Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

man die österreichische rohe ablassen kann. In die Ursachen können
wir hier nicht eingehen, es sind dieselben, welche die süddeutschen
Zollvereinsstaaten gegenüber den norddeutschen Freihandelsmännern
so oft auseinandersetzen, nur daß bei uns die Industrie noch um Vie¬
les weiter zurück ist als in den Zollvereinslanden und unsere Webe¬
reien, z. B. die mit geringen Ausnahmen fast ausschließlich Hand¬
webereien sind, vermögen noch weniger der großartigen Maschinenweberei
der Engländer die Spitze zu bieten. Zudem haben unsere Fabrikanten
trotz ordentlicher und außerordentlicher Versammlungen des Gewerb-
Vereines, es noch immer nicht gelernt, sich nach den fremden Bedürf¬
nissen in Bereitung und selbst in der Maßeintheilung der Waare
zu richten.

Nicht viel Besseres läßt sich in Betreff der Seide- und Linnen-
Fabrikation berichten, und namentlich verbleibt es ein stillschweigender
Vorwurf für die österreichische Industrie, daß zum größten Theile nicht
sie, sondern die französische das kostbare Product, welches die Lombar¬
dei liefert, zu einem der wichtigsten Zweige des Activhandels zu er¬
heben versteht.

Mit Freuden bemerken wir die Erweiterung unserer Handelsver¬
hältnisse, wenn wir lesen, daß ein österreichisches Schiff zum eisten Mal
an der Küste von Ambo'Ma gesehen ward: Glück auf! Wir wissen
nun, wo der Pfeffer wächst, -- allein wo Barthels Most holt, das
haben wir noch nicht herausgebracht, und das thäte uns vielleicht
mehr Noth zu erfahren.

Wir brauchen wohl nicht erst den bekannten und vocumentirten
Erfahrungssatz zu wiederholen, daß die österreichische Industrie im
Vergleich mit andern, zum großen Theile die Kinderschuhe noch nicht
ganz vertreten hat und man erläßt uns wohl den Beweis, daß eine
geschwächte Handelslage und gedrückt gehaltene Platzverhältnisse eben
nicht geeignet scheinen, ihr Wachsthum zu befördern.

Der Handel ist und bleibt das große Triebrad, die Locomotive,
welche die Industrie mit sich fortzieht und dem damit verknüpften
Proletariat neue Erwerbsquellen öffnet, darum versage man nicht das
Oel den vertrockneten Speichen, und hebe den Rost weg, der sich an
das Eisen gelegt hat, denn bleibt jene stehen, so stockt Alles mit ihr.


P.


man die österreichische rohe ablassen kann. In die Ursachen können
wir hier nicht eingehen, es sind dieselben, welche die süddeutschen
Zollvereinsstaaten gegenüber den norddeutschen Freihandelsmännern
so oft auseinandersetzen, nur daß bei uns die Industrie noch um Vie¬
les weiter zurück ist als in den Zollvereinslanden und unsere Webe¬
reien, z. B. die mit geringen Ausnahmen fast ausschließlich Hand¬
webereien sind, vermögen noch weniger der großartigen Maschinenweberei
der Engländer die Spitze zu bieten. Zudem haben unsere Fabrikanten
trotz ordentlicher und außerordentlicher Versammlungen des Gewerb-
Vereines, es noch immer nicht gelernt, sich nach den fremden Bedürf¬
nissen in Bereitung und selbst in der Maßeintheilung der Waare
zu richten.

Nicht viel Besseres läßt sich in Betreff der Seide- und Linnen-
Fabrikation berichten, und namentlich verbleibt es ein stillschweigender
Vorwurf für die österreichische Industrie, daß zum größten Theile nicht
sie, sondern die französische das kostbare Product, welches die Lombar¬
dei liefert, zu einem der wichtigsten Zweige des Activhandels zu er¬
heben versteht.

Mit Freuden bemerken wir die Erweiterung unserer Handelsver¬
hältnisse, wenn wir lesen, daß ein österreichisches Schiff zum eisten Mal
an der Küste von Ambo'Ma gesehen ward: Glück auf! Wir wissen
nun, wo der Pfeffer wächst, — allein wo Barthels Most holt, das
haben wir noch nicht herausgebracht, und das thäte uns vielleicht
mehr Noth zu erfahren.

Wir brauchen wohl nicht erst den bekannten und vocumentirten
Erfahrungssatz zu wiederholen, daß die österreichische Industrie im
Vergleich mit andern, zum großen Theile die Kinderschuhe noch nicht
ganz vertreten hat und man erläßt uns wohl den Beweis, daß eine
geschwächte Handelslage und gedrückt gehaltene Platzverhältnisse eben
nicht geeignet scheinen, ihr Wachsthum zu befördern.

Der Handel ist und bleibt das große Triebrad, die Locomotive,
welche die Industrie mit sich fortzieht und dem damit verknüpften
Proletariat neue Erwerbsquellen öffnet, darum versage man nicht das
Oel den vertrockneten Speichen, und hebe den Rost weg, der sich an
das Eisen gelegt hat, denn bleibt jene stehen, so stockt Alles mit ihr.


P.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183418"/>
            <p xml:id="ID_1179" prev="#ID_1178"> man die österreichische rohe ablassen kann. In die Ursachen können<lb/>
wir hier nicht eingehen, es sind dieselben, welche die süddeutschen<lb/>
Zollvereinsstaaten gegenüber den norddeutschen Freihandelsmännern<lb/>
so oft auseinandersetzen, nur daß bei uns die Industrie noch um Vie¬<lb/>
les weiter zurück ist als in den Zollvereinslanden und unsere Webe¬<lb/>
reien, z. B. die mit geringen Ausnahmen fast ausschließlich Hand¬<lb/>
webereien sind, vermögen noch weniger der großartigen Maschinenweberei<lb/>
der Engländer die Spitze zu bieten. Zudem haben unsere Fabrikanten<lb/>
trotz ordentlicher und außerordentlicher Versammlungen des Gewerb-<lb/>
Vereines, es noch immer nicht gelernt, sich nach den fremden Bedürf¬<lb/>
nissen in Bereitung und selbst in der Maßeintheilung der Waare<lb/>
zu richten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1180"> Nicht viel Besseres läßt sich in Betreff der Seide- und Linnen-<lb/>
Fabrikation berichten, und namentlich verbleibt es ein stillschweigender<lb/>
Vorwurf für die österreichische Industrie, daß zum größten Theile nicht<lb/>
sie, sondern die französische das kostbare Product, welches die Lombar¬<lb/>
dei liefert, zu einem der wichtigsten Zweige des Activhandels zu er¬<lb/>
heben versteht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1181"> Mit Freuden bemerken wir die Erweiterung unserer Handelsver¬<lb/>
hältnisse, wenn wir lesen, daß ein österreichisches Schiff zum eisten Mal<lb/>
an der Küste von Ambo'Ma gesehen ward: Glück auf! Wir wissen<lb/>
nun, wo der Pfeffer wächst, &#x2014; allein wo Barthels Most holt, das<lb/>
haben wir noch nicht herausgebracht, und das thäte uns vielleicht<lb/>
mehr Noth zu erfahren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1182"> Wir brauchen wohl nicht erst den bekannten und vocumentirten<lb/>
Erfahrungssatz zu wiederholen, daß die österreichische Industrie im<lb/>
Vergleich mit andern, zum großen Theile die Kinderschuhe noch nicht<lb/>
ganz vertreten hat und man erläßt uns wohl den Beweis, daß eine<lb/>
geschwächte Handelslage und gedrückt gehaltene Platzverhältnisse eben<lb/>
nicht geeignet scheinen, ihr Wachsthum zu befördern.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1183"> Der Handel ist und bleibt das große Triebrad, die Locomotive,<lb/>
welche die Industrie mit sich fortzieht und dem damit verknüpften<lb/>
Proletariat neue Erwerbsquellen öffnet, darum versage man nicht das<lb/>
Oel den vertrockneten Speichen, und hebe den Rost weg, der sich an<lb/>
das Eisen gelegt hat, denn bleibt jene stehen, so stockt Alles mit ihr.</p><lb/>
            <note type="byline"> P.</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0397] man die österreichische rohe ablassen kann. In die Ursachen können wir hier nicht eingehen, es sind dieselben, welche die süddeutschen Zollvereinsstaaten gegenüber den norddeutschen Freihandelsmännern so oft auseinandersetzen, nur daß bei uns die Industrie noch um Vie¬ les weiter zurück ist als in den Zollvereinslanden und unsere Webe¬ reien, z. B. die mit geringen Ausnahmen fast ausschließlich Hand¬ webereien sind, vermögen noch weniger der großartigen Maschinenweberei der Engländer die Spitze zu bieten. Zudem haben unsere Fabrikanten trotz ordentlicher und außerordentlicher Versammlungen des Gewerb- Vereines, es noch immer nicht gelernt, sich nach den fremden Bedürf¬ nissen in Bereitung und selbst in der Maßeintheilung der Waare zu richten. Nicht viel Besseres läßt sich in Betreff der Seide- und Linnen- Fabrikation berichten, und namentlich verbleibt es ein stillschweigender Vorwurf für die österreichische Industrie, daß zum größten Theile nicht sie, sondern die französische das kostbare Product, welches die Lombar¬ dei liefert, zu einem der wichtigsten Zweige des Activhandels zu er¬ heben versteht. Mit Freuden bemerken wir die Erweiterung unserer Handelsver¬ hältnisse, wenn wir lesen, daß ein österreichisches Schiff zum eisten Mal an der Küste von Ambo'Ma gesehen ward: Glück auf! Wir wissen nun, wo der Pfeffer wächst, — allein wo Barthels Most holt, das haben wir noch nicht herausgebracht, und das thäte uns vielleicht mehr Noth zu erfahren. Wir brauchen wohl nicht erst den bekannten und vocumentirten Erfahrungssatz zu wiederholen, daß die österreichische Industrie im Vergleich mit andern, zum großen Theile die Kinderschuhe noch nicht ganz vertreten hat und man erläßt uns wohl den Beweis, daß eine geschwächte Handelslage und gedrückt gehaltene Platzverhältnisse eben nicht geeignet scheinen, ihr Wachsthum zu befördern. Der Handel ist und bleibt das große Triebrad, die Locomotive, welche die Industrie mit sich fortzieht und dem damit verknüpften Proletariat neue Erwerbsquellen öffnet, darum versage man nicht das Oel den vertrockneten Speichen, und hebe den Rost weg, der sich an das Eisen gelegt hat, denn bleibt jene stehen, so stockt Alles mit ihr. P.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/397
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/397>, abgerufen am 23.05.2024.