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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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wird irgend einem vernünftigen Menschen als ein Beweis gelten?"-^
"O, Sie sollten sich schämen!" rief die Haushälterin. -- "Schämen!
schämen! Wenn Einem das Messer an der Kehle steht, wie damals
und es wird Einen, so geboten! Halte der liederliche Kerl nicht
genug an dem, was ihm blieb?" -- "Zwei Nullen stahlen Sie ihm
und er quittirte -- lassen Sie doch einmal sehen --"

Sie hob das verkohlte Papier, das sie wirklich aus dem Kamine
hervorgesucht, sobald ihr Herr damals das Zimmer verlassen hatte --
sie las, aber ihr Auge bewachte dabei den Fabrikanten, und da er es
ihr wegschnappen wollte, zog sie es schnell zurück und lachte ihn aus.

"Mache doch keinen schlechten Spaß, Mine," sagte er. "Komm
her, wollen's gründlich verbrennen -- ich habe noch ein Paar andere
Papiere. -- Gott sei Dank! der Einzige, der mir noch schaden konnte,
ist nun auch todt, und der Aktuarius auch, der einmal Lunte merkte,
aber nicht gegen mich auftreten wollte -- Du siehst, Mine, ich habe
Dir Alles gesagt, wie es kam, aber nun sei auch vernünftig!" --
"So'n Mann, für Zehntausend nur Hundert, und die beiden Nullen
dann in der Quittung, wie sie unterschrieben war, wieder eingeschmug¬
gelt!" -- "Mir stand das Messer an der Kehle, ich wäre ein ver¬
lorener Mann gewesen --" -- "Und nun sind Sie reich, und der
arme Mensch ist im Elende gestorben und sein Sohn ist ein Mörder
geworden und hat sich gehängt! Ja, Herr Masser, der Einzige, der'ö
Wußte, ist todtgeschlagen worden oder hat sich den Hals gebrochen --
aber hier steht doch, daß die Summe von Zehntausend noch einmal
wiederholt werden soll, wenn's Hvbländer verlangte und er hat nur
Hundert gekriegt, wie die Grescheln beschwören will -- Heimchen Sie
mich, Herr Masser?" -- "Ich hab' Dir's versprochen, ich werde Dir's
halten," stöhnte der Fabrikant. -- "Gut, morgen früh gehe ich zum
Herrn Pastor und Sie werden wohl, mitkommen," sagte das Mäd¬
chen und verließ das Zimmer.

Masser sank erschöpft in seinen Lehnstuhl. Der Unglücksbrief
hätte ihm wenig Unruhe machen sollen, denn er war in der That so
verräuchert-und halb verbrannt, eh' ihn der scharfe Zugwind aus¬
löschte, daß nicht viel drin zu lesen stand, aber die listige Haushäl¬
terin hatte wenigstens einen Namen darin gefunden und ihrem Herrn durch
verstellte Mitwissenschaft und Vorwürfe sein Geheimniß abgelockt. Da¬
nach hatte er allerdings den Hobländer mit Hülse des Agenten um
das Seinige gebracht, damals war er dem Bankerott und der Schande
nahe gewesen, er hatte das Geld, das sich ihm bot, ergriffen, wie der


wird irgend einem vernünftigen Menschen als ein Beweis gelten?"-^
„O, Sie sollten sich schämen!" rief die Haushälterin. -- „Schämen!
schämen! Wenn Einem das Messer an der Kehle steht, wie damals
und es wird Einen, so geboten! Halte der liederliche Kerl nicht
genug an dem, was ihm blieb?" — „Zwei Nullen stahlen Sie ihm
und er quittirte — lassen Sie doch einmal sehen —"

Sie hob das verkohlte Papier, das sie wirklich aus dem Kamine
hervorgesucht, sobald ihr Herr damals das Zimmer verlassen hatte —
sie las, aber ihr Auge bewachte dabei den Fabrikanten, und da er es
ihr wegschnappen wollte, zog sie es schnell zurück und lachte ihn aus.

„Mache doch keinen schlechten Spaß, Mine," sagte er. „Komm
her, wollen's gründlich verbrennen — ich habe noch ein Paar andere
Papiere. — Gott sei Dank! der Einzige, der mir noch schaden konnte,
ist nun auch todt, und der Aktuarius auch, der einmal Lunte merkte,
aber nicht gegen mich auftreten wollte — Du siehst, Mine, ich habe
Dir Alles gesagt, wie es kam, aber nun sei auch vernünftig!" —
„So'n Mann, für Zehntausend nur Hundert, und die beiden Nullen
dann in der Quittung, wie sie unterschrieben war, wieder eingeschmug¬
gelt!" — „Mir stand das Messer an der Kehle, ich wäre ein ver¬
lorener Mann gewesen —" — „Und nun sind Sie reich, und der
arme Mensch ist im Elende gestorben und sein Sohn ist ein Mörder
geworden und hat sich gehängt! Ja, Herr Masser, der Einzige, der'ö
Wußte, ist todtgeschlagen worden oder hat sich den Hals gebrochen —
aber hier steht doch, daß die Summe von Zehntausend noch einmal
wiederholt werden soll, wenn's Hvbländer verlangte und er hat nur
Hundert gekriegt, wie die Grescheln beschwören will — Heimchen Sie
mich, Herr Masser?" — „Ich hab' Dir's versprochen, ich werde Dir's
halten," stöhnte der Fabrikant. — „Gut, morgen früh gehe ich zum
Herrn Pastor und Sie werden wohl, mitkommen," sagte das Mäd¬
chen und verließ das Zimmer.

Masser sank erschöpft in seinen Lehnstuhl. Der Unglücksbrief
hätte ihm wenig Unruhe machen sollen, denn er war in der That so
verräuchert-und halb verbrannt, eh' ihn der scharfe Zugwind aus¬
löschte, daß nicht viel drin zu lesen stand, aber die listige Haushäl¬
terin hatte wenigstens einen Namen darin gefunden und ihrem Herrn durch
verstellte Mitwissenschaft und Vorwürfe sein Geheimniß abgelockt. Da¬
nach hatte er allerdings den Hobländer mit Hülse des Agenten um
das Seinige gebracht, damals war er dem Bankerott und der Schande
nahe gewesen, er hatte das Geld, das sich ihm bot, ergriffen, wie der


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[0219] wird irgend einem vernünftigen Menschen als ein Beweis gelten?"-^ „O, Sie sollten sich schämen!" rief die Haushälterin. -- „Schämen! schämen! Wenn Einem das Messer an der Kehle steht, wie damals und es wird Einen, so geboten! Halte der liederliche Kerl nicht genug an dem, was ihm blieb?" — „Zwei Nullen stahlen Sie ihm und er quittirte — lassen Sie doch einmal sehen —" Sie hob das verkohlte Papier, das sie wirklich aus dem Kamine hervorgesucht, sobald ihr Herr damals das Zimmer verlassen hatte — sie las, aber ihr Auge bewachte dabei den Fabrikanten, und da er es ihr wegschnappen wollte, zog sie es schnell zurück und lachte ihn aus. „Mache doch keinen schlechten Spaß, Mine," sagte er. „Komm her, wollen's gründlich verbrennen — ich habe noch ein Paar andere Papiere. — Gott sei Dank! der Einzige, der mir noch schaden konnte, ist nun auch todt, und der Aktuarius auch, der einmal Lunte merkte, aber nicht gegen mich auftreten wollte — Du siehst, Mine, ich habe Dir Alles gesagt, wie es kam, aber nun sei auch vernünftig!" — „So'n Mann, für Zehntausend nur Hundert, und die beiden Nullen dann in der Quittung, wie sie unterschrieben war, wieder eingeschmug¬ gelt!" — „Mir stand das Messer an der Kehle, ich wäre ein ver¬ lorener Mann gewesen —" — „Und nun sind Sie reich, und der arme Mensch ist im Elende gestorben und sein Sohn ist ein Mörder geworden und hat sich gehängt! Ja, Herr Masser, der Einzige, der'ö Wußte, ist todtgeschlagen worden oder hat sich den Hals gebrochen — aber hier steht doch, daß die Summe von Zehntausend noch einmal wiederholt werden soll, wenn's Hvbländer verlangte und er hat nur Hundert gekriegt, wie die Grescheln beschwören will — Heimchen Sie mich, Herr Masser?" — „Ich hab' Dir's versprochen, ich werde Dir's halten," stöhnte der Fabrikant. — „Gut, morgen früh gehe ich zum Herrn Pastor und Sie werden wohl, mitkommen," sagte das Mäd¬ chen und verließ das Zimmer. Masser sank erschöpft in seinen Lehnstuhl. Der Unglücksbrief hätte ihm wenig Unruhe machen sollen, denn er war in der That so verräuchert-und halb verbrannt, eh' ihn der scharfe Zugwind aus¬ löschte, daß nicht viel drin zu lesen stand, aber die listige Haushäl¬ terin hatte wenigstens einen Namen darin gefunden und ihrem Herrn durch verstellte Mitwissenschaft und Vorwürfe sein Geheimniß abgelockt. Da¬ nach hatte er allerdings den Hobländer mit Hülse des Agenten um das Seinige gebracht, damals war er dem Bankerott und der Schande nahe gewesen, er hatte das Geld, das sich ihm bot, ergriffen, wie der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/219>, abgerufen am 14.05.2024.