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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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besser ist, als er sein sollte. Die Partei wird gut geleitet, was sich besonders bei den
Wahlen der Deputation herausstellte, aber sie ist zu schwach, um irgendwie mächtig
zu werden. Die Persönlichkeit ihres Anführers ist so bekannt, daß es überflüssig wäre,
viele Worte über sie zu machen. Wislicen ist der Mann, wie er immer war, der
Mann der Konsequenzen und der Rücksichtslosigkeit. Was er sür Recht hält, dafür
kämpft er und ergibt sich so wenig, wie die alte Garde. Aber seine Stellung ist un¬
haltbar -- er wird, er muß fallen, aber noch im Sturze wird er sprechen: 8> lVilows
illitdittur orbis, imm-loi^um teriönt mir-to! Ich bin weder aus dem religiösen noch
auf dem politischen Feld sein Anhänger, aber ich achte den Mann, der Alles opfert, um
selbst zu bleiben.

Es ist den Radicalen nicht gelungen, einen Mann ihrer Partei in die Kammer
nach Berlin oder Frankfurt zu bringen, und das ist sehr gut -- nicht wegen der guten
Sache des constitutionellen Prinzips, die sie schwerlich gefährdet hätten, sondern weil
eS galt, die constitutionelle Gesinnung von Halle durch den Deputirten zu manifestiren
und ans solche Weise jeglichem Irrthum zu begegnen, jegliche Hoffnung der Radicalen
mit Einem Male und zwar ganz gründlich abzuschneiden.

Das zweite Heerlager wird von der vielköpfigen, vielsinnigen, auch zuweilen ein
wenig unsinnigen, meist aber doch tüchtigen und rechtschaffenen Bürgerschaft von Halle
gebildet. Der Hallesche Bürger war nicht, wie andere -- er war eine Species,
er war stolz auf seine Universität, stolz ans seine Freisinnigkeit, stolz auf den Al^
glänz, auf das Licht, das er von feinen Professoren borgte, das ihm von seinen
Professoren willig und gern gespendet wurde. Bei dem Zweckessen auf der Giebichen-
stciner Weintraube konnte man den Hallcschcn Bürger kennen lernen! Da ging der
materielle Mensch im geistigen unter. Er kümmerte sich den Henker darum, ob das
Essen schlecht oder gut war, wenn nnr die Reden gut und vor Allem freisinnig waren,
wenn nur die Toaste, die ausgebracht wurden, ihm zu Herzen gingen, wenn sie ihn
packten, wenn sie ihn fortrissen, wenn sie seinen Stimmorganen Gelegenheit gaben,
sich in unbändigem Jnbel Lust zu machen und die Wände des Saales mit donnernden
Hochs zu erschüttern. Gelang es den Rednern, dies zu erzielen, und es gelang ihnen
fast immer, so ging der Hallische Bürger höchst vergnügt nach Hause, dann erzählte er
mit überströmenden Worten Weib und Kind, was der Duncker gesprochen oder der kleine
Schwarz oder der Doctor Haym, oder wer sonst geredet hatte, und er war dankbar,
er war zufrieden, er war glücklich. Jetzt ist es anders geworden. Jetzt will der Bür¬
ger nicht blos hören, er will auch selbst rede", er will mitsprechen, er will das Mehr
oder Minder seiner politischen Einsicht zur Geltung bringen. Das wußte der Diaco¬
nus Hasemann, der Hauptleiter und Anführer dieser zahlreich vertretenen Menge
wohl zu benutzen. Er war der Erste, der Bürgerversammlungen veranstaltete, er suchte
durch öffentliche Vortrage ihre Sympathien zu gewinnen, er gründete mit einem Freunde
ein Bürgcrblatt (beiläufig gesagt, ein gutes Blatt, das vortreffliche Beiträge vom Ober¬
lehrer Köhler, dem Mitredacteur, bringt) um auch durch die Presse sich Anhänger zu
erwerben. Hase manu ist ein gründlicher, standhafter, beharrlicher Mensch. Er ist
gründlich -- langweilig; er ist standhaft -- gegen alle Pfeile der Satyre, des Witzes,
der Mißbilligung, die gegen ihn abgeschossen werden; er ist beharrlich -- in dem Stre¬
ben nach der Gunst des Volkes -t tont prix! Mit seinen langweiligen Reden schlug
er selbstmörderisch alle Theilnahme unbarmherzig todt, die er sich anfänglich durch seine
offen zur Schau getragenen liberalen Ansichten erworben hatte. Dazu kam, er machte
sich lächerlich; dazu kam, er erweckte Mißtrauen durch den raschen Wechsel seiner Ansich¬
ten; dazu kam, er wurde von dem dritten Hallischen Armeecorps, dem constitutionellen
Elub mehrfach aufs Haupt geschlagen, und zwar derb. Aber die Schläge betäubten
ihn nnr, sie tödteten ihn nicht. Im Club ist er allerdings unmöglich geworden, aber
der Hallische Bürger duldet ihn noch aus Dankbarkeit, er läßt ihn gewähren aus Gut-
müthigkeit, er besucht die Bürgervcrsammlungen noch, weil er weiß, daß er da ein Wort


besser ist, als er sein sollte. Die Partei wird gut geleitet, was sich besonders bei den
Wahlen der Deputation herausstellte, aber sie ist zu schwach, um irgendwie mächtig
zu werden. Die Persönlichkeit ihres Anführers ist so bekannt, daß es überflüssig wäre,
viele Worte über sie zu machen. Wislicen ist der Mann, wie er immer war, der
Mann der Konsequenzen und der Rücksichtslosigkeit. Was er sür Recht hält, dafür
kämpft er und ergibt sich so wenig, wie die alte Garde. Aber seine Stellung ist un¬
haltbar — er wird, er muß fallen, aber noch im Sturze wird er sprechen: 8> lVilows
illitdittur orbis, imm-loi^um teriönt mir-to! Ich bin weder aus dem religiösen noch
auf dem politischen Feld sein Anhänger, aber ich achte den Mann, der Alles opfert, um
selbst zu bleiben.

Es ist den Radicalen nicht gelungen, einen Mann ihrer Partei in die Kammer
nach Berlin oder Frankfurt zu bringen, und das ist sehr gut — nicht wegen der guten
Sache des constitutionellen Prinzips, die sie schwerlich gefährdet hätten, sondern weil
eS galt, die constitutionelle Gesinnung von Halle durch den Deputirten zu manifestiren
und ans solche Weise jeglichem Irrthum zu begegnen, jegliche Hoffnung der Radicalen
mit Einem Male und zwar ganz gründlich abzuschneiden.

Das zweite Heerlager wird von der vielköpfigen, vielsinnigen, auch zuweilen ein
wenig unsinnigen, meist aber doch tüchtigen und rechtschaffenen Bürgerschaft von Halle
gebildet. Der Hallesche Bürger war nicht, wie andere — er war eine Species,
er war stolz auf seine Universität, stolz ans seine Freisinnigkeit, stolz auf den Al^
glänz, auf das Licht, das er von feinen Professoren borgte, das ihm von seinen
Professoren willig und gern gespendet wurde. Bei dem Zweckessen auf der Giebichen-
stciner Weintraube konnte man den Hallcschcn Bürger kennen lernen! Da ging der
materielle Mensch im geistigen unter. Er kümmerte sich den Henker darum, ob das
Essen schlecht oder gut war, wenn nnr die Reden gut und vor Allem freisinnig waren,
wenn nur die Toaste, die ausgebracht wurden, ihm zu Herzen gingen, wenn sie ihn
packten, wenn sie ihn fortrissen, wenn sie seinen Stimmorganen Gelegenheit gaben,
sich in unbändigem Jnbel Lust zu machen und die Wände des Saales mit donnernden
Hochs zu erschüttern. Gelang es den Rednern, dies zu erzielen, und es gelang ihnen
fast immer, so ging der Hallische Bürger höchst vergnügt nach Hause, dann erzählte er
mit überströmenden Worten Weib und Kind, was der Duncker gesprochen oder der kleine
Schwarz oder der Doctor Haym, oder wer sonst geredet hatte, und er war dankbar,
er war zufrieden, er war glücklich. Jetzt ist es anders geworden. Jetzt will der Bür¬
ger nicht blos hören, er will auch selbst rede», er will mitsprechen, er will das Mehr
oder Minder seiner politischen Einsicht zur Geltung bringen. Das wußte der Diaco¬
nus Hasemann, der Hauptleiter und Anführer dieser zahlreich vertretenen Menge
wohl zu benutzen. Er war der Erste, der Bürgerversammlungen veranstaltete, er suchte
durch öffentliche Vortrage ihre Sympathien zu gewinnen, er gründete mit einem Freunde
ein Bürgcrblatt (beiläufig gesagt, ein gutes Blatt, das vortreffliche Beiträge vom Ober¬
lehrer Köhler, dem Mitredacteur, bringt) um auch durch die Presse sich Anhänger zu
erwerben. Hase manu ist ein gründlicher, standhafter, beharrlicher Mensch. Er ist
gründlich — langweilig; er ist standhaft -- gegen alle Pfeile der Satyre, des Witzes,
der Mißbilligung, die gegen ihn abgeschossen werden; er ist beharrlich — in dem Stre¬
ben nach der Gunst des Volkes -t tont prix! Mit seinen langweiligen Reden schlug
er selbstmörderisch alle Theilnahme unbarmherzig todt, die er sich anfänglich durch seine
offen zur Schau getragenen liberalen Ansichten erworben hatte. Dazu kam, er machte
sich lächerlich; dazu kam, er erweckte Mißtrauen durch den raschen Wechsel seiner Ansich¬
ten; dazu kam, er wurde von dem dritten Hallischen Armeecorps, dem constitutionellen
Elub mehrfach aufs Haupt geschlagen, und zwar derb. Aber die Schläge betäubten
ihn nnr, sie tödteten ihn nicht. Im Club ist er allerdings unmöglich geworden, aber
der Hallische Bürger duldet ihn noch aus Dankbarkeit, er läßt ihn gewähren aus Gut-
müthigkeit, er besucht die Bürgervcrsammlungen noch, weil er weiß, daß er da ein Wort


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[0337] besser ist, als er sein sollte. Die Partei wird gut geleitet, was sich besonders bei den Wahlen der Deputation herausstellte, aber sie ist zu schwach, um irgendwie mächtig zu werden. Die Persönlichkeit ihres Anführers ist so bekannt, daß es überflüssig wäre, viele Worte über sie zu machen. Wislicen ist der Mann, wie er immer war, der Mann der Konsequenzen und der Rücksichtslosigkeit. Was er sür Recht hält, dafür kämpft er und ergibt sich so wenig, wie die alte Garde. Aber seine Stellung ist un¬ haltbar — er wird, er muß fallen, aber noch im Sturze wird er sprechen: 8> lVilows illitdittur orbis, imm-loi^um teriönt mir-to! Ich bin weder aus dem religiösen noch auf dem politischen Feld sein Anhänger, aber ich achte den Mann, der Alles opfert, um selbst zu bleiben. Es ist den Radicalen nicht gelungen, einen Mann ihrer Partei in die Kammer nach Berlin oder Frankfurt zu bringen, und das ist sehr gut — nicht wegen der guten Sache des constitutionellen Prinzips, die sie schwerlich gefährdet hätten, sondern weil eS galt, die constitutionelle Gesinnung von Halle durch den Deputirten zu manifestiren und ans solche Weise jeglichem Irrthum zu begegnen, jegliche Hoffnung der Radicalen mit Einem Male und zwar ganz gründlich abzuschneiden. Das zweite Heerlager wird von der vielköpfigen, vielsinnigen, auch zuweilen ein wenig unsinnigen, meist aber doch tüchtigen und rechtschaffenen Bürgerschaft von Halle gebildet. Der Hallesche Bürger war nicht, wie andere — er war eine Species, er war stolz auf seine Universität, stolz ans seine Freisinnigkeit, stolz auf den Al^ glänz, auf das Licht, das er von feinen Professoren borgte, das ihm von seinen Professoren willig und gern gespendet wurde. Bei dem Zweckessen auf der Giebichen- stciner Weintraube konnte man den Hallcschcn Bürger kennen lernen! Da ging der materielle Mensch im geistigen unter. Er kümmerte sich den Henker darum, ob das Essen schlecht oder gut war, wenn nnr die Reden gut und vor Allem freisinnig waren, wenn nur die Toaste, die ausgebracht wurden, ihm zu Herzen gingen, wenn sie ihn packten, wenn sie ihn fortrissen, wenn sie seinen Stimmorganen Gelegenheit gaben, sich in unbändigem Jnbel Lust zu machen und die Wände des Saales mit donnernden Hochs zu erschüttern. Gelang es den Rednern, dies zu erzielen, und es gelang ihnen fast immer, so ging der Hallische Bürger höchst vergnügt nach Hause, dann erzählte er mit überströmenden Worten Weib und Kind, was der Duncker gesprochen oder der kleine Schwarz oder der Doctor Haym, oder wer sonst geredet hatte, und er war dankbar, er war zufrieden, er war glücklich. Jetzt ist es anders geworden. Jetzt will der Bür¬ ger nicht blos hören, er will auch selbst rede», er will mitsprechen, er will das Mehr oder Minder seiner politischen Einsicht zur Geltung bringen. Das wußte der Diaco¬ nus Hasemann, der Hauptleiter und Anführer dieser zahlreich vertretenen Menge wohl zu benutzen. Er war der Erste, der Bürgerversammlungen veranstaltete, er suchte durch öffentliche Vortrage ihre Sympathien zu gewinnen, er gründete mit einem Freunde ein Bürgcrblatt (beiläufig gesagt, ein gutes Blatt, das vortreffliche Beiträge vom Ober¬ lehrer Köhler, dem Mitredacteur, bringt) um auch durch die Presse sich Anhänger zu erwerben. Hase manu ist ein gründlicher, standhafter, beharrlicher Mensch. Er ist gründlich — langweilig; er ist standhaft -- gegen alle Pfeile der Satyre, des Witzes, der Mißbilligung, die gegen ihn abgeschossen werden; er ist beharrlich — in dem Stre¬ ben nach der Gunst des Volkes -t tont prix! Mit seinen langweiligen Reden schlug er selbstmörderisch alle Theilnahme unbarmherzig todt, die er sich anfänglich durch seine offen zur Schau getragenen liberalen Ansichten erworben hatte. Dazu kam, er machte sich lächerlich; dazu kam, er erweckte Mißtrauen durch den raschen Wechsel seiner Ansich¬ ten; dazu kam, er wurde von dem dritten Hallischen Armeecorps, dem constitutionellen Elub mehrfach aufs Haupt geschlagen, und zwar derb. Aber die Schläge betäubten ihn nnr, sie tödteten ihn nicht. Im Club ist er allerdings unmöglich geworden, aber der Hallische Bürger duldet ihn noch aus Dankbarkeit, er läßt ihn gewähren aus Gut- müthigkeit, er besucht die Bürgervcrsammlungen noch, weil er weiß, daß er da ein Wort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/337>, abgerufen am 17.06.2024.