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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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wohl kaum, welch eine feindliche Macht in^der neuen Erfindung, die
dem Dampf der Eisenbahnen, dem elektrischen Telegraphen an Wichtig¬
keit gleich kommt, gegen sie aufwächst. Wahrlich, an tausend Zeichen
laßt sich's erkennen, daß die alten socialen Verhältnisse untergraben sind.
Jeder Tag bringt eine neue Waffe in die Hände der unterdrückten Ge¬
sellschaftsclassen, jeder Tag entführt ein Schutzmittel Denjenigen, die auf
ihr Privilegium, auf ihre Geburt und auf ihre Uebermacht pochen. Be¬
trachten wir nur flüchtig die erschreckenden Folgen, welche mit der neuen
Erfindung verbunden sind. Geben Sie mir, werther Leser, diesen halben
Bogen der Grenzboten, den Sie so eben in der Hand halten und in
zwei Stunden will ich ihn in ein Pergament verwandeln, mit welchem Sie,
wenn Sie es in 10 gleiche Stücke schneiden, ein hundert und fünf¬
zig Flintenschüsse thun können. Und doch würde es nur einige Pfennige
kosten, um diese Umwandlung zu bewerkstelligen, welche obendrein so leicht
ist, daß Jeder von Ihnen, der das kleine Geheimniß erlernt hat, es so¬
gleich ausüben kann. Mit anderen Worten, mit einem Ries Papier
und zwei Seidel concentrirter Salpetersaure ist man in 24 Stunden in
den Stand gesetzt 90,000 Flintenschüsse zu machen. Gesetzt, es käme
Herrn von Eotta in den Sinn, sämmtliche Exemplare einer einzigen
Nummer der allgemeinen Zeitung in Salpetersaure tauchen zu lassen,
und am andern Morgen gäbe es in Deutschland Pulver genug, um ganz
Europa damit in die Luft zu sprengen. Bedenkt man, daß ein Schuß
dieser Art nur ein sehr geringes Geräusch hervorbringt, daßjkein verrätheri-
scher Rauch seine That andeutet, bedenkt man, daß ein kleines Taschen-
pistol durch das neue Pulver zu einer Sicherheit und Kraft des Schusses
gelangt, daß auf fünfzig Schritte ein Mensch unfehlbar dadurch getödtet
werden kann, so fragt man sich unwillkürlich, wohin wird es mit der
öffentlichen Sicherheit kommen, die bei der immer mehr und mehr an¬
schwellenden Masse von Verbrechen schon jetzt nur mühsam aufrecht er¬
halten wird?

-- In dem Cabinette von Augsburg scheint eine Ministerkrisis vorge¬
gangen zu sein; Herr Altenhöfer hat sein Portefeuille niedergelegt, oder
richtiger gesagt, er hat seinen Namen von der Mitunterzeichnung des Blattes
zurückgezogen. Man will dieses mit den Londoner Ereignissen in Verbindung
bringen. Die "ehrlichen" Deutschen im perfiden Albion, die Londoner Zeitung,
hat vor Kurzem einen alten etwas demagogischen Brief des Hrn. Altenhöfer
ausgegraben und einige noch perfidere deutsche Blätter am Rheine haben
diese Geschichte in der gehässigsten Weise ausgebeutet. Ob dieses wirklich
mit dem erwähnten Rücktritt in Verbindung steht, wissen wir nicht zu
entscheiden. Die Thatsache ist, daß Herr Altenhöfer nach wie vor die
Redaction des englischen Artikels besorgt. Der eigentliche Redacteur en
et,v5 ist von jeher Dr. Kolb gewesen und die Aenderung in der Signatur
ist somit auf das Blatt selbst von keinem Einflüsse.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig" -- Redacteur I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrä.

wohl kaum, welch eine feindliche Macht in^der neuen Erfindung, die
dem Dampf der Eisenbahnen, dem elektrischen Telegraphen an Wichtig¬
keit gleich kommt, gegen sie aufwächst. Wahrlich, an tausend Zeichen
laßt sich's erkennen, daß die alten socialen Verhältnisse untergraben sind.
Jeder Tag bringt eine neue Waffe in die Hände der unterdrückten Ge¬
sellschaftsclassen, jeder Tag entführt ein Schutzmittel Denjenigen, die auf
ihr Privilegium, auf ihre Geburt und auf ihre Uebermacht pochen. Be¬
trachten wir nur flüchtig die erschreckenden Folgen, welche mit der neuen
Erfindung verbunden sind. Geben Sie mir, werther Leser, diesen halben
Bogen der Grenzboten, den Sie so eben in der Hand halten und in
zwei Stunden will ich ihn in ein Pergament verwandeln, mit welchem Sie,
wenn Sie es in 10 gleiche Stücke schneiden, ein hundert und fünf¬
zig Flintenschüsse thun können. Und doch würde es nur einige Pfennige
kosten, um diese Umwandlung zu bewerkstelligen, welche obendrein so leicht
ist, daß Jeder von Ihnen, der das kleine Geheimniß erlernt hat, es so¬
gleich ausüben kann. Mit anderen Worten, mit einem Ries Papier
und zwei Seidel concentrirter Salpetersaure ist man in 24 Stunden in
den Stand gesetzt 90,000 Flintenschüsse zu machen. Gesetzt, es käme
Herrn von Eotta in den Sinn, sämmtliche Exemplare einer einzigen
Nummer der allgemeinen Zeitung in Salpetersaure tauchen zu lassen,
und am andern Morgen gäbe es in Deutschland Pulver genug, um ganz
Europa damit in die Luft zu sprengen. Bedenkt man, daß ein Schuß
dieser Art nur ein sehr geringes Geräusch hervorbringt, daßjkein verrätheri-
scher Rauch seine That andeutet, bedenkt man, daß ein kleines Taschen-
pistol durch das neue Pulver zu einer Sicherheit und Kraft des Schusses
gelangt, daß auf fünfzig Schritte ein Mensch unfehlbar dadurch getödtet
werden kann, so fragt man sich unwillkürlich, wohin wird es mit der
öffentlichen Sicherheit kommen, die bei der immer mehr und mehr an¬
schwellenden Masse von Verbrechen schon jetzt nur mühsam aufrecht er¬
halten wird?

— In dem Cabinette von Augsburg scheint eine Ministerkrisis vorge¬
gangen zu sein; Herr Altenhöfer hat sein Portefeuille niedergelegt, oder
richtiger gesagt, er hat seinen Namen von der Mitunterzeichnung des Blattes
zurückgezogen. Man will dieses mit den Londoner Ereignissen in Verbindung
bringen. Die „ehrlichen" Deutschen im perfiden Albion, die Londoner Zeitung,
hat vor Kurzem einen alten etwas demagogischen Brief des Hrn. Altenhöfer
ausgegraben und einige noch perfidere deutsche Blätter am Rheine haben
diese Geschichte in der gehässigsten Weise ausgebeutet. Ob dieses wirklich
mit dem erwähnten Rücktritt in Verbindung steht, wissen wir nicht zu
entscheiden. Die Thatsache ist, daß Herr Altenhöfer nach wie vor die
Redaction des englischen Artikels besorgt. Der eigentliche Redacteur en
et,v5 ist von jeher Dr. Kolb gewesen und die Aenderung in der Signatur
ist somit auf das Blatt selbst von keinem Einflüsse.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig« — Redacteur I. Knranda.
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[0364] wohl kaum, welch eine feindliche Macht in^der neuen Erfindung, die dem Dampf der Eisenbahnen, dem elektrischen Telegraphen an Wichtig¬ keit gleich kommt, gegen sie aufwächst. Wahrlich, an tausend Zeichen laßt sich's erkennen, daß die alten socialen Verhältnisse untergraben sind. Jeder Tag bringt eine neue Waffe in die Hände der unterdrückten Ge¬ sellschaftsclassen, jeder Tag entführt ein Schutzmittel Denjenigen, die auf ihr Privilegium, auf ihre Geburt und auf ihre Uebermacht pochen. Be¬ trachten wir nur flüchtig die erschreckenden Folgen, welche mit der neuen Erfindung verbunden sind. Geben Sie mir, werther Leser, diesen halben Bogen der Grenzboten, den Sie so eben in der Hand halten und in zwei Stunden will ich ihn in ein Pergament verwandeln, mit welchem Sie, wenn Sie es in 10 gleiche Stücke schneiden, ein hundert und fünf¬ zig Flintenschüsse thun können. Und doch würde es nur einige Pfennige kosten, um diese Umwandlung zu bewerkstelligen, welche obendrein so leicht ist, daß Jeder von Ihnen, der das kleine Geheimniß erlernt hat, es so¬ gleich ausüben kann. Mit anderen Worten, mit einem Ries Papier und zwei Seidel concentrirter Salpetersaure ist man in 24 Stunden in den Stand gesetzt 90,000 Flintenschüsse zu machen. Gesetzt, es käme Herrn von Eotta in den Sinn, sämmtliche Exemplare einer einzigen Nummer der allgemeinen Zeitung in Salpetersaure tauchen zu lassen, und am andern Morgen gäbe es in Deutschland Pulver genug, um ganz Europa damit in die Luft zu sprengen. Bedenkt man, daß ein Schuß dieser Art nur ein sehr geringes Geräusch hervorbringt, daßjkein verrätheri- scher Rauch seine That andeutet, bedenkt man, daß ein kleines Taschen- pistol durch das neue Pulver zu einer Sicherheit und Kraft des Schusses gelangt, daß auf fünfzig Schritte ein Mensch unfehlbar dadurch getödtet werden kann, so fragt man sich unwillkürlich, wohin wird es mit der öffentlichen Sicherheit kommen, die bei der immer mehr und mehr an¬ schwellenden Masse von Verbrechen schon jetzt nur mühsam aufrecht er¬ halten wird? — In dem Cabinette von Augsburg scheint eine Ministerkrisis vorge¬ gangen zu sein; Herr Altenhöfer hat sein Portefeuille niedergelegt, oder richtiger gesagt, er hat seinen Namen von der Mitunterzeichnung des Blattes zurückgezogen. Man will dieses mit den Londoner Ereignissen in Verbindung bringen. Die „ehrlichen" Deutschen im perfiden Albion, die Londoner Zeitung, hat vor Kurzem einen alten etwas demagogischen Brief des Hrn. Altenhöfer ausgegraben und einige noch perfidere deutsche Blätter am Rheine haben diese Geschichte in der gehässigsten Weise ausgebeutet. Ob dieses wirklich mit dem erwähnten Rücktritt in Verbindung steht, wissen wir nicht zu entscheiden. Die Thatsache ist, daß Herr Altenhöfer nach wie vor die Redaction des englischen Artikels besorgt. Der eigentliche Redacteur en et,v5 ist von jeher Dr. Kolb gewesen und die Aenderung in der Signatur ist somit auf das Blatt selbst von keinem Einflüsse. Verlag von Fr. Ludw. Herbig« — Redacteur I. Knranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/364>, abgerufen am 28.04.2024.