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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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bereits zu wiederholte" Malen Anstoß gelitten, ich bin in der Ausübung meines
ruhigen, rein ans die Ausgabe der Kunst hinauslaufenden Strebens, ich bin in
der Begründung meiner Existenz und Zukunft gehindert worden! -- und dieses
ist's, was mich hier nöthigt, mich und meine Kunstgenossen vor der Welt zu recht¬
fertigen, indem ich beweise, wie etwelche Herren, deren Geiste unsere Kunst
anvertraut ist, die Sachen der wirklichen Kunst offenbar weder begreifen, noch
begreifen wollen.

Nach der Lage der Dinge ist die Vervielfältigung durch den Kupferstich der
einzige größere Gewinn, den der deutsche Maler mit Zuversicht aus einem Histo¬
rienbild zieht. Einzelne Stellen eines Historienbildes aber können nie und nim¬
mer gestrichen werden, ohne das Ganze gradezu aufzuheben. Dem Schriftsteller
wird die Lücke im Text wenigstens äußerlich vom Setzer durch Zusammenrücken
der Zeilen ausgefüllt; nicht so duldet's eine künstlerische Komposition eine Figur
durch irgend eine beliebige andere zu ersetzen, oder den Fleck leer zu lassen. Doch
dies Alles wären nur Kleinigkeiten: ich will blos von der Hauptsache reden.
Keine Kunst ohne Nationalität! --- Welcher vernünftiger Mensch wird es dem
Künstler verargen, wenn dieser zum Vorwürfe seiner Kunst die Geschichte seines
Vaterlandes wählt? -- Und doch! -- So sehr wir alle Tcudeuzkunst verachten
und vermeiden, so sehr verwahren wir uns ein für alle Mal vor jeden korrigi-
renden Dareinreden in unsere historischen Stoffe, die der ruhigen Vergangenheit
angehören und über die die Acten längst geschlossen sind. Der Geschichtsmaler
ist Geschichtsschreiber, und die Weltgeschichte ist das Weltgericht. So denke ich
z. B. ist die Darstellung eines für die individuelle Meinung zu Tode gehenden
Mannes heutzutage eben kein Stoff, der so ferne liegt. Nach einem zwei Jahre
langen unter den größten Entbehrungen durchgekämpften und, (ich sage es jetzt
nicht ohne Stolz) ohne Mäcen fortgesetzten Bemühen entstand mein großes Oehl-
gemäldc Hicrvnimus von Prag (auf seinem Wege zum Scheiterhaufen, knieet be¬
tend nieder an der Stelle, wo sein Freund Hufi verbrannt wurde) dieses mein
Bild darf weder ausgestellt, uoch lithographirt, noch angezeigt werden --!!!
Ich frage jetzt, doch nein, ich fulga Nichts mehr; ich hoffe blos, man wird im
Auslande einsehen, daß bei uns in Oesterreich eine historische Kunst, nicht nur
durch die Schuld der Künstler unmöglich ist. 1i,!8in""!i ES stehen hier dem
Künstler drei Wege offen, entweder dem Vaterlande oder der Kunst "liivu zu
sagen, oder -- - --.

Da man jedoch die Hoffnung nicht ganz aufgeben soll, so bin ich also so
frei, im Angesichte Deutschlands um baldige bedeutende Erleichterung in Sachen
der Bildcrcensur für uns Alle ganz ergebenst und gehorsamst aber dringendst zu
bitten und jene "Petition" zu ergänzen.


wi";. Fieglander, Historienmaler-.


Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur: I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrä.

bereits zu wiederholte» Malen Anstoß gelitten, ich bin in der Ausübung meines
ruhigen, rein ans die Ausgabe der Kunst hinauslaufenden Strebens, ich bin in
der Begründung meiner Existenz und Zukunft gehindert worden! — und dieses
ist's, was mich hier nöthigt, mich und meine Kunstgenossen vor der Welt zu recht¬
fertigen, indem ich beweise, wie etwelche Herren, deren Geiste unsere Kunst
anvertraut ist, die Sachen der wirklichen Kunst offenbar weder begreifen, noch
begreifen wollen.

Nach der Lage der Dinge ist die Vervielfältigung durch den Kupferstich der
einzige größere Gewinn, den der deutsche Maler mit Zuversicht aus einem Histo¬
rienbild zieht. Einzelne Stellen eines Historienbildes aber können nie und nim¬
mer gestrichen werden, ohne das Ganze gradezu aufzuheben. Dem Schriftsteller
wird die Lücke im Text wenigstens äußerlich vom Setzer durch Zusammenrücken
der Zeilen ausgefüllt; nicht so duldet's eine künstlerische Komposition eine Figur
durch irgend eine beliebige andere zu ersetzen, oder den Fleck leer zu lassen. Doch
dies Alles wären nur Kleinigkeiten: ich will blos von der Hauptsache reden.
Keine Kunst ohne Nationalität! -— Welcher vernünftiger Mensch wird es dem
Künstler verargen, wenn dieser zum Vorwürfe seiner Kunst die Geschichte seines
Vaterlandes wählt? — Und doch! — So sehr wir alle Tcudeuzkunst verachten
und vermeiden, so sehr verwahren wir uns ein für alle Mal vor jeden korrigi-
renden Dareinreden in unsere historischen Stoffe, die der ruhigen Vergangenheit
angehören und über die die Acten längst geschlossen sind. Der Geschichtsmaler
ist Geschichtsschreiber, und die Weltgeschichte ist das Weltgericht. So denke ich
z. B. ist die Darstellung eines für die individuelle Meinung zu Tode gehenden
Mannes heutzutage eben kein Stoff, der so ferne liegt. Nach einem zwei Jahre
langen unter den größten Entbehrungen durchgekämpften und, (ich sage es jetzt
nicht ohne Stolz) ohne Mäcen fortgesetzten Bemühen entstand mein großes Oehl-
gemäldc Hicrvnimus von Prag (auf seinem Wege zum Scheiterhaufen, knieet be¬
tend nieder an der Stelle, wo sein Freund Hufi verbrannt wurde) dieses mein
Bild darf weder ausgestellt, uoch lithographirt, noch angezeigt werden —!!!
Ich frage jetzt, doch nein, ich fulga Nichts mehr; ich hoffe blos, man wird im
Auslande einsehen, daß bei uns in Oesterreich eine historische Kunst, nicht nur
durch die Schuld der Künstler unmöglich ist. 1i,!8in»»!i ES stehen hier dem
Künstler drei Wege offen, entweder dem Vaterlande oder der Kunst »liivu zu
sagen, oder — - —.

Da man jedoch die Hoffnung nicht ganz aufgeben soll, so bin ich also so
frei, im Angesichte Deutschlands um baldige bedeutende Erleichterung in Sachen
der Bildcrcensur für uns Alle ganz ergebenst und gehorsamst aber dringendst zu
bitten und jene „Petition" zu ergänzen.


wi»;. Fieglander, Historienmaler-.


Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur: I. Knranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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[0240] bereits zu wiederholte» Malen Anstoß gelitten, ich bin in der Ausübung meines ruhigen, rein ans die Ausgabe der Kunst hinauslaufenden Strebens, ich bin in der Begründung meiner Existenz und Zukunft gehindert worden! — und dieses ist's, was mich hier nöthigt, mich und meine Kunstgenossen vor der Welt zu recht¬ fertigen, indem ich beweise, wie etwelche Herren, deren Geiste unsere Kunst anvertraut ist, die Sachen der wirklichen Kunst offenbar weder begreifen, noch begreifen wollen. Nach der Lage der Dinge ist die Vervielfältigung durch den Kupferstich der einzige größere Gewinn, den der deutsche Maler mit Zuversicht aus einem Histo¬ rienbild zieht. Einzelne Stellen eines Historienbildes aber können nie und nim¬ mer gestrichen werden, ohne das Ganze gradezu aufzuheben. Dem Schriftsteller wird die Lücke im Text wenigstens äußerlich vom Setzer durch Zusammenrücken der Zeilen ausgefüllt; nicht so duldet's eine künstlerische Komposition eine Figur durch irgend eine beliebige andere zu ersetzen, oder den Fleck leer zu lassen. Doch dies Alles wären nur Kleinigkeiten: ich will blos von der Hauptsache reden. Keine Kunst ohne Nationalität! -— Welcher vernünftiger Mensch wird es dem Künstler verargen, wenn dieser zum Vorwürfe seiner Kunst die Geschichte seines Vaterlandes wählt? — Und doch! — So sehr wir alle Tcudeuzkunst verachten und vermeiden, so sehr verwahren wir uns ein für alle Mal vor jeden korrigi- renden Dareinreden in unsere historischen Stoffe, die der ruhigen Vergangenheit angehören und über die die Acten längst geschlossen sind. Der Geschichtsmaler ist Geschichtsschreiber, und die Weltgeschichte ist das Weltgericht. So denke ich z. B. ist die Darstellung eines für die individuelle Meinung zu Tode gehenden Mannes heutzutage eben kein Stoff, der so ferne liegt. Nach einem zwei Jahre langen unter den größten Entbehrungen durchgekämpften und, (ich sage es jetzt nicht ohne Stolz) ohne Mäcen fortgesetzten Bemühen entstand mein großes Oehl- gemäldc Hicrvnimus von Prag (auf seinem Wege zum Scheiterhaufen, knieet be¬ tend nieder an der Stelle, wo sein Freund Hufi verbrannt wurde) dieses mein Bild darf weder ausgestellt, uoch lithographirt, noch angezeigt werden —!!! Ich frage jetzt, doch nein, ich fulga Nichts mehr; ich hoffe blos, man wird im Auslande einsehen, daß bei uns in Oesterreich eine historische Kunst, nicht nur durch die Schuld der Künstler unmöglich ist. 1i,!8in»»!i ES stehen hier dem Künstler drei Wege offen, entweder dem Vaterlande oder der Kunst »liivu zu sagen, oder — - —. Da man jedoch die Hoffnung nicht ganz aufgeben soll, so bin ich also so frei, im Angesichte Deutschlands um baldige bedeutende Erleichterung in Sachen der Bildcrcensur für uns Alle ganz ergebenst und gehorsamst aber dringendst zu bitten und jene „Petition" zu ergänzen. wi»;. Fieglander, Historienmaler-. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur: I. Knranda. Druck von Friedrich Andrä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/240>, abgerufen am 24.05.2024.