Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.und seine Bundesgenossen das Knie vor dem Gotte beugten, dessen Altäre sie Aber die "Mutter" Gerechtigkeit und der "Vater" Recht werden Mit¬ und seine Bundesgenossen das Knie vor dem Gotte beugten, dessen Altäre sie Aber die „Mutter" Gerechtigkeit und der „Vater" Recht werden Mit¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272038"/> <p xml:id="ID_509" prev="#ID_508"> und seine Bundesgenossen das Knie vor dem Gotte beugten, dessen Altäre sie<lb/> zerstörten, führt Hrn. Michelet zu der Phrase! „O meine Väter, v meine<lb/> Brüder, Voltaire, Molivre', Rabelais, geliebten Freunde meines Gedankens, seid<lb/> Ihr es, die ich dort sehe, zitternd, bebend, lächerlich, in trauriger Verkleidung.<lb/> sublime Genies, die Ihr den Beruf übernommen, den Gedanken Gottes weiter<lb/> zu tragen, Ihr habt also ebenfalls für uns das unförmliche (?) Märtyrthum über¬<lb/> nommen, die Lustigmachcr der Furcht zu sein?" — Ich führe diese Phrase an, denn<lb/> in ihr gehen der wahre Gedanke und die überschwängliche Sprache sehr schlagend<lb/> Hand in Hand und bezeichnen so die Art des Verfassers. Ebenso charakteristisch<lb/> ist eine andere, in der er die Ansicht der Philosophen des ! 8. Jahrhunderts zu<lb/> der seinigen macht: „Euer Gesammtwillc --- ruft er der Welt und den Völkern<lb/> zu — ist die Vernunft selbst. -.....- Mit andern Worten: Ihr seid Gott! Und<lb/> wer, ohne zu glauben, Gott zu sein, konnte etwas Großes thun! — An dem<lb/> Tage könnt Ihr ruhig die Brücke von Nrcola passiren; an dem Tage reißt man<lb/> sich, im Namen der Pflicht, seine theuerste Liebe, sei» Herz aus. Seien wir<lb/> also Gott! Das Unmögliche wird dann möglich und leicht. Eine Welt umzu¬<lb/> stürzen, ist dann wenig; aber man schafft dann eine Welt." — Und in dieser<lb/> Art geht es weiter, bis endlich die Revolution kommt. Und als er gleich zu<lb/> Anfang die Bastille erstürmt hat, verliert er alsbald den Kops und zwar weil<lb/> er sieht, daß „inne l'el»ni<; 8v but In, si^eilte!" und so ruft er aus: „O!<lb/> Frankreich, du bist gerettet. O! Welt, du bist gerettet! Ich sehe am Himmel<lb/> meine junge Flamme, auf die ich so lange hoffte, das Licht der Johanna von<lb/> Orleans. — Was liegt daran, daß das Mädchen — ein junger Mann geworden,<lb/> Hoche, Marceau, Zaudert, Kleber!" Dies Wunder, das aus der Jungfrau ein<lb/> halb Dutzend Kcrnbnrschcn gemacht hat, stimmt ihn dann ganz mild und religiös,<lb/> und so hebt er eine Hymne an und singt: „Gerechtigkeit, dn meine Mutter,<lb/> Recht, du mein Vater, die ihr Eins seid mit Gott! — Denn auf wem soll<lb/> ich mich berufen, mich, Einer des großen Haufens, Einer von denen, die nnter<lb/> zehn Millionen Menschen geboren wurden, welche nie geboren worden wären —<lb/> ohne unsere Revolution. Verzeihe mir, Gerechtigkeit, ich habe dich für ernst<lb/> und strenge gehalten und ich habe nicht eher gesehen, daß du dieselbe Sache<lb/> bist, wie die Liebe und die Gnade!" Dieser Schlnßgedankc stößt dann<lb/> wieder das ganze System, auf das Hr. Michelet „seine Revolution" baut, um;<lb/> denn wenn am Ende die Gnade und die Liebe doch wieder nichts als die Ge¬<lb/> rechtigkeit sind, so begreift sich schwer, wozu die Revolution nöthig war, um<lb/> von der vorrevolutionären und christlichen Gnade und Liebe, zur revolutionairen<lb/> rend philosophischen Gerechtigkeit zu gelangen. Wahrlich, hätte die Revolution<lb/> keine andern Vertheidiger als ihren „Sohn" Hrn. Michelet, so würde sie, die<lb/> als Monument nichts als die „Leere" hinterlassen und die der Gnade und Liebe<lb/> nur einen andern Namen gegeben hat, sicher vor dem Gerichte der Menschheit<lb/> schlecht genug wegkommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_510" next="#ID_511"> Aber die „Mutter" Gerechtigkeit und der „Vater" Recht werden Mit¬<lb/> leiden mit ihrem armen Sohne haben und Gnade für Recht ergehen lassen.<lb/> Er thut ja sein bestes und meint es so gut. An ein paar Stellen genügt auch<lb/> dieser gute Wille, um ein halbwegs leidliches Ergebniß z» erlangen. Hr. Michelet</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
und seine Bundesgenossen das Knie vor dem Gotte beugten, dessen Altäre sie
zerstörten, führt Hrn. Michelet zu der Phrase! „O meine Väter, v meine
Brüder, Voltaire, Molivre', Rabelais, geliebten Freunde meines Gedankens, seid
Ihr es, die ich dort sehe, zitternd, bebend, lächerlich, in trauriger Verkleidung.
sublime Genies, die Ihr den Beruf übernommen, den Gedanken Gottes weiter
zu tragen, Ihr habt also ebenfalls für uns das unförmliche (?) Märtyrthum über¬
nommen, die Lustigmachcr der Furcht zu sein?" — Ich führe diese Phrase an, denn
in ihr gehen der wahre Gedanke und die überschwängliche Sprache sehr schlagend
Hand in Hand und bezeichnen so die Art des Verfassers. Ebenso charakteristisch
ist eine andere, in der er die Ansicht der Philosophen des ! 8. Jahrhunderts zu
der seinigen macht: „Euer Gesammtwillc --- ruft er der Welt und den Völkern
zu — ist die Vernunft selbst. -.....- Mit andern Worten: Ihr seid Gott! Und
wer, ohne zu glauben, Gott zu sein, konnte etwas Großes thun! — An dem
Tage könnt Ihr ruhig die Brücke von Nrcola passiren; an dem Tage reißt man
sich, im Namen der Pflicht, seine theuerste Liebe, sei» Herz aus. Seien wir
also Gott! Das Unmögliche wird dann möglich und leicht. Eine Welt umzu¬
stürzen, ist dann wenig; aber man schafft dann eine Welt." — Und in dieser
Art geht es weiter, bis endlich die Revolution kommt. Und als er gleich zu
Anfang die Bastille erstürmt hat, verliert er alsbald den Kops und zwar weil
er sieht, daß „inne l'el»ni<; 8v but In, si^eilte!" und so ruft er aus: „O!
Frankreich, du bist gerettet. O! Welt, du bist gerettet! Ich sehe am Himmel
meine junge Flamme, auf die ich so lange hoffte, das Licht der Johanna von
Orleans. — Was liegt daran, daß das Mädchen — ein junger Mann geworden,
Hoche, Marceau, Zaudert, Kleber!" Dies Wunder, das aus der Jungfrau ein
halb Dutzend Kcrnbnrschcn gemacht hat, stimmt ihn dann ganz mild und religiös,
und so hebt er eine Hymne an und singt: „Gerechtigkeit, dn meine Mutter,
Recht, du mein Vater, die ihr Eins seid mit Gott! — Denn auf wem soll
ich mich berufen, mich, Einer des großen Haufens, Einer von denen, die nnter
zehn Millionen Menschen geboren wurden, welche nie geboren worden wären —
ohne unsere Revolution. Verzeihe mir, Gerechtigkeit, ich habe dich für ernst
und strenge gehalten und ich habe nicht eher gesehen, daß du dieselbe Sache
bist, wie die Liebe und die Gnade!" Dieser Schlnßgedankc stößt dann
wieder das ganze System, auf das Hr. Michelet „seine Revolution" baut, um;
denn wenn am Ende die Gnade und die Liebe doch wieder nichts als die Ge¬
rechtigkeit sind, so begreift sich schwer, wozu die Revolution nöthig war, um
von der vorrevolutionären und christlichen Gnade und Liebe, zur revolutionairen
rend philosophischen Gerechtigkeit zu gelangen. Wahrlich, hätte die Revolution
keine andern Vertheidiger als ihren „Sohn" Hrn. Michelet, so würde sie, die
als Monument nichts als die „Leere" hinterlassen und die der Gnade und Liebe
nur einen andern Namen gegeben hat, sicher vor dem Gerichte der Menschheit
schlecht genug wegkommen.
Aber die „Mutter" Gerechtigkeit und der „Vater" Recht werden Mit¬
leiden mit ihrem armen Sohne haben und Gnade für Recht ergehen lassen.
Er thut ja sein bestes und meint es so gut. An ein paar Stellen genügt auch
dieser gute Wille, um ein halbwegs leidliches Ergebniß z» erlangen. Hr. Michelet
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