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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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im Farben und Schattirungen haben sich mit einer sehr anerkennenswerten Be¬
reitwilligkeit ihrer Sache angenommen; dieser faule Fleck der preußischen Monar¬
chie muß jetzt zur Sprache kommen, und ich glaube, daß das einzige Mittel, ihn
zu heilen, in der nnnmwuudesten Offenheit besteht. Wir dürfen nicht ewig die
Sünden unserer Väter büßen; die Polen dürfen nicht ewig sich in Träumen wie¬
gen, die ihrer Thätigkeit allen Boden nehmen. Der nächste Vortheil wird der
sein, daß sie erkennen, wir tragen keinen Haß gegen sie, wir suhlen tief, was sie er¬
regt, und wir wollen zu jedem Mittel der Abhülfe bereitwillig die Hand bieten.

Der zweite Punkt ist der Protest, oder die Adresse, oder die Petition, oder
wie der eigentlich legitime Ausdruck ist, das Schriftstück der 137. Es ist
merkwürdig, wie diese Protestanten, indem sie gegen den Willen des Königs pro-
testiren, zugleich mit noch größerer Lebhaftigkeit dagegen protestiren, daß mit die¬
ser Protestation etwas Ernstliches gemeint sein sollte. Die Herreneurie hat er¬
klärt, sie wolle weder an der Berathung darüber Theil nehmen, noch der andern
Enrie das Recht zuerkennen, allein darüber zu berathen. Wenn nun die Pro-
testirenden uicht zu einem heroischen Eoup entschlossen sind, so läßt sich nicht
recht absehen, was daraus werden soll. -- Fürst Lychnowski wollte die Thüren
der Herreneurie den drei Ständen öffnen, aber der Marschall bemerkte, daß
dann Zugluft entstünde, und es ist zu fürchten, daß dieser Zugwind, um
nicht bei den Herren Rheumatismus zu erzeuge", die wohlgemeinte Petition ent¬
führen wird. --

Und nun noch eine Figur: Der unglückselige Janus tobt wie ein Besessener
umher, und ruft ans Leibeskräften: Feuer! Feuer ! die Revolution und die Sünd-
fluth sind vor der Thür! die Jacobiner sind an unserm eigenen Heerd, auch der
König läßt uus in Stich, er hört nicht aus unsern Rath, er läßt die Demagogen
ungestraft umherlaufen! Alles ist verloren! nnr noch Ein Mittel! kauft den Janus!
lauft den Janus!
'

Und über all'diesem Jammer ist es Frühling geworden, sogar in Berlin! der
Thiergarten ist grün und wird bald grau sein, im Odeum sitzt man im Freien,
und läßt sich bei einer kühlen Blonden die Ouvertüre zum Czaar und Zimmer-
mann vorspielen, und in der freien Lust darf noch-immer nicht geraucht werden.


NeuMln.
III.
Tirolische Geschichtschreibung.

Vor ein paar Wochen lag unsrer Landeszeitung, dem bescheidenen "Boten
für Tyrol," eine Anzeige bei, welche die Herausgabe der besten "in der reichen
Fundgrube der Muscalbiblivthek vorhandenen Quellen" für tirolische Geschichte
verspricht. An Büchern, welche unsre Alpen und Thäler, den Charakter und
die Sitten unsres Volkes in's Auge fassen, fehlte es bei uns keineswegs, was
aber "weit mehr zu wünschen wäre," meint das Programm mit einem kaum un-


im Farben und Schattirungen haben sich mit einer sehr anerkennenswerten Be¬
reitwilligkeit ihrer Sache angenommen; dieser faule Fleck der preußischen Monar¬
chie muß jetzt zur Sprache kommen, und ich glaube, daß das einzige Mittel, ihn
zu heilen, in der nnnmwuudesten Offenheit besteht. Wir dürfen nicht ewig die
Sünden unserer Väter büßen; die Polen dürfen nicht ewig sich in Träumen wie¬
gen, die ihrer Thätigkeit allen Boden nehmen. Der nächste Vortheil wird der
sein, daß sie erkennen, wir tragen keinen Haß gegen sie, wir suhlen tief, was sie er¬
regt, und wir wollen zu jedem Mittel der Abhülfe bereitwillig die Hand bieten.

Der zweite Punkt ist der Protest, oder die Adresse, oder die Petition, oder
wie der eigentlich legitime Ausdruck ist, das Schriftstück der 137. Es ist
merkwürdig, wie diese Protestanten, indem sie gegen den Willen des Königs pro-
testiren, zugleich mit noch größerer Lebhaftigkeit dagegen protestiren, daß mit die¬
ser Protestation etwas Ernstliches gemeint sein sollte. Die Herreneurie hat er¬
klärt, sie wolle weder an der Berathung darüber Theil nehmen, noch der andern
Enrie das Recht zuerkennen, allein darüber zu berathen. Wenn nun die Pro-
testirenden uicht zu einem heroischen Eoup entschlossen sind, so läßt sich nicht
recht absehen, was daraus werden soll. — Fürst Lychnowski wollte die Thüren
der Herreneurie den drei Ständen öffnen, aber der Marschall bemerkte, daß
dann Zugluft entstünde, und es ist zu fürchten, daß dieser Zugwind, um
nicht bei den Herren Rheumatismus zu erzeuge», die wohlgemeinte Petition ent¬
führen wird. —

Und nun noch eine Figur: Der unglückselige Janus tobt wie ein Besessener
umher, und ruft ans Leibeskräften: Feuer! Feuer ! die Revolution und die Sünd-
fluth sind vor der Thür! die Jacobiner sind an unserm eigenen Heerd, auch der
König läßt uus in Stich, er hört nicht aus unsern Rath, er läßt die Demagogen
ungestraft umherlaufen! Alles ist verloren! nnr noch Ein Mittel! kauft den Janus!
lauft den Janus!
'

Und über all'diesem Jammer ist es Frühling geworden, sogar in Berlin! der
Thiergarten ist grün und wird bald grau sein, im Odeum sitzt man im Freien,
und läßt sich bei einer kühlen Blonden die Ouvertüre zum Czaar und Zimmer-
mann vorspielen, und in der freien Lust darf noch-immer nicht geraucht werden.


NeuMln.
III.
Tirolische Geschichtschreibung.

Vor ein paar Wochen lag unsrer Landeszeitung, dem bescheidenen „Boten
für Tyrol," eine Anzeige bei, welche die Herausgabe der besten „in der reichen
Fundgrube der Muscalbiblivthek vorhandenen Quellen" für tirolische Geschichte
verspricht. An Büchern, welche unsre Alpen und Thäler, den Charakter und
die Sitten unsres Volkes in's Auge fassen, fehlte es bei uns keineswegs, was
aber „weit mehr zu wünschen wäre," meint das Programm mit einem kaum un-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/270>, abgerufen am 26.05.2024.