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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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rauchte gemüthlich seine Pfeife, während sie zornig an seinem Fenster vorbei
kamen, nach langem vergeblichen Warten. Uebrigens hütete sich der Pasch-
hainpel wohl, dnrch unvorsichtigen Aufwand den Neid seiner Genossen, die
weniger glücklich als er, schon oft hatten umkehren oder kostbare Hucken
abwerfen müssen, zu erregen oder den Argwohn der Jäger zu vergrößern.
Er trank höchstens im Wirthshause ein Paar Gläser Bier oder Schnaps,
und das nur am Sonntage >-- sein Weib und seine Kinder arbeiteten, wie
alle Andern, den ganzen Tag und machten um kein Band mehr Staat, wie
die Töchter vom Baudenwenzel oder das Weib des Strüffefteffen, des näch¬
sten Nachbars über dem Walde. Ganz umsonst plagte sich aber der Pasch-
hampel uicht. Wen" er heimkam von seinen Fahrten, suchte die Alte aus
sicherm Versteck Zucker und Kaffee hervor und beide labten sich nach Herzens¬
lust an diesem beliebtesten Getränke aller Gebirgsleute. Die Paschhampelin
hatte zudem eine Maule mit mehr als hundert harten Thalern, und er stets
ein Paar Scholle Gulden in der schmutzigen Brieftasche, die er niemals ab¬
legte. Vor den Kindern aber hielten beide die Kasfeefreuden wie ihre Schätze
geheim, höchstens daß Pepi, die Aelteste, ab und zu einmal von der braunen
Ambrosia naschen durste. Pepi war nun achtzehn Jahre alt und ein schönes
frisches Kind, wie man sie im Gebirge nnr selten antrifft unter dem schwa¬
chen vcrbllttcten Volk. Sie hatte zuerst die Kühe und Ziegen gehütet, dabei
war sie in die Schule gegangen und wie sie vierzehn Jahre alt wurde, behielt
sie die Mutter im Haus, weil auch die andern Geschwister mittlerweile her¬
anwuchsen. Pepi hatte schreiben und lesen gelernt, der Herr Pfarrer war
ihr vor allen gut gewesen und hatte sie jedesmal als die fleißigste gelobt,
wenn der Herr Vikar zur Visitation und Schulprüfung hinauf kam. Aber
mit den schönen Kinderjahren war auch alle Freude lind aller Spaß vor¬
bei -- sie kam nirgends hin außer Sonntags in die Kirche, und wie sehr
sie sich auch auf die Zeit gefreut, wo sie als großes Mädchen zu Tanz und
zum Lichten gehen würde, -- so war sie weder da noch dorthin gekommen:
Vater und Mutter litten es uicht. Obwohl es keineswegs üblich ist im
Gebirg oben, daß man die Töchter so hütet und sie vielerlei Freiheit und
Umgang haben, so machten die Hampellcute eine Ausnahme hievon und
die Alte ließ sie nicht ans den Angen. In die Tasche stecken konnte aber
die schöne Pepi ihr frisches blühendes Gesicht nicht, und so kam es nach
und uach doch unter den Burschen herum, wie schön sie sei, und auch unter
den Grcuzjägeru.

Ans den Posten zu Sankt Peter stand ein junger schmucker Mensch,
Namens Karl, der auch von ihr gehört hatte und den die liebe Einsamkeit


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rauchte gemüthlich seine Pfeife, während sie zornig an seinem Fenster vorbei
kamen, nach langem vergeblichen Warten. Uebrigens hütete sich der Pasch-
hainpel wohl, dnrch unvorsichtigen Aufwand den Neid seiner Genossen, die
weniger glücklich als er, schon oft hatten umkehren oder kostbare Hucken
abwerfen müssen, zu erregen oder den Argwohn der Jäger zu vergrößern.
Er trank höchstens im Wirthshause ein Paar Gläser Bier oder Schnaps,
und das nur am Sonntage >— sein Weib und seine Kinder arbeiteten, wie
alle Andern, den ganzen Tag und machten um kein Band mehr Staat, wie
die Töchter vom Baudenwenzel oder das Weib des Strüffefteffen, des näch¬
sten Nachbars über dem Walde. Ganz umsonst plagte sich aber der Pasch-
hampel uicht. Wen» er heimkam von seinen Fahrten, suchte die Alte aus
sicherm Versteck Zucker und Kaffee hervor und beide labten sich nach Herzens¬
lust an diesem beliebtesten Getränke aller Gebirgsleute. Die Paschhampelin
hatte zudem eine Maule mit mehr als hundert harten Thalern, und er stets
ein Paar Scholle Gulden in der schmutzigen Brieftasche, die er niemals ab¬
legte. Vor den Kindern aber hielten beide die Kasfeefreuden wie ihre Schätze
geheim, höchstens daß Pepi, die Aelteste, ab und zu einmal von der braunen
Ambrosia naschen durste. Pepi war nun achtzehn Jahre alt und ein schönes
frisches Kind, wie man sie im Gebirge nnr selten antrifft unter dem schwa¬
chen vcrbllttcten Volk. Sie hatte zuerst die Kühe und Ziegen gehütet, dabei
war sie in die Schule gegangen und wie sie vierzehn Jahre alt wurde, behielt
sie die Mutter im Haus, weil auch die andern Geschwister mittlerweile her¬
anwuchsen. Pepi hatte schreiben und lesen gelernt, der Herr Pfarrer war
ihr vor allen gut gewesen und hatte sie jedesmal als die fleißigste gelobt,
wenn der Herr Vikar zur Visitation und Schulprüfung hinauf kam. Aber
mit den schönen Kinderjahren war auch alle Freude lind aller Spaß vor¬
bei — sie kam nirgends hin außer Sonntags in die Kirche, und wie sehr
sie sich auch auf die Zeit gefreut, wo sie als großes Mädchen zu Tanz und
zum Lichten gehen würde, — so war sie weder da noch dorthin gekommen:
Vater und Mutter litten es uicht. Obwohl es keineswegs üblich ist im
Gebirg oben, daß man die Töchter so hütet und sie vielerlei Freiheit und
Umgang haben, so machten die Hampellcute eine Ausnahme hievon und
die Alte ließ sie nicht ans den Angen. In die Tasche stecken konnte aber
die schöne Pepi ihr frisches blühendes Gesicht nicht, und so kam es nach
und uach doch unter den Burschen herum, wie schön sie sei, und auch unter
den Grcuzjägeru.

Ans den Posten zu Sankt Peter stand ein junger schmucker Mensch,
Namens Karl, der auch von ihr gehört hatte und den die liebe Einsamkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/57>, abgerufen am 10.06.2024.