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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Wien berichtet habe. Gestern jedoch ist ihm der Befehl zugegangen, die Wahlen un¬
verzüglich zu veranlassen. Dies habe er nun gethan; natürlich bleibe es Jedem unbe¬
nommen, sich von dem Wahlacte auszuschließen. Zugleich hatte er den erhaltenen Be¬
fehl der Regierung der neunten Sektion des Nationalcomites zur Meinungsäußerung
übergeben. Die Erwartung der äußerst zahlreichen Versammlung, die nicht aus Bür¬
gern und bewaffneten Studenten bestand, war auf's Höchste gespannt. Da erhob sich
Graf Wurmbrand und las jenes Ministerialrescript sammt seinen Beilagen. Eine
derselben enthielt eine Proklamation eines in Wien zusammengetretenen deutschen Cen-
tralcomites, bestehend ans den niederöstrcichischen Landständen, dem Magistrate, den
Mitgliedern des juristischen Lchrvereins, des Gewerbvcreins und der Wiener Kaufmanns¬
vereine (hier erfolgte allgemeines Gelächter), in welcher es unter Anderem heißt, daß
den Slaven ihre Nationalität garantirt werde. Die Proklamation forderte weiter aus
in den Provinzen Zweigvereine zu bilden, die sich mit dem Centralcomitv zu Wien in
Verbindung setzen sollten. Hier brach der Unwille in ein tobendes Geschrei
aus, und nur mit Mühe gelang es dem allgemein geachteten Bürgermeister l)r. Stro-
bach die Ruhe wieder herzustellen. Hierauf entwickelte Graf Wurmbrand in einer feuri¬
gen Rede das Gutachten der neunten Sektion. Es enthielt die Meinung, daß die
Beschickung des deutschen Parlaments aufregend, unnütz, gefährlich
für das Land (Böhmen), für Oestreich, ja für die Dynastie sei, (unge¬
heurer Jubel!) und daß eine Deputation gewählt werde, die Sr. Majestät
eine Petition überreichen solle, die dahin geht, Se. Majestät von
dem Gedanken abzubringen, Böhmen zu den Wahlen für das deutsche
Parlament zwingen zu wollen. Die dafür angeführten Grüude wurden mit
ungeheuerm Jubel ausgenommen. Die Debatte über die Petition war sehr kurz und
befaßte sich nur mit Kleinigkeiten. Dr. Kr am er bemerkte, von einem Befehlen der
Wahlen könne keine Rede sein, da wir nicht mehr in einem absolutistischen Staate
leben. Dr. Strobach äußerte den Wunsch, daß endlich die Petition zum Schlüsse
gebracht werde. Bei der Abstimmung, da die Nichtbeistimmendcn sich erheben sollten,
erhob sich Niemand. Strobach nannte schließlich den heutigen Tag einen glück¬
lichen für Böhmen und des JubilirenS war kein Ende. M-----und H---waren
nicht zugegen. Von Morgen an wird in Böhmen die schwarz und gelbe Fahne neben
der roth und weißen flattern.

Nicht wahr, wir Deutschen sind ganze Leute! wenn wir hübsch ruhig bleiben, so
erlaubt man uns neben den östreichischen Farben auch die böhmischen zu tragen. --
Was sagen Sie zu der Negierung?--Ich gehe jetzt damit um, in Smichow die Re¬
publik zu proklamiren, die unabhängig von Oestreich, Deutschland und Rußland sein wird;
hoffentlich wird 'mir die Regierung keine Hindernisse in den Weg legen. -- Es lebe
,A ^ Z. die deutsche Freiheit!




Wien berichtet habe. Gestern jedoch ist ihm der Befehl zugegangen, die Wahlen un¬
verzüglich zu veranlassen. Dies habe er nun gethan; natürlich bleibe es Jedem unbe¬
nommen, sich von dem Wahlacte auszuschließen. Zugleich hatte er den erhaltenen Be¬
fehl der Regierung der neunten Sektion des Nationalcomites zur Meinungsäußerung
übergeben. Die Erwartung der äußerst zahlreichen Versammlung, die nicht aus Bür¬
gern und bewaffneten Studenten bestand, war auf's Höchste gespannt. Da erhob sich
Graf Wurmbrand und las jenes Ministerialrescript sammt seinen Beilagen. Eine
derselben enthielt eine Proklamation eines in Wien zusammengetretenen deutschen Cen-
tralcomites, bestehend ans den niederöstrcichischen Landständen, dem Magistrate, den
Mitgliedern des juristischen Lchrvereins, des Gewerbvcreins und der Wiener Kaufmanns¬
vereine (hier erfolgte allgemeines Gelächter), in welcher es unter Anderem heißt, daß
den Slaven ihre Nationalität garantirt werde. Die Proklamation forderte weiter aus
in den Provinzen Zweigvereine zu bilden, die sich mit dem Centralcomitv zu Wien in
Verbindung setzen sollten. Hier brach der Unwille in ein tobendes Geschrei
aus, und nur mit Mühe gelang es dem allgemein geachteten Bürgermeister l)r. Stro-
bach die Ruhe wieder herzustellen. Hierauf entwickelte Graf Wurmbrand in einer feuri¬
gen Rede das Gutachten der neunten Sektion. Es enthielt die Meinung, daß die
Beschickung des deutschen Parlaments aufregend, unnütz, gefährlich
für das Land (Böhmen), für Oestreich, ja für die Dynastie sei, (unge¬
heurer Jubel!) und daß eine Deputation gewählt werde, die Sr. Majestät
eine Petition überreichen solle, die dahin geht, Se. Majestät von
dem Gedanken abzubringen, Böhmen zu den Wahlen für das deutsche
Parlament zwingen zu wollen. Die dafür angeführten Grüude wurden mit
ungeheuerm Jubel ausgenommen. Die Debatte über die Petition war sehr kurz und
befaßte sich nur mit Kleinigkeiten. Dr. Kr am er bemerkte, von einem Befehlen der
Wahlen könne keine Rede sein, da wir nicht mehr in einem absolutistischen Staate
leben. Dr. Strobach äußerte den Wunsch, daß endlich die Petition zum Schlüsse
gebracht werde. Bei der Abstimmung, da die Nichtbeistimmendcn sich erheben sollten,
erhob sich Niemand. Strobach nannte schließlich den heutigen Tag einen glück¬
lichen für Böhmen und des JubilirenS war kein Ende. M-----und H---waren
nicht zugegen. Von Morgen an wird in Böhmen die schwarz und gelbe Fahne neben
der roth und weißen flattern.

Nicht wahr, wir Deutschen sind ganze Leute! wenn wir hübsch ruhig bleiben, so
erlaubt man uns neben den östreichischen Farben auch die böhmischen zu tragen. —
Was sagen Sie zu der Negierung?--Ich gehe jetzt damit um, in Smichow die Re¬
publik zu proklamiren, die unabhängig von Oestreich, Deutschland und Rußland sein wird;
hoffentlich wird 'mir die Regierung keine Hindernisse in den Weg legen. — Es lebe
,A ^ Z. die deutsche Freiheit!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/157>, abgerufen am 18.05.2024.