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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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bessere Pfarre als diese bekommen. Ich werde an meinen Onkel, den
Bischof, schreiben, ich werde selbst zu ihm gehen, wenn es nöthig ist."
-- "Etvöos verlassen!" rief er, indem er die Hände zusammenschlug;
"aber ich bin hier so glücklich! Was kann ich wünschen, seitdem Sie
hier sind? Sie haben mich mit Güte überschüttet, und meine kleine
Pfarrwohnung ist ein Palast geworden." -- "Nein," erwiederte ich,
"mein Onkel ist sehr alt; wenn ich das Unglück hätte, ihn zu verlieren,
so wüßte ich nicht, an wen ich mich wenden sollte, um Ihnen eine
angemessene Stelle zu verschaffen." -- "Ach, gnädige Gräfin, ich würde
dieses Dorf sehr ungern verlassen!.... Der Pfarrer von Sanct Stephan
ist todt... aber was mich beruhigt, ist, daß der Pater R. ihn ersetzen
wird. Dies ist ein sehr würdiger Priester, und ich freue mich darüber,
denn wenn Seine Gnaden an mich gedacht hätte..."

"Der Pfarrer von Sanct Stephan ist todt!" rief ich. "Dann
fahre ich noch heute nach N. zu meinem Onkel." -- "Ach, gnädige
Frau, thun Sie das nicht. Der Pater R. ist viel würdiger als ich;
und dann, Etvöos verlassen.'..."

"Herr Pater," sagte ich mit festem Ton, "Sie müssen." Bei die.
sein Wort senkte er den Kopf und wagte nicht mehr zu widerstehen.
Ich lief in's Schloß zurück. Der arme Mensch folgte mir zwei Schritte
Hintennach und war so bestürzt, daß er den Mund nicht zu öffnen
wagte. Ich habe keine Minute verloren. Um acht Uhr war ich bei
meinem Onkel. Ich habe ihn für seinen R. sehr eingenommen gefun¬
den; aber er liebt mich, und ich kenne meine Macht über ihn. Endlich
nach langen Verhandlungen erreichte ich, was ich wollte. R. ist ver¬
drängt, und der Pfarrer Bukowizka ist Pfarrer von Sanct Stephan.
Seit zwei Tagen ist er in der Stadt. Der arme Mensch hat mein:
"Sie müssen" verstanden. Er hat mir ernst gedankt und nur von sei¬
ner Erkenntlichkeit gesprochen. Ich wußte ihm Dank, daß er Etvöos
so schnell als möglich verließ. Als er abreiste, schickte er mir sein nied¬
liches, byzantinisches Kästchen und bat mich um die Erlaubniß, mir
zuweilen schreiben zu dürfen. Nun, meine Liebe, bist Du zufrieden
mit mir? -- Es ist eine Lehre. Ich werde sie nicht vergessen, wenn
ich in die Welt zurückkehre. Aber dann werde ich drei und dreißig
alt sein, und dann brauche ich nicht zu fürchten, geliebt zu werden...
und mit einer Liebe wie diese.... Von dieser ganzen Thorheit bleibt
mir ein artiges Kästchen und ein wahrer Freund. Wenn ich vierzig
Jahre alt bin und Großmutter sein werde, dann werde ich intriguiren,
daß der Pfarrer Bukowizka eine Pfarre in Wien b-komme. Du wirst


bessere Pfarre als diese bekommen. Ich werde an meinen Onkel, den
Bischof, schreiben, ich werde selbst zu ihm gehen, wenn es nöthig ist."
— „Etvöos verlassen!" rief er, indem er die Hände zusammenschlug;
„aber ich bin hier so glücklich! Was kann ich wünschen, seitdem Sie
hier sind? Sie haben mich mit Güte überschüttet, und meine kleine
Pfarrwohnung ist ein Palast geworden." — „Nein," erwiederte ich,
„mein Onkel ist sehr alt; wenn ich das Unglück hätte, ihn zu verlieren,
so wüßte ich nicht, an wen ich mich wenden sollte, um Ihnen eine
angemessene Stelle zu verschaffen." — „Ach, gnädige Gräfin, ich würde
dieses Dorf sehr ungern verlassen!.... Der Pfarrer von Sanct Stephan
ist todt... aber was mich beruhigt, ist, daß der Pater R. ihn ersetzen
wird. Dies ist ein sehr würdiger Priester, und ich freue mich darüber,
denn wenn Seine Gnaden an mich gedacht hätte..."

„Der Pfarrer von Sanct Stephan ist todt!" rief ich. „Dann
fahre ich noch heute nach N. zu meinem Onkel." — „Ach, gnädige
Frau, thun Sie das nicht. Der Pater R. ist viel würdiger als ich;
und dann, Etvöos verlassen.'..."

„Herr Pater," sagte ich mit festem Ton, „Sie müssen." Bei die.
sein Wort senkte er den Kopf und wagte nicht mehr zu widerstehen.
Ich lief in's Schloß zurück. Der arme Mensch folgte mir zwei Schritte
Hintennach und war so bestürzt, daß er den Mund nicht zu öffnen
wagte. Ich habe keine Minute verloren. Um acht Uhr war ich bei
meinem Onkel. Ich habe ihn für seinen R. sehr eingenommen gefun¬
den; aber er liebt mich, und ich kenne meine Macht über ihn. Endlich
nach langen Verhandlungen erreichte ich, was ich wollte. R. ist ver¬
drängt, und der Pfarrer Bukowizka ist Pfarrer von Sanct Stephan.
Seit zwei Tagen ist er in der Stadt. Der arme Mensch hat mein:
„Sie müssen" verstanden. Er hat mir ernst gedankt und nur von sei¬
ner Erkenntlichkeit gesprochen. Ich wußte ihm Dank, daß er Etvöos
so schnell als möglich verließ. Als er abreiste, schickte er mir sein nied¬
liches, byzantinisches Kästchen und bat mich um die Erlaubniß, mir
zuweilen schreiben zu dürfen. Nun, meine Liebe, bist Du zufrieden
mit mir? — Es ist eine Lehre. Ich werde sie nicht vergessen, wenn
ich in die Welt zurückkehre. Aber dann werde ich drei und dreißig
alt sein, und dann brauche ich nicht zu fürchten, geliebt zu werden...
und mit einer Liebe wie diese.... Von dieser ganzen Thorheit bleibt
mir ein artiges Kästchen und ein wahrer Freund. Wenn ich vierzig
Jahre alt bin und Großmutter sein werde, dann werde ich intriguiren,
daß der Pfarrer Bukowizka eine Pfarre in Wien b-komme. Du wirst


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[0470] bessere Pfarre als diese bekommen. Ich werde an meinen Onkel, den Bischof, schreiben, ich werde selbst zu ihm gehen, wenn es nöthig ist." — „Etvöos verlassen!" rief er, indem er die Hände zusammenschlug; „aber ich bin hier so glücklich! Was kann ich wünschen, seitdem Sie hier sind? Sie haben mich mit Güte überschüttet, und meine kleine Pfarrwohnung ist ein Palast geworden." — „Nein," erwiederte ich, „mein Onkel ist sehr alt; wenn ich das Unglück hätte, ihn zu verlieren, so wüßte ich nicht, an wen ich mich wenden sollte, um Ihnen eine angemessene Stelle zu verschaffen." — „Ach, gnädige Gräfin, ich würde dieses Dorf sehr ungern verlassen!.... Der Pfarrer von Sanct Stephan ist todt... aber was mich beruhigt, ist, daß der Pater R. ihn ersetzen wird. Dies ist ein sehr würdiger Priester, und ich freue mich darüber, denn wenn Seine Gnaden an mich gedacht hätte..." „Der Pfarrer von Sanct Stephan ist todt!" rief ich. „Dann fahre ich noch heute nach N. zu meinem Onkel." — „Ach, gnädige Frau, thun Sie das nicht. Der Pater R. ist viel würdiger als ich; und dann, Etvöos verlassen.'..." „Herr Pater," sagte ich mit festem Ton, „Sie müssen." Bei die. sein Wort senkte er den Kopf und wagte nicht mehr zu widerstehen. Ich lief in's Schloß zurück. Der arme Mensch folgte mir zwei Schritte Hintennach und war so bestürzt, daß er den Mund nicht zu öffnen wagte. Ich habe keine Minute verloren. Um acht Uhr war ich bei meinem Onkel. Ich habe ihn für seinen R. sehr eingenommen gefun¬ den; aber er liebt mich, und ich kenne meine Macht über ihn. Endlich nach langen Verhandlungen erreichte ich, was ich wollte. R. ist ver¬ drängt, und der Pfarrer Bukowizka ist Pfarrer von Sanct Stephan. Seit zwei Tagen ist er in der Stadt. Der arme Mensch hat mein: „Sie müssen" verstanden. Er hat mir ernst gedankt und nur von sei¬ ner Erkenntlichkeit gesprochen. Ich wußte ihm Dank, daß er Etvöos so schnell als möglich verließ. Als er abreiste, schickte er mir sein nied¬ liches, byzantinisches Kästchen und bat mich um die Erlaubniß, mir zuweilen schreiben zu dürfen. Nun, meine Liebe, bist Du zufrieden mit mir? — Es ist eine Lehre. Ich werde sie nicht vergessen, wenn ich in die Welt zurückkehre. Aber dann werde ich drei und dreißig alt sein, und dann brauche ich nicht zu fürchten, geliebt zu werden... und mit einer Liebe wie diese.... Von dieser ganzen Thorheit bleibt mir ein artiges Kästchen und ein wahrer Freund. Wenn ich vierzig Jahre alt bin und Großmutter sein werde, dann werde ich intriguiren, daß der Pfarrer Bukowizka eine Pfarre in Wien b-komme. Du wirst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/470>, abgerufen am 28.04.2024.