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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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bauten unserer schönen Residenz ihre soziale, ihre politische Bedeutung. Sie
sind darum wichtig, weil sie trotz des Systems entstanden, wie die Eisen¬
bahnen. Sie tragen einen Charakter an sich, der auf den Fortschritt deutet,
wenn ihnen anch das Wort "Fortschritt" nicht an der Stirne klebt, wie bei
Schreyer's Affentheater, der kostbarsten Satyre, welche die Unschuld je auf
den Wiener Aushängeschild des Se-uns gemacht.

So z. B. wollte man die Gewerbe nicht freigeben, und dennoch baut,
man jetzt öffentliche Schlachthäuser. Kennt aber das Publikum ihre Bedeu¬
tung? Vor der Hand gewiß nicht; denn noch jetzt heißt es in Wien, daß
Jeder seinen oder seine Ochsen in jenen Abattoirs zwar schlachten lassen,
jedoch nicht verkaufen dürfe, nud daß wieder uur die privilegirten Flei¬
scher die Verkäufer sein sollen. Wer's glauben könnte! Wir glauben's aber
nicht, und sind überzeugt, daß diese Fleischmouopolisten, wie die Korn- und
Holzwucherer, über kurz oder lang zur Thüre hinausgejagt werden müs¬
sen. Denn das Fleisch muß in einem höheren Grade Nahrungsmittel des
Volkes werden, als dies jetzt der Fall ist, und damit dies geschehen könne,
muß die Concurrenz frei gegeben werden.

Und wie die Schlachthäuser entstehen mußten -- ans dieses Wort
legen wir ein besonderes Gewicht, denn Nothwendigkeiten sind nur Ge¬
setze, und Gesetze sind Nothwendigkeiten -- so werden auch die Korn¬
speicher sich erheben müssen. In Wien haben wir viele treffliche Plätze
zu diesem Zwecke, hauptsächlich die beiden Ufer des Wiener Wassers --
dieses Surrogats unserer Donau, die leider! nur in der Mitte uns gehört,
und deren Mund, geknebelt und verstopft, ihre stille Klage in das schwarze
Meer einer scheuen Politik ergießt. Das reiche Einkommen der Wiener
Eommune, ont^o Magistrat, das sie aus den eigenen Fonds und dem
magistratischcn Aufschlag der Accise bezieht -- 5 bis 7 Millionen jährlich --
geben einem redlich wollenden, aufgeklärten Bürgermeister, der seinen Namen
weiter hinaus als über die Dauer seines Amtes bringen will, die genügend¬
sten Mittel an die Hand, derlei, die materiellen Interessen des Volks zufrie¬
denstellende Einrichtungen in's Leben zu rufen. Der Mensch lebt im Leben
nur vom Gelde, nach dem Tode aber von seinem Namen. Darum rufen
wir Herrn Czapka zu neuen Anläufen Muth zu, sintemalen wir es noch nicht
so weit gebracht haben wie die Römer mit ihrem "Lor-tMo, s-into o!"

An die Frage der Schlachthäuser und Kornspeicher, dieses Kappzaumes
des Wuchers, dieser einfachen Corrective des seine Ufer bei jeder Gelegen¬
heit überfluthenden Stromes, Egoismus geheißen, knüpft sich die Frage der
Markthallen an. Wien, das herrliche Wien, von der Natur mit tausend-


bauten unserer schönen Residenz ihre soziale, ihre politische Bedeutung. Sie
sind darum wichtig, weil sie trotz des Systems entstanden, wie die Eisen¬
bahnen. Sie tragen einen Charakter an sich, der auf den Fortschritt deutet,
wenn ihnen anch das Wort „Fortschritt" nicht an der Stirne klebt, wie bei
Schreyer's Affentheater, der kostbarsten Satyre, welche die Unschuld je auf
den Wiener Aushängeschild des Se-uns gemacht.

So z. B. wollte man die Gewerbe nicht freigeben, und dennoch baut,
man jetzt öffentliche Schlachthäuser. Kennt aber das Publikum ihre Bedeu¬
tung? Vor der Hand gewiß nicht; denn noch jetzt heißt es in Wien, daß
Jeder seinen oder seine Ochsen in jenen Abattoirs zwar schlachten lassen,
jedoch nicht verkaufen dürfe, nud daß wieder uur die privilegirten Flei¬
scher die Verkäufer sein sollen. Wer's glauben könnte! Wir glauben's aber
nicht, und sind überzeugt, daß diese Fleischmouopolisten, wie die Korn- und
Holzwucherer, über kurz oder lang zur Thüre hinausgejagt werden müs¬
sen. Denn das Fleisch muß in einem höheren Grade Nahrungsmittel des
Volkes werden, als dies jetzt der Fall ist, und damit dies geschehen könne,
muß die Concurrenz frei gegeben werden.

Und wie die Schlachthäuser entstehen mußten — ans dieses Wort
legen wir ein besonderes Gewicht, denn Nothwendigkeiten sind nur Ge¬
setze, und Gesetze sind Nothwendigkeiten — so werden auch die Korn¬
speicher sich erheben müssen. In Wien haben wir viele treffliche Plätze
zu diesem Zwecke, hauptsächlich die beiden Ufer des Wiener Wassers —
dieses Surrogats unserer Donau, die leider! nur in der Mitte uns gehört,
und deren Mund, geknebelt und verstopft, ihre stille Klage in das schwarze
Meer einer scheuen Politik ergießt. Das reiche Einkommen der Wiener
Eommune, ont^o Magistrat, das sie aus den eigenen Fonds und dem
magistratischcn Aufschlag der Accise bezieht — 5 bis 7 Millionen jährlich —
geben einem redlich wollenden, aufgeklärten Bürgermeister, der seinen Namen
weiter hinaus als über die Dauer seines Amtes bringen will, die genügend¬
sten Mittel an die Hand, derlei, die materiellen Interessen des Volks zufrie¬
denstellende Einrichtungen in's Leben zu rufen. Der Mensch lebt im Leben
nur vom Gelde, nach dem Tode aber von seinem Namen. Darum rufen
wir Herrn Czapka zu neuen Anläufen Muth zu, sintemalen wir es noch nicht
so weit gebracht haben wie die Römer mit ihrem „Lor-tMo, s-into o!"

An die Frage der Schlachthäuser und Kornspeicher, dieses Kappzaumes
des Wuchers, dieser einfachen Corrective des seine Ufer bei jeder Gelegen¬
heit überfluthenden Stromes, Egoismus geheißen, knüpft sich die Frage der
Markthallen an. Wien, das herrliche Wien, von der Natur mit tausend-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/479>, abgerufen am 26.05.2024.