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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Alter den anhaltendsten Fleiß auf eine immer höhere Vollendung seiner
Sprache."

Da Hr. W., wenn ich nicht irre, an der Frankfurter Schule den
Unterricht im Deutschen ertheilt und den Damen Vorlesungen über
deutsche Literatur halt, auch Mitglied der alle witzigen und geistreichen
Köpfe Frankfurts in sich vereinigenden Gelehrtengesellschaft "Ganges"
ist, so wird er ohne unser Zuthun die sprachliche Unverständlichkeit des
Satzes verstehen, wie Goethe den Augiasstall der deutschen Sprache nicht
ohne den mit eingedrungenen gewaltigen Strom des Genies gereinigt
haben würde. Dagegen erfahren wir aus der angeführten Stelle nicht
nur, daß G. in seinem Alter besser schrieb als früher, daß also im zweiten
Theil des Faust und den Wanderjahren eine höhere Vollendung der
Sprache zu finden sei, als im ersten Theil und den Lehrjahren, sondern
Hr. W. belehrt uns auch, daß nach den Klopstock, den Lessing, daß,
nachdem die Wielande, die Herder u. s. f. lange vor Goethe mit
Ruhm und Erfolg gewirkt hatten, doch noch so gut wie nichts ge¬
schehen war, und daß sein mythologischer Hercules nach dem Auftreten
jener "schwerfälligen, reizlosen" Schriftsteller den Augiasstall des Hrn.
W. noch erst zu reinigen gehabt. Wie haben sich also diejenigen ge¬
irrt, welche bisher der Meinung waren, daß G. den Acker vorbereitet
fand und finden mußte, welchen er befruchten sollte!

Die zweite Stelle, die wir anführen wollten, findet sich in der
Vorrede, wo Hr. W. u. a. sagt: "--,-- Und indem ich nun zu dem
aus seiner Selbstbiographie wie aus dem unendlichen Reichthum seiner
Geisteöwerke hinreichend Bekannten noch Einiges aus einer Zeit hinzu¬
füge, von.der außer der vortrefflichen Schilderung, die er uns aus
den ersten Büchern aus seinem Leben vor Augen geführt" (eine Schil¬
derung vor Augen führen; aus den ersten Büchern aus seinem Leben!),
"durchaus keine Belege bis jetzt vorhanden sind, so hoffe ich dadurch
beweisen zu können, daß schon der Knabe diesen Spruch (Gebraucht
die Zeit, sie geht so schnell von hinnen, doch Ordnung lehrt euch Zeit
gewinnen) beständig vor Augen hatte. -- -- Jeder, der mit Liebe der
großen Geister seines Volkes gedenkt und sinnig und ernst dem Gang
ihrer Entwicklung folgte,---wird gern mit mir zurückgehen in die
Knabenjahre unsers größten Dichters und mit freudigem Erstaunen er¬
kennen, wie er in den Jahren, wo gewöhnlich kaum noch die ersten
Kinderschuhe ausgetreten sind, in regster Selbstthätigkeit sich schon einen
eignen Weg anbahnte und im Drange des Genies das tausendgestal-
tige Leben zu erfassen versuchte.--Und ist es erfreulich, recht oft


Alter den anhaltendsten Fleiß auf eine immer höhere Vollendung seiner
Sprache."

Da Hr. W., wenn ich nicht irre, an der Frankfurter Schule den
Unterricht im Deutschen ertheilt und den Damen Vorlesungen über
deutsche Literatur halt, auch Mitglied der alle witzigen und geistreichen
Köpfe Frankfurts in sich vereinigenden Gelehrtengesellschaft „Ganges"
ist, so wird er ohne unser Zuthun die sprachliche Unverständlichkeit des
Satzes verstehen, wie Goethe den Augiasstall der deutschen Sprache nicht
ohne den mit eingedrungenen gewaltigen Strom des Genies gereinigt
haben würde. Dagegen erfahren wir aus der angeführten Stelle nicht
nur, daß G. in seinem Alter besser schrieb als früher, daß also im zweiten
Theil des Faust und den Wanderjahren eine höhere Vollendung der
Sprache zu finden sei, als im ersten Theil und den Lehrjahren, sondern
Hr. W. belehrt uns auch, daß nach den Klopstock, den Lessing, daß,
nachdem die Wielande, die Herder u. s. f. lange vor Goethe mit
Ruhm und Erfolg gewirkt hatten, doch noch so gut wie nichts ge¬
schehen war, und daß sein mythologischer Hercules nach dem Auftreten
jener „schwerfälligen, reizlosen" Schriftsteller den Augiasstall des Hrn.
W. noch erst zu reinigen gehabt. Wie haben sich also diejenigen ge¬
irrt, welche bisher der Meinung waren, daß G. den Acker vorbereitet
fand und finden mußte, welchen er befruchten sollte!

Die zweite Stelle, die wir anführen wollten, findet sich in der
Vorrede, wo Hr. W. u. a. sagt: „—,— Und indem ich nun zu dem
aus seiner Selbstbiographie wie aus dem unendlichen Reichthum seiner
Geisteöwerke hinreichend Bekannten noch Einiges aus einer Zeit hinzu¬
füge, von.der außer der vortrefflichen Schilderung, die er uns aus
den ersten Büchern aus seinem Leben vor Augen geführt" (eine Schil¬
derung vor Augen führen; aus den ersten Büchern aus seinem Leben!),
„durchaus keine Belege bis jetzt vorhanden sind, so hoffe ich dadurch
beweisen zu können, daß schon der Knabe diesen Spruch (Gebraucht
die Zeit, sie geht so schnell von hinnen, doch Ordnung lehrt euch Zeit
gewinnen) beständig vor Augen hatte. — — Jeder, der mit Liebe der
großen Geister seines Volkes gedenkt und sinnig und ernst dem Gang
ihrer Entwicklung folgte,---wird gern mit mir zurückgehen in die
Knabenjahre unsers größten Dichters und mit freudigem Erstaunen er¬
kennen, wie er in den Jahren, wo gewöhnlich kaum noch die ersten
Kinderschuhe ausgetreten sind, in regster Selbstthätigkeit sich schon einen
eignen Weg anbahnte und im Drange des Genies das tausendgestal-
tige Leben zu erfassen versuchte.--Und ist es erfreulich, recht oft


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[0038] Alter den anhaltendsten Fleiß auf eine immer höhere Vollendung seiner Sprache." Da Hr. W., wenn ich nicht irre, an der Frankfurter Schule den Unterricht im Deutschen ertheilt und den Damen Vorlesungen über deutsche Literatur halt, auch Mitglied der alle witzigen und geistreichen Köpfe Frankfurts in sich vereinigenden Gelehrtengesellschaft „Ganges" ist, so wird er ohne unser Zuthun die sprachliche Unverständlichkeit des Satzes verstehen, wie Goethe den Augiasstall der deutschen Sprache nicht ohne den mit eingedrungenen gewaltigen Strom des Genies gereinigt haben würde. Dagegen erfahren wir aus der angeführten Stelle nicht nur, daß G. in seinem Alter besser schrieb als früher, daß also im zweiten Theil des Faust und den Wanderjahren eine höhere Vollendung der Sprache zu finden sei, als im ersten Theil und den Lehrjahren, sondern Hr. W. belehrt uns auch, daß nach den Klopstock, den Lessing, daß, nachdem die Wielande, die Herder u. s. f. lange vor Goethe mit Ruhm und Erfolg gewirkt hatten, doch noch so gut wie nichts ge¬ schehen war, und daß sein mythologischer Hercules nach dem Auftreten jener „schwerfälligen, reizlosen" Schriftsteller den Augiasstall des Hrn. W. noch erst zu reinigen gehabt. Wie haben sich also diejenigen ge¬ irrt, welche bisher der Meinung waren, daß G. den Acker vorbereitet fand und finden mußte, welchen er befruchten sollte! Die zweite Stelle, die wir anführen wollten, findet sich in der Vorrede, wo Hr. W. u. a. sagt: „—,— Und indem ich nun zu dem aus seiner Selbstbiographie wie aus dem unendlichen Reichthum seiner Geisteöwerke hinreichend Bekannten noch Einiges aus einer Zeit hinzu¬ füge, von.der außer der vortrefflichen Schilderung, die er uns aus den ersten Büchern aus seinem Leben vor Augen geführt" (eine Schil¬ derung vor Augen führen; aus den ersten Büchern aus seinem Leben!), „durchaus keine Belege bis jetzt vorhanden sind, so hoffe ich dadurch beweisen zu können, daß schon der Knabe diesen Spruch (Gebraucht die Zeit, sie geht so schnell von hinnen, doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen) beständig vor Augen hatte. — — Jeder, der mit Liebe der großen Geister seines Volkes gedenkt und sinnig und ernst dem Gang ihrer Entwicklung folgte,---wird gern mit mir zurückgehen in die Knabenjahre unsers größten Dichters und mit freudigem Erstaunen er¬ kennen, wie er in den Jahren, wo gewöhnlich kaum noch die ersten Kinderschuhe ausgetreten sind, in regster Selbstthätigkeit sich schon einen eignen Weg anbahnte und im Drange des Genies das tausendgestal- tige Leben zu erfassen versuchte.--Und ist es erfreulich, recht oft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/38>, abgerufen am 21.05.2024.