhandel er's
Gleiche zu bringen, wird des letzteren Wagschale von daher wohl
nicht sonderlich beschwert werden.

Die Ausschlag gebenden Fabricationözweige lassen sich wohl in
die Rubriken: Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Sin¬
ne n - M a n u fa c t e eintheilen. — Die Ausfuhr der rohen Wolle
hat sehr abgenommen, ohne daß die Verarbeitung im Inlande in
gleichem Verhältnisse sich vergrößert hätte. Die Concurrenz der Au¬
stralischen Wolle ist aber bereits so weit gediehen, daß österreichische
Kammgarnfabriken sich derselben zur Verarbeitung bedienen. Was
aber von roher Wolle nach Westen geht, passirt meist verarbeitet wie¬
der retour, um nach dem Osten oder Süden per Transit zu gehen:
kein Compliment für die österreichische Industrie im Großen!

Die Baumwollspinnereien, Webereien, Druckereien
befinden sich zur Zeit in einem nichts weniger als blühenden Zustan¬
de; der Absatz ist zumeist auf Ungarn beschränkt, und hängt mit dem¬
jenigen der Naturprodukte dieses Landes eng zusammen. In den
nahen Empörten des Manufacturhandels, namentlich in Trieft und
den südlichen Häfen vermögen die Producte der österreichische» Baum¬
wollindustrie gegen die englische nicht auszukommen, indem die fer¬
tige gedruckte Waare unter dem Preise geboten wird, für welchen


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[0396] tet, immer wird sich der Regierung eine Berücksichtigung und Förde¬ rung seiner Interessen ganz besonders empfehlen. Zwar ist die In¬ dustrie in den letzten Jahren ein großes Paradewort für das officielle Oesterreich geworden. Aber wir glauben nicht, daß diese bereits so groß und ergiebig ist, um über dieses jüngste Kind österreichischer Civi¬ lisation einer der Hauptadern derselben: den Handel und seine Re¬ präsentanten vernachlässigen zu dürfen. Ja, je mehr die Industrie sich hebt, um so dringender wird die Aufgabe für die Canäle und die Triebräder derselben, für die commerzielle und kapitalistische Welt Raum, Erleichterung und neue Hebel zu schaffen. Mit Freuden er¬ kennen wir an, daß die österreichische Industrie Fortschritte gemacht hat, obschon man so manches, was über die letzte Ausstattung, über den Gewerbverein und andere Dinge gesagt wird, nicht als baare Münze, sondern in Wiener Währung, d. i. mit einem Rabatt von 60 Procent zu nehmen hat. So z. B. trugen Kunsttischler und Kunstschlosser, Buchbinder, Papiertapeten- und Silberplattirarbeiter u. in. tgi. recht viel zu einer sinnigen Ausschmückung einer Industrie- Ausstellung bei, und was sie bringen, ist schön und erfreulich anzu¬ sehen, allein wo es gilt, den Passivhandel mit dem Activhandel er's Gleiche zu bringen, wird des letzteren Wagschale von daher wohl nicht sonderlich beschwert werden. Die Ausschlag gebenden Fabricationözweige lassen sich wohl in die Rubriken: Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Sin¬ ne n - M a n u fa c t e eintheilen. — Die Ausfuhr der rohen Wolle hat sehr abgenommen, ohne daß die Verarbeitung im Inlande in gleichem Verhältnisse sich vergrößert hätte. Die Concurrenz der Au¬ stralischen Wolle ist aber bereits so weit gediehen, daß österreichische Kammgarnfabriken sich derselben zur Verarbeitung bedienen. Was aber von roher Wolle nach Westen geht, passirt meist verarbeitet wie¬ der retour, um nach dem Osten oder Süden per Transit zu gehen: kein Compliment für die österreichische Industrie im Großen! Die Baumwollspinnereien, Webereien, Druckereien befinden sich zur Zeit in einem nichts weniger als blühenden Zustan¬ de; der Absatz ist zumeist auf Ungarn beschränkt, und hängt mit dem¬ jenigen der Naturprodukte dieses Landes eng zusammen. In den nahen Empörten des Manufacturhandels, namentlich in Trieft und den südlichen Häfen vermögen die Producte der österreichische» Baum¬ wollindustrie gegen die englische nicht auszukommen, indem die fer¬ tige gedruckte Waare unter dem Preise geboten wird, für welchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/396>, abgerufen am 16.06.2024.