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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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7) Das Parlament ist zu allen Beschlüssen competent, zu denen sich seine Ma¬
jorität für competent erklärt.

8) Die Anordnungen des Heerwesens sind in allen Staaten gleichmäßig, nach
den Beschlüssen des Parlaments einzurichten. Die Ernennung der einzelnen Offi¬
ziere bleibt den Fürsten. Die Ernennung des Bundcsgeneralö wird in jedem be¬
stimmten Fall voni Parlament einer bestimmten Regierung übertragen und ist vom
Parlament zu bestätigen.

9) Die Zoll- und Handelsgesetzgebung fällt ausschließlich dem Parlamente
zu. Jeder Beschluß desselben ist bindend, doch steht es den Deputirten der ein¬
zelnen Staaten zu, vorher sich von ihren Committenten, den Landesständen, ein
Mandat ertheilen zu lassen, obgleich sie rechtlich an dieses Mandat nicht gebunden
sein können.

10) Das Parlament ernennt in jedem Collistonsfall zwischen verschiedenen
Staaten oder zwischen der Regierung und ihren Ständen ein Gericht, welches in
erster Instanz entscheidet. Die zweite und letzte Instanz ist das Parlament.

11) Wenn die Regierung und die Stände eines Staats sich darüber einigen,
ihre Souveränität zu Gunsten eines andern deutschen Staates aufzugeben, so ha¬
ben sie das einfach dem Parlament zu modificiren. Nur wenn einer von beiden
Theilen es verlangt, tritt das Bundesgericht ein über Entschädigung einzelner Par¬
teien ?c. zu bestimmen. Derselbe Fall ist es, wenn eine Provinz sich von einem
bestehenden Staate trennen und einen eigenen Staat bilden will -- immer vor¬
ausgesetzt, daß die Verfassung den oben angegebenen Grundlagen entsprechend bleibt.

Dieser Vorschlag enthält zwar kein ideales, aber ein leidliches und unter den
Umständen mögliches Staatswesen. Es enthält außerdem, mit möglichster
Schonung des Bestehenden, alle Mittel und Wege der organischen Entwickelung.
Deutschland würde sich vielleicht langsamer, aber sicherer zu einem gegliederten
Ganzen entwickeln. Es würden keine neuen, kostspieligen Gewalten nöthig und
es fände keine romantische Unklarheit statt.

Eine Kritik des Dahlmann'schen Entwurfs behalte ich mir vor.


Julian Schmidt.


7) Das Parlament ist zu allen Beschlüssen competent, zu denen sich seine Ma¬
jorität für competent erklärt.

8) Die Anordnungen des Heerwesens sind in allen Staaten gleichmäßig, nach
den Beschlüssen des Parlaments einzurichten. Die Ernennung der einzelnen Offi¬
ziere bleibt den Fürsten. Die Ernennung des Bundcsgeneralö wird in jedem be¬
stimmten Fall voni Parlament einer bestimmten Regierung übertragen und ist vom
Parlament zu bestätigen.

9) Die Zoll- und Handelsgesetzgebung fällt ausschließlich dem Parlamente
zu. Jeder Beschluß desselben ist bindend, doch steht es den Deputirten der ein¬
zelnen Staaten zu, vorher sich von ihren Committenten, den Landesständen, ein
Mandat ertheilen zu lassen, obgleich sie rechtlich an dieses Mandat nicht gebunden
sein können.

10) Das Parlament ernennt in jedem Collistonsfall zwischen verschiedenen
Staaten oder zwischen der Regierung und ihren Ständen ein Gericht, welches in
erster Instanz entscheidet. Die zweite und letzte Instanz ist das Parlament.

11) Wenn die Regierung und die Stände eines Staats sich darüber einigen,
ihre Souveränität zu Gunsten eines andern deutschen Staates aufzugeben, so ha¬
ben sie das einfach dem Parlament zu modificiren. Nur wenn einer von beiden
Theilen es verlangt, tritt das Bundesgericht ein über Entschädigung einzelner Par¬
teien ?c. zu bestimmen. Derselbe Fall ist es, wenn eine Provinz sich von einem
bestehenden Staate trennen und einen eigenen Staat bilden will — immer vor¬
ausgesetzt, daß die Verfassung den oben angegebenen Grundlagen entsprechend bleibt.

Dieser Vorschlag enthält zwar kein ideales, aber ein leidliches und unter den
Umständen mögliches Staatswesen. Es enthält außerdem, mit möglichster
Schonung des Bestehenden, alle Mittel und Wege der organischen Entwickelung.
Deutschland würde sich vielleicht langsamer, aber sicherer zu einem gegliederten
Ganzen entwickeln. Es würden keine neuen, kostspieligen Gewalten nöthig und
es fände keine romantische Unklarheit statt.

Eine Kritik des Dahlmann'schen Entwurfs behalte ich mir vor.


Julian Schmidt.


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[0247] 7) Das Parlament ist zu allen Beschlüssen competent, zu denen sich seine Ma¬ jorität für competent erklärt. 8) Die Anordnungen des Heerwesens sind in allen Staaten gleichmäßig, nach den Beschlüssen des Parlaments einzurichten. Die Ernennung der einzelnen Offi¬ ziere bleibt den Fürsten. Die Ernennung des Bundcsgeneralö wird in jedem be¬ stimmten Fall voni Parlament einer bestimmten Regierung übertragen und ist vom Parlament zu bestätigen. 9) Die Zoll- und Handelsgesetzgebung fällt ausschließlich dem Parlamente zu. Jeder Beschluß desselben ist bindend, doch steht es den Deputirten der ein¬ zelnen Staaten zu, vorher sich von ihren Committenten, den Landesständen, ein Mandat ertheilen zu lassen, obgleich sie rechtlich an dieses Mandat nicht gebunden sein können. 10) Das Parlament ernennt in jedem Collistonsfall zwischen verschiedenen Staaten oder zwischen der Regierung und ihren Ständen ein Gericht, welches in erster Instanz entscheidet. Die zweite und letzte Instanz ist das Parlament. 11) Wenn die Regierung und die Stände eines Staats sich darüber einigen, ihre Souveränität zu Gunsten eines andern deutschen Staates aufzugeben, so ha¬ ben sie das einfach dem Parlament zu modificiren. Nur wenn einer von beiden Theilen es verlangt, tritt das Bundesgericht ein über Entschädigung einzelner Par¬ teien ?c. zu bestimmen. Derselbe Fall ist es, wenn eine Provinz sich von einem bestehenden Staate trennen und einen eigenen Staat bilden will — immer vor¬ ausgesetzt, daß die Verfassung den oben angegebenen Grundlagen entsprechend bleibt. Dieser Vorschlag enthält zwar kein ideales, aber ein leidliches und unter den Umständen mögliches Staatswesen. Es enthält außerdem, mit möglichster Schonung des Bestehenden, alle Mittel und Wege der organischen Entwickelung. Deutschland würde sich vielleicht langsamer, aber sicherer zu einem gegliederten Ganzen entwickeln. Es würden keine neuen, kostspieligen Gewalten nöthig und es fände keine romantische Unklarheit statt. Eine Kritik des Dahlmann'schen Entwurfs behalte ich mir vor. Julian Schmidt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/247>, abgerufen am 17.06.2024.