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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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auf, zog sich nicht allein aus Feindes Land zurück, sondern gab anch einen großen
Theil von Freundes Land blos. Vielleicht hatte dies das dänische Ministerium
blos gewünscht, als es anfänglich auf Englands Vorschläge einzugehen schien.
Seine Truppen versuchten in wüthenden Ueberfällen sich für die allenthalben
erlittenen Schlappen zu rächen, aber ihre Pläne scheiterten an der Tapferkeit des
deutschen Heeres, welches die Dänen zurückschlug und wieder bis zur Königsau
vordrang. Somit schienen die Dinge dazustehen, wo sie vor zwei Monaten stan¬
den -- aber nein, die nordische Frage war in eine neue Phase getreten. Däne¬
mark hatte einen Ministerwechsel erfahren, Englands Vermittlung verworfen und
stützt sich von nun an ans die Zusage der Hilfe von Seiten Schwedens und
Rußlands.

Vielleicht hält Schweden nur ungern diese Zusage. Sein Staatsschatz ist so
erschöpft, daß aus ihm die Kosten eines fremden Krieges unmöglich bestritten wer¬
den können und seine Regierung betreibt die zögernde Rüstung des Heeres nur,
um den scandiucwischeu Sympathien des Volkes Genüge zu leisten. Anders ver-
hält es sich mit Rußland -- ihm muß daran liegen, weder England noch Deutsch¬
land einen Einfluß in der Ostsee erhalten zu lassen, ihm ist der Wächter des
Sundes zugleich der von Kronstäbe. Aber Nußland kann in jetziger Zeit nur mit
der höchsten Vorsicht sich in einen Krieg einlassen , dessen nächste Folgen durchaus
nicht abzusehen sind. Es wird daher, vielleicht gestützt auf die Drohung seiner
und Schwedens Intervention, eher als Vermittler, denn als sofortiger Bundes¬
genosse Dänemarks auftreten wollen. Jene Drohung aber kann bei der jetzigen
Stimmung in Deutschland dieses vielleicht vermögen zur Wahrung der Rechte
der Herzogthümer ein Bündniß mit Frankreich, ja wohl auch mit der nordamerika¬
nischen Union abzuschließen. Dahin darf und will es England unter den obwal¬
tenden Verhältnissen und ans nahe liegenden Gründen nicht kommen lassen. So
ist es denn höchst spaßhaft, die Verlegenheit zu beobachten, in welcher sich die
Times And andere englische Journale befinden. Sie versuchen einzulenken und
wollen sich doch kein Dementi geben, sie suchen auf alle mögliche Weise ehrenvoll
dem Dilemma zu entgehen, in welches sie sich thöricht selbst gebracht und statt in
die Kriegötrompete zu stoßen, beginnen sie nun versöhnende Friedenshymnen an¬
zustimmen. Es läßt sich aus diesen Conjuncturen recht gut folgern, daß ein bal¬
diger Frieden zu erwarten steht.

Ob aber dieser Frieden so ausfallen wird, daß Deutschland und die Herzog¬
thümer damit zufrieden sein können, dies ist eine neue Frage, deren Antwort leider
verneinend ausfallen wird. Die Stimmen des Bundestags und des Parlaments
werden tonlos verhallen gegenüber den Machtworten der Großmächte und die
Staatenlage Deutschlands wird es kaum gestatten, diese Angelegenheit ohne Ueber-
eilung zu Ende zu führen. Die Vermittlung läßt nur zwei Fälle denken: Ent¬
weder völlige Herstellung des alten se-dens "me" mit Berücksichtigung der Rechte


auf, zog sich nicht allein aus Feindes Land zurück, sondern gab anch einen großen
Theil von Freundes Land blos. Vielleicht hatte dies das dänische Ministerium
blos gewünscht, als es anfänglich auf Englands Vorschläge einzugehen schien.
Seine Truppen versuchten in wüthenden Ueberfällen sich für die allenthalben
erlittenen Schlappen zu rächen, aber ihre Pläne scheiterten an der Tapferkeit des
deutschen Heeres, welches die Dänen zurückschlug und wieder bis zur Königsau
vordrang. Somit schienen die Dinge dazustehen, wo sie vor zwei Monaten stan¬
den — aber nein, die nordische Frage war in eine neue Phase getreten. Däne¬
mark hatte einen Ministerwechsel erfahren, Englands Vermittlung verworfen und
stützt sich von nun an ans die Zusage der Hilfe von Seiten Schwedens und
Rußlands.

Vielleicht hält Schweden nur ungern diese Zusage. Sein Staatsschatz ist so
erschöpft, daß aus ihm die Kosten eines fremden Krieges unmöglich bestritten wer¬
den können und seine Regierung betreibt die zögernde Rüstung des Heeres nur,
um den scandiucwischeu Sympathien des Volkes Genüge zu leisten. Anders ver-
hält es sich mit Rußland — ihm muß daran liegen, weder England noch Deutsch¬
land einen Einfluß in der Ostsee erhalten zu lassen, ihm ist der Wächter des
Sundes zugleich der von Kronstäbe. Aber Nußland kann in jetziger Zeit nur mit
der höchsten Vorsicht sich in einen Krieg einlassen , dessen nächste Folgen durchaus
nicht abzusehen sind. Es wird daher, vielleicht gestützt auf die Drohung seiner
und Schwedens Intervention, eher als Vermittler, denn als sofortiger Bundes¬
genosse Dänemarks auftreten wollen. Jene Drohung aber kann bei der jetzigen
Stimmung in Deutschland dieses vielleicht vermögen zur Wahrung der Rechte
der Herzogthümer ein Bündniß mit Frankreich, ja wohl auch mit der nordamerika¬
nischen Union abzuschließen. Dahin darf und will es England unter den obwal¬
tenden Verhältnissen und ans nahe liegenden Gründen nicht kommen lassen. So
ist es denn höchst spaßhaft, die Verlegenheit zu beobachten, in welcher sich die
Times And andere englische Journale befinden. Sie versuchen einzulenken und
wollen sich doch kein Dementi geben, sie suchen auf alle mögliche Weise ehrenvoll
dem Dilemma zu entgehen, in welches sie sich thöricht selbst gebracht und statt in
die Kriegötrompete zu stoßen, beginnen sie nun versöhnende Friedenshymnen an¬
zustimmen. Es läßt sich aus diesen Conjuncturen recht gut folgern, daß ein bal¬
diger Frieden zu erwarten steht.

Ob aber dieser Frieden so ausfallen wird, daß Deutschland und die Herzog¬
thümer damit zufrieden sein können, dies ist eine neue Frage, deren Antwort leider
verneinend ausfallen wird. Die Stimmen des Bundestags und des Parlaments
werden tonlos verhallen gegenüber den Machtworten der Großmächte und die
Staatenlage Deutschlands wird es kaum gestatten, diese Angelegenheit ohne Ueber-
eilung zu Ende zu führen. Die Vermittlung läßt nur zwei Fälle denken: Ent¬
weder völlige Herstellung des alten se-dens «me» mit Berücksichtigung der Rechte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/508>, abgerufen am 17.06.2024.