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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Vor der Bande saßen nun des Abends in der milden kamen Sommer-
luft die Baudenleute, Vater, Mutter und Kinder. Die Sonne blitzte noch
hinter dein Wald und die Tannen sahen rothangestrahlt aus wie die Matt.
Der Vater hatte Fremde über's Gebirg geführt und war vor einer Stunde
zurückgekommen, müde und bestaubt. Nun rauchte er seine Pfeife und flüsterte
mit seinem Weibe. Das war ein ernsthaftes Weib, groß und stark, einmal
vielleicht hübsch gewesen, aber nun war ihr Gesicht so hart geworden wie
ihre Hände. Das verschossene Sammetmieder war über der Brust geschnürt,
ein altes rothes Tuch, das den Hals verhüllte, hineingesteckt, und der Kittel
von blauer Leinewand hing über die nackten beinähe kupferfarbig gebräunten
Beine, deren Fußsohlen gewiß härter waren, als die derbe rindslederue
Stiefelsvhle ihres Mannes.

"Hast Du was bestellt's?" fragte sie. -- "Nichts Rechts Liesel! es ist
aus mit dem ganzen Geschäft! Zucker und Kaffee vom Hirschberger Laden-
breier -- aber auf meine Gefahr und Rechnung." -- Das Weib schüttelte
unwillig den Kopf. "Dabei wird nichts verdient, aber unglücklich werden
kann man auf einmal! Gott behüt' Dich Hampel! es wär' mein Tod, wenn
sie Dich einmal kriegten!"

Der Mann hieß im ganzen Gebirge nur der "Paschhampcl" und ob¬
wohl er's nicht gern hörte, nannte ihn kein Mensch anders. Man hielt ihn
für einen der kecksten und glücklichsten schwarzer, die je eine Hncke ans
dem Rücken getragen. Die Grenzjägcr paßten ihm auf, so gut sie konnten,
aber sie hatten ihm noch nie etwas anhaben können. Sein Haus war schon
zwanzigmal von der Dachfirst bis zur Mistgrnbe untersucht, darinnen das
Unterste zu oberst gekehrt worden, ohne das man etwas anderes gefunden
hätte, als Gewand und Geräth, das gerade nicht viel von der Wohlhaben¬
heit des Besitzers verrieth. Und dennoch erzählte man sich von keinem
Manne im Gebirg mehr und seltsamere Dinge -- der Paschhampcl aber
leugnete stets, den Gcbirgsleuten wie den Fremden gegenüber. Indeß mochte
es wohl mit dem Gerede seine Nichtigkeit haben, denn der Paschhampcl
war oft außer dem Hause, sogar im Winter, wo es keine Fremden zu füh¬
ren gab und man nur mit Lebensgefahr über das Gebirg gehen konnte.
Aber es that's ihm auch keiner gleich im Steigen und Laufen, obwohl er
nicht groß und stark war, und seine Augen waren klug und hell wie die
eines Falken. Wenn ihm die Grenzjäger nachgehen wollten, fuhr er wie
ein Berggeist mit den breiten Schneereifen über die Hochwiescu, er kannte
alle Steige und Fährten im Gebirg, und wenngleich die Jäger meinten, sie
hallen alle Schliche verdaut, war er mittlerweile nach Hause gekommen und


Vor der Bande saßen nun des Abends in der milden kamen Sommer-
luft die Baudenleute, Vater, Mutter und Kinder. Die Sonne blitzte noch
hinter dein Wald und die Tannen sahen rothangestrahlt aus wie die Matt.
Der Vater hatte Fremde über's Gebirg geführt und war vor einer Stunde
zurückgekommen, müde und bestaubt. Nun rauchte er seine Pfeife und flüsterte
mit seinem Weibe. Das war ein ernsthaftes Weib, groß und stark, einmal
vielleicht hübsch gewesen, aber nun war ihr Gesicht so hart geworden wie
ihre Hände. Das verschossene Sammetmieder war über der Brust geschnürt,
ein altes rothes Tuch, das den Hals verhüllte, hineingesteckt, und der Kittel
von blauer Leinewand hing über die nackten beinähe kupferfarbig gebräunten
Beine, deren Fußsohlen gewiß härter waren, als die derbe rindslederue
Stiefelsvhle ihres Mannes.

„Hast Du was bestellt's?" fragte sie. — „Nichts Rechts Liesel! es ist
aus mit dem ganzen Geschäft! Zucker und Kaffee vom Hirschberger Laden-
breier — aber auf meine Gefahr und Rechnung." — Das Weib schüttelte
unwillig den Kopf. „Dabei wird nichts verdient, aber unglücklich werden
kann man auf einmal! Gott behüt' Dich Hampel! es wär' mein Tod, wenn
sie Dich einmal kriegten!"

Der Mann hieß im ganzen Gebirge nur der „Paschhampcl" und ob¬
wohl er's nicht gern hörte, nannte ihn kein Mensch anders. Man hielt ihn
für einen der kecksten und glücklichsten schwarzer, die je eine Hncke ans
dem Rücken getragen. Die Grenzjägcr paßten ihm auf, so gut sie konnten,
aber sie hatten ihm noch nie etwas anhaben können. Sein Haus war schon
zwanzigmal von der Dachfirst bis zur Mistgrnbe untersucht, darinnen das
Unterste zu oberst gekehrt worden, ohne das man etwas anderes gefunden
hätte, als Gewand und Geräth, das gerade nicht viel von der Wohlhaben¬
heit des Besitzers verrieth. Und dennoch erzählte man sich von keinem
Manne im Gebirg mehr und seltsamere Dinge — der Paschhampcl aber
leugnete stets, den Gcbirgsleuten wie den Fremden gegenüber. Indeß mochte
es wohl mit dem Gerede seine Nichtigkeit haben, denn der Paschhampcl
war oft außer dem Hause, sogar im Winter, wo es keine Fremden zu füh¬
ren gab und man nur mit Lebensgefahr über das Gebirg gehen konnte.
Aber es that's ihm auch keiner gleich im Steigen und Laufen, obwohl er
nicht groß und stark war, und seine Augen waren klug und hell wie die
eines Falken. Wenn ihm die Grenzjäger nachgehen wollten, fuhr er wie
ein Berggeist mit den breiten Schneereifen über die Hochwiescu, er kannte
alle Steige und Fährten im Gebirg, und wenngleich die Jäger meinten, sie
hallen alle Schliche verdaut, war er mittlerweile nach Hause gekommen und


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[0056] Vor der Bande saßen nun des Abends in der milden kamen Sommer- luft die Baudenleute, Vater, Mutter und Kinder. Die Sonne blitzte noch hinter dein Wald und die Tannen sahen rothangestrahlt aus wie die Matt. Der Vater hatte Fremde über's Gebirg geführt und war vor einer Stunde zurückgekommen, müde und bestaubt. Nun rauchte er seine Pfeife und flüsterte mit seinem Weibe. Das war ein ernsthaftes Weib, groß und stark, einmal vielleicht hübsch gewesen, aber nun war ihr Gesicht so hart geworden wie ihre Hände. Das verschossene Sammetmieder war über der Brust geschnürt, ein altes rothes Tuch, das den Hals verhüllte, hineingesteckt, und der Kittel von blauer Leinewand hing über die nackten beinähe kupferfarbig gebräunten Beine, deren Fußsohlen gewiß härter waren, als die derbe rindslederue Stiefelsvhle ihres Mannes. „Hast Du was bestellt's?" fragte sie. — „Nichts Rechts Liesel! es ist aus mit dem ganzen Geschäft! Zucker und Kaffee vom Hirschberger Laden- breier — aber auf meine Gefahr und Rechnung." — Das Weib schüttelte unwillig den Kopf. „Dabei wird nichts verdient, aber unglücklich werden kann man auf einmal! Gott behüt' Dich Hampel! es wär' mein Tod, wenn sie Dich einmal kriegten!" Der Mann hieß im ganzen Gebirge nur der „Paschhampcl" und ob¬ wohl er's nicht gern hörte, nannte ihn kein Mensch anders. Man hielt ihn für einen der kecksten und glücklichsten schwarzer, die je eine Hncke ans dem Rücken getragen. Die Grenzjägcr paßten ihm auf, so gut sie konnten, aber sie hatten ihm noch nie etwas anhaben können. Sein Haus war schon zwanzigmal von der Dachfirst bis zur Mistgrnbe untersucht, darinnen das Unterste zu oberst gekehrt worden, ohne das man etwas anderes gefunden hätte, als Gewand und Geräth, das gerade nicht viel von der Wohlhaben¬ heit des Besitzers verrieth. Und dennoch erzählte man sich von keinem Manne im Gebirg mehr und seltsamere Dinge — der Paschhampcl aber leugnete stets, den Gcbirgsleuten wie den Fremden gegenüber. Indeß mochte es wohl mit dem Gerede seine Nichtigkeit haben, denn der Paschhampcl war oft außer dem Hause, sogar im Winter, wo es keine Fremden zu füh¬ ren gab und man nur mit Lebensgefahr über das Gebirg gehen konnte. Aber es that's ihm auch keiner gleich im Steigen und Laufen, obwohl er nicht groß und stark war, und seine Augen waren klug und hell wie die eines Falken. Wenn ihm die Grenzjäger nachgehen wollten, fuhr er wie ein Berggeist mit den breiten Schneereifen über die Hochwiescu, er kannte alle Steige und Fährten im Gebirg, und wenngleich die Jäger meinten, sie hallen alle Schliche verdaut, war er mittlerweile nach Hause gekommen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/56>, abgerufen am 19.05.2024.