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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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ueiguug zum Anschluß an den Zollverein, wenigstens zur Einführung einer gemein¬
samen deutschen Schifffahrtsacte und einer deutschen Flagge, alles Dinge, worü¬
ber man in Hamburg spöttisch die Achsel zuckt, geschehen nicht aus Hingebung für
das gemeinsame Varerlaud, wie mau es oft ausposaunet, sondern weil die Bre¬
mer recht gut wissen, daß sie selbst den meisten Vortheil von alle dem haben
werden. Und weil unser Aller Vortheil jetzt mit dem von Bremen Hand in
Hand geht, und wir gemeinsame Zwecke mit einander verfolgen, darum wird jetzt
diese Stadt fast von der gesammten deutschen Presse so sehr gepriesen, und mit
Recht Hamburg als Muster dargestellt. Bremen hat jetzt, ohne das geringste
Opfer dafür zu bringen, die Sympathie von Deutschland für sich gewonnen, und
was ihm dies noch alles für Vortheile gewähren kann, wird erst die nächste Zeit
lehren.

In Bezug auf seine Nhedcrei hat Bremen ein großes Uebergewicht über alle
andern deutschen Seestaaten, und zeichnet sich sowol in qualitativer als in quan-
titativer Hinsicht ungemein aus. Solche zweckmäßige, große und dabei elegant
erbaute Schiffe, solch' tüchtige, gebildete, einfach verständige Capitäne und wackere,
geschickte Matrosen sind selten. Diese Rhederei ist aber auch der Stolz von Bremen, sein
Steckenpferd, und es versteht auch meisterhaft, viel davon sprechen zu machen und die
allgemeine Sympathie in Deutschland dafür zu erregen, und wenn es Schiffe mit dem
Namen Schiller, Goethe und Alexander v. Humboldt ziert, wenn es in letzter Zeit
einen Itzstein und Hecker, einen v. Beckerath vom Stapel laufen ließ, ein v. Vincke
auf der Werste liegen hat, so ist dies ganz hübsch von ihm, und wir Deutschen
thun recht daran, uns darüber zu freuen und es in unseren Zeitungen zu loben.
In den Hamburger Hafeulistcn liest man mehr als zu oft uoch immer die Namen:
"John Bull" und "Queen of Scotland" und "De Beurs von Amsterdam" und
"Willem de Ecrste" und "Havre de Grace", was beweiset, wie sehr diese Stadt
sich die Dampfschisssverbindung hat aus den Händen winden lassen. Freilich fährt
von Nein-Uork nach Bremen zur Zeit erst ein "Washington", dem aber in nächster
Zeit doch schon ein "Herrmann" folgen wird. --

Dies ist die flüchtige Skizze unserer drei Hansestädte in ihrer eigenthümlichen
Stellung zum übrigen Deutschland. Es sind interessante Städte, denn sie haben
alle einen bestimmten, wenn gleich uuter sich verschiedenen Charakter. Lübeck ist
die Vergangenheit, Hamburg die Gegenwart, Bremen die Zukunft.

Lübeck gleicht einer stillen, ernsten Matrone, der man noch jetzt es ansteht,
welche reiche Vergangenheit ihr einst geblüht, wie sehr sie dieselbe früher benutzt,
und mit welcher edlen Resignation sie jetzt die unvermeidlichen Gebrechen des
Alters trägt; trotzdem daß sie wenig Anziehendes mehr hat, weilt man doch noch
gerne mit ihr und plaudert vou früheren Zeiten.

Hamburg ist eine schöne, üppige Fran, in der vollen Reife der Jahre, Lebenslust
lacht aus ihren Blicken, Genuß winkt aus ihren Zügen. Sie ist ihres Sieges nur


ueiguug zum Anschluß an den Zollverein, wenigstens zur Einführung einer gemein¬
samen deutschen Schifffahrtsacte und einer deutschen Flagge, alles Dinge, worü¬
ber man in Hamburg spöttisch die Achsel zuckt, geschehen nicht aus Hingebung für
das gemeinsame Varerlaud, wie mau es oft ausposaunet, sondern weil die Bre¬
mer recht gut wissen, daß sie selbst den meisten Vortheil von alle dem haben
werden. Und weil unser Aller Vortheil jetzt mit dem von Bremen Hand in
Hand geht, und wir gemeinsame Zwecke mit einander verfolgen, darum wird jetzt
diese Stadt fast von der gesammten deutschen Presse so sehr gepriesen, und mit
Recht Hamburg als Muster dargestellt. Bremen hat jetzt, ohne das geringste
Opfer dafür zu bringen, die Sympathie von Deutschland für sich gewonnen, und
was ihm dies noch alles für Vortheile gewähren kann, wird erst die nächste Zeit
lehren.

In Bezug auf seine Nhedcrei hat Bremen ein großes Uebergewicht über alle
andern deutschen Seestaaten, und zeichnet sich sowol in qualitativer als in quan-
titativer Hinsicht ungemein aus. Solche zweckmäßige, große und dabei elegant
erbaute Schiffe, solch' tüchtige, gebildete, einfach verständige Capitäne und wackere,
geschickte Matrosen sind selten. Diese Rhederei ist aber auch der Stolz von Bremen, sein
Steckenpferd, und es versteht auch meisterhaft, viel davon sprechen zu machen und die
allgemeine Sympathie in Deutschland dafür zu erregen, und wenn es Schiffe mit dem
Namen Schiller, Goethe und Alexander v. Humboldt ziert, wenn es in letzter Zeit
einen Itzstein und Hecker, einen v. Beckerath vom Stapel laufen ließ, ein v. Vincke
auf der Werste liegen hat, so ist dies ganz hübsch von ihm, und wir Deutschen
thun recht daran, uns darüber zu freuen und es in unseren Zeitungen zu loben.
In den Hamburger Hafeulistcn liest man mehr als zu oft uoch immer die Namen:
„John Bull" und „Queen of Scotland" und „De Beurs von Amsterdam" und
»Willem de Ecrste" und „Havre de Grace", was beweiset, wie sehr diese Stadt
sich die Dampfschisssverbindung hat aus den Händen winden lassen. Freilich fährt
von Nein-Uork nach Bremen zur Zeit erst ein „Washington", dem aber in nächster
Zeit doch schon ein „Herrmann" folgen wird. —

Dies ist die flüchtige Skizze unserer drei Hansestädte in ihrer eigenthümlichen
Stellung zum übrigen Deutschland. Es sind interessante Städte, denn sie haben
alle einen bestimmten, wenn gleich uuter sich verschiedenen Charakter. Lübeck ist
die Vergangenheit, Hamburg die Gegenwart, Bremen die Zukunft.

Lübeck gleicht einer stillen, ernsten Matrone, der man noch jetzt es ansteht,
welche reiche Vergangenheit ihr einst geblüht, wie sehr sie dieselbe früher benutzt,
und mit welcher edlen Resignation sie jetzt die unvermeidlichen Gebrechen des
Alters trägt; trotzdem daß sie wenig Anziehendes mehr hat, weilt man doch noch
gerne mit ihr und plaudert vou früheren Zeiten.

Hamburg ist eine schöne, üppige Fran, in der vollen Reife der Jahre, Lebenslust
lacht aus ihren Blicken, Genuß winkt aus ihren Zügen. Sie ist ihres Sieges nur


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[0383] ueiguug zum Anschluß an den Zollverein, wenigstens zur Einführung einer gemein¬ samen deutschen Schifffahrtsacte und einer deutschen Flagge, alles Dinge, worü¬ ber man in Hamburg spöttisch die Achsel zuckt, geschehen nicht aus Hingebung für das gemeinsame Varerlaud, wie mau es oft ausposaunet, sondern weil die Bre¬ mer recht gut wissen, daß sie selbst den meisten Vortheil von alle dem haben werden. Und weil unser Aller Vortheil jetzt mit dem von Bremen Hand in Hand geht, und wir gemeinsame Zwecke mit einander verfolgen, darum wird jetzt diese Stadt fast von der gesammten deutschen Presse so sehr gepriesen, und mit Recht Hamburg als Muster dargestellt. Bremen hat jetzt, ohne das geringste Opfer dafür zu bringen, die Sympathie von Deutschland für sich gewonnen, und was ihm dies noch alles für Vortheile gewähren kann, wird erst die nächste Zeit lehren. In Bezug auf seine Nhedcrei hat Bremen ein großes Uebergewicht über alle andern deutschen Seestaaten, und zeichnet sich sowol in qualitativer als in quan- titativer Hinsicht ungemein aus. Solche zweckmäßige, große und dabei elegant erbaute Schiffe, solch' tüchtige, gebildete, einfach verständige Capitäne und wackere, geschickte Matrosen sind selten. Diese Rhederei ist aber auch der Stolz von Bremen, sein Steckenpferd, und es versteht auch meisterhaft, viel davon sprechen zu machen und die allgemeine Sympathie in Deutschland dafür zu erregen, und wenn es Schiffe mit dem Namen Schiller, Goethe und Alexander v. Humboldt ziert, wenn es in letzter Zeit einen Itzstein und Hecker, einen v. Beckerath vom Stapel laufen ließ, ein v. Vincke auf der Werste liegen hat, so ist dies ganz hübsch von ihm, und wir Deutschen thun recht daran, uns darüber zu freuen und es in unseren Zeitungen zu loben. In den Hamburger Hafeulistcn liest man mehr als zu oft uoch immer die Namen: „John Bull" und „Queen of Scotland" und „De Beurs von Amsterdam" und »Willem de Ecrste" und „Havre de Grace", was beweiset, wie sehr diese Stadt sich die Dampfschisssverbindung hat aus den Händen winden lassen. Freilich fährt von Nein-Uork nach Bremen zur Zeit erst ein „Washington", dem aber in nächster Zeit doch schon ein „Herrmann" folgen wird. — Dies ist die flüchtige Skizze unserer drei Hansestädte in ihrer eigenthümlichen Stellung zum übrigen Deutschland. Es sind interessante Städte, denn sie haben alle einen bestimmten, wenn gleich uuter sich verschiedenen Charakter. Lübeck ist die Vergangenheit, Hamburg die Gegenwart, Bremen die Zukunft. Lübeck gleicht einer stillen, ernsten Matrone, der man noch jetzt es ansteht, welche reiche Vergangenheit ihr einst geblüht, wie sehr sie dieselbe früher benutzt, und mit welcher edlen Resignation sie jetzt die unvermeidlichen Gebrechen des Alters trägt; trotzdem daß sie wenig Anziehendes mehr hat, weilt man doch noch gerne mit ihr und plaudert vou früheren Zeiten. Hamburg ist eine schöne, üppige Fran, in der vollen Reife der Jahre, Lebenslust lacht aus ihren Blicken, Genuß winkt aus ihren Zügen. Sie ist ihres Sieges nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/383>, abgerufen am 17.06.2024.