Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einer Geldstrafe von 15 bis 1500 Mark oder mit Gefängniß von drei Tagen bis drei
Monaten bestraft."

§. 17. bestimmt, daß nicht mir der Verfasser, sondern auch der Verleger, Drucker
und Verbreiter einer strafbaren Druckschrift verantwortlich sind und zur Strafe gezogen
werden sollen, mithin sind sogar die armen Colporteurs unter dem Henkerbeile. §. 16
befiehlt, mißliebige Schriften zu confiscircn und zu vernichten. Nach ez. 13 wird mit
15 bis 300 Mark bestraft, wer eine vom Staate anerkannte Neligionsgesellschaft an¬
greift. Nach dz. 22 hat die Polizei in einigen Fällen die Strafe zu bestimmen.
§. 34 bestimmt, daß nichterscheinende Zeugen, wenn sie vorgeladen, in 10 Thlr. Brügge
verfallen u. f. w. u. s. w.

Man wird es der Fassung der angezogenen Artikel ansehen, daß man nicht
nur ein möglichst strenges Preßgesetz beabsichtigte, sondern vorzüglich durch vage
Bestimmungen der Willkür und Deutelei vollsten Spielraum zu gewahren bemüht
war, um durch häufige Preßprocesse die Schriftsteller, wenn gleich nicht immer
verurtheilen, doch schrecken zu können, was hier als ein um so wirksameres Mittel
zur Einschüchterung betrachtet werden muß, da die Prozeßkvsten nicht nur außer¬
ordentlich groß, sondern es bei unsern Gerichten auch Mode ist, die Kosten zu
compensiren.

Auch sind die sämmtlichen hiesigen Schriftsteller, Buchhändler, Verleger, Druk-
ker und Lithographen zuerst am 4., dann wiederholt zusammengetreten, um Protest
gegen dieses perfide Preßgesetz -- welches die erste Frucht uuserer Reformbestre¬
bungen ist, wie es die erste von der blassen Furcht des Senats erpreßte Bewilli¬
gung war einzulegen und alle nur möglichen Schritte zur Beseitigung desselben
zu thun. Bis nach Erreichung dieses gemeinsamen Zweckes sollen, so ist beschlos¬
sen worden, alle literarischen Streitigkeiten unter den Leidensgenossen selbst auf¬
hören und der als ein Ehrloser und Ausgestoßener betrachtet werden, der einen
Andern auf irgend eine Weise angreist. --

Der Groll der untern Volksschichten ist dadurch nicht beschwichtigt worden, auch
nicht durch den Umstand, daß die Erbgesesseueu erst kürzlich aus dem Beutel des Volks
13,000 Mark über 5000 Thaler -- für die beim Volkscrawall zerschmetterten
Fensterscheiben u. s. w. einiger unbeliebten Senatoren bewilligt, obschon die Bür¬
ger viele Tage und Nächte vor diesen bedrohten Wohnungen Wache gehalten. Wie
uns versichert worden, haben sich ganze Bataillons des Bürgermilitärs Wort und
Handschlag darauf gegeben, sich nicht wieder als Wachen vor den Häusern der
Millionärs aufzustellen, die durch eigene Verschuldung den Haß des Volks auf
sich geladen, sondern dieses gewähren zu lassen. (?) Daß sie, die Bürger, zur
Wiederherstellung des durch Jene gebrochenen Friedens erst mit ihrer Person, dann
aber auch noch die zerbrochenen Fensterscheiben der Verhaßten aus ihrem Beutel
bezahlen mußten, hat sie zur Besinnung über die Zumuthungen der reaktionären
Partei gebracht und der Reform manchen neuen Freund zugeführt.

Eine andere Begebenheit macht hier ungeheures Aufsehe". Es soll sich her¬
ausstellen, daß unsere gegen die Dänen in's Feld gerückte Garnison mit unbrauch-


einer Geldstrafe von 15 bis 1500 Mark oder mit Gefängniß von drei Tagen bis drei
Monaten bestraft."

§. 17. bestimmt, daß nicht mir der Verfasser, sondern auch der Verleger, Drucker
und Verbreiter einer strafbaren Druckschrift verantwortlich sind und zur Strafe gezogen
werden sollen, mithin sind sogar die armen Colporteurs unter dem Henkerbeile. §. 16
befiehlt, mißliebige Schriften zu confiscircn und zu vernichten. Nach ez. 13 wird mit
15 bis 300 Mark bestraft, wer eine vom Staate anerkannte Neligionsgesellschaft an¬
greift. Nach dz. 22 hat die Polizei in einigen Fällen die Strafe zu bestimmen.
§. 34 bestimmt, daß nichterscheinende Zeugen, wenn sie vorgeladen, in 10 Thlr. Brügge
verfallen u. f. w. u. s. w.

Man wird es der Fassung der angezogenen Artikel ansehen, daß man nicht
nur ein möglichst strenges Preßgesetz beabsichtigte, sondern vorzüglich durch vage
Bestimmungen der Willkür und Deutelei vollsten Spielraum zu gewahren bemüht
war, um durch häufige Preßprocesse die Schriftsteller, wenn gleich nicht immer
verurtheilen, doch schrecken zu können, was hier als ein um so wirksameres Mittel
zur Einschüchterung betrachtet werden muß, da die Prozeßkvsten nicht nur außer¬
ordentlich groß, sondern es bei unsern Gerichten auch Mode ist, die Kosten zu
compensiren.

Auch sind die sämmtlichen hiesigen Schriftsteller, Buchhändler, Verleger, Druk-
ker und Lithographen zuerst am 4., dann wiederholt zusammengetreten, um Protest
gegen dieses perfide Preßgesetz — welches die erste Frucht uuserer Reformbestre¬
bungen ist, wie es die erste von der blassen Furcht des Senats erpreßte Bewilli¬
gung war einzulegen und alle nur möglichen Schritte zur Beseitigung desselben
zu thun. Bis nach Erreichung dieses gemeinsamen Zweckes sollen, so ist beschlos¬
sen worden, alle literarischen Streitigkeiten unter den Leidensgenossen selbst auf¬
hören und der als ein Ehrloser und Ausgestoßener betrachtet werden, der einen
Andern auf irgend eine Weise angreist. —

Der Groll der untern Volksschichten ist dadurch nicht beschwichtigt worden, auch
nicht durch den Umstand, daß die Erbgesesseueu erst kürzlich aus dem Beutel des Volks
13,000 Mark über 5000 Thaler -- für die beim Volkscrawall zerschmetterten
Fensterscheiben u. s. w. einiger unbeliebten Senatoren bewilligt, obschon die Bür¬
ger viele Tage und Nächte vor diesen bedrohten Wohnungen Wache gehalten. Wie
uns versichert worden, haben sich ganze Bataillons des Bürgermilitärs Wort und
Handschlag darauf gegeben, sich nicht wieder als Wachen vor den Häusern der
Millionärs aufzustellen, die durch eigene Verschuldung den Haß des Volks auf
sich geladen, sondern dieses gewähren zu lassen. (?) Daß sie, die Bürger, zur
Wiederherstellung des durch Jene gebrochenen Friedens erst mit ihrer Person, dann
aber auch noch die zerbrochenen Fensterscheiben der Verhaßten aus ihrem Beutel
bezahlen mußten, hat sie zur Besinnung über die Zumuthungen der reaktionären
Partei gebracht und der Reform manchen neuen Freund zugeführt.

Eine andere Begebenheit macht hier ungeheures Aufsehe». Es soll sich her¬
ausstellen, daß unsere gegen die Dänen in's Feld gerückte Garnison mit unbrauch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0522" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276728"/>
          <p xml:id="ID_1790" prev="#ID_1789"> einer Geldstrafe von 15 bis 1500 Mark oder mit Gefängniß von drei Tagen bis drei<lb/>
Monaten bestraft."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1791"> §. 17. bestimmt, daß nicht mir der Verfasser, sondern auch der Verleger, Drucker<lb/>
und Verbreiter einer strafbaren Druckschrift verantwortlich sind und zur Strafe gezogen<lb/>
werden sollen, mithin sind sogar die armen Colporteurs unter dem Henkerbeile. §. 16<lb/>
befiehlt, mißliebige Schriften zu confiscircn und zu vernichten. Nach ez. 13 wird mit<lb/>
15 bis 300 Mark bestraft, wer eine vom Staate anerkannte Neligionsgesellschaft an¬<lb/>
greift. Nach dz. 22 hat die Polizei in einigen Fällen die Strafe zu bestimmen.<lb/>
§. 34 bestimmt, daß nichterscheinende Zeugen, wenn sie vorgeladen, in 10 Thlr. Brügge<lb/>
verfallen u. f. w. u. s. w.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1792"> Man wird es der Fassung der angezogenen Artikel ansehen, daß man nicht<lb/>
nur ein möglichst strenges Preßgesetz beabsichtigte, sondern vorzüglich durch vage<lb/>
Bestimmungen der Willkür und Deutelei vollsten Spielraum zu gewahren bemüht<lb/>
war, um durch häufige Preßprocesse die Schriftsteller, wenn gleich nicht immer<lb/>
verurtheilen, doch schrecken zu können, was hier als ein um so wirksameres Mittel<lb/>
zur Einschüchterung betrachtet werden muß, da die Prozeßkvsten nicht nur außer¬<lb/>
ordentlich groß, sondern es bei unsern Gerichten auch Mode ist, die Kosten zu<lb/>
compensiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1793"> Auch sind die sämmtlichen hiesigen Schriftsteller, Buchhändler, Verleger, Druk-<lb/>
ker und Lithographen zuerst am 4., dann wiederholt zusammengetreten, um Protest<lb/>
gegen dieses perfide Preßgesetz &#x2014; welches die erste Frucht uuserer Reformbestre¬<lb/>
bungen ist, wie es die erste von der blassen Furcht des Senats erpreßte Bewilli¬<lb/>
gung war einzulegen und alle nur möglichen Schritte zur Beseitigung desselben<lb/>
zu thun. Bis nach Erreichung dieses gemeinsamen Zweckes sollen, so ist beschlos¬<lb/>
sen worden, alle literarischen Streitigkeiten unter den Leidensgenossen selbst auf¬<lb/>
hören und der als ein Ehrloser und Ausgestoßener betrachtet werden, der einen<lb/>
Andern auf irgend eine Weise angreist. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1794"> Der Groll der untern Volksschichten ist dadurch nicht beschwichtigt worden, auch<lb/>
nicht durch den Umstand, daß die Erbgesesseueu erst kürzlich aus dem Beutel des Volks<lb/>
13,000 Mark über 5000 Thaler -- für die beim Volkscrawall zerschmetterten<lb/>
Fensterscheiben u. s. w. einiger unbeliebten Senatoren bewilligt, obschon die Bür¬<lb/>
ger viele Tage und Nächte vor diesen bedrohten Wohnungen Wache gehalten. Wie<lb/>
uns versichert worden, haben sich ganze Bataillons des Bürgermilitärs Wort und<lb/>
Handschlag darauf gegeben, sich nicht wieder als Wachen vor den Häusern der<lb/>
Millionärs aufzustellen, die durch eigene Verschuldung den Haß des Volks auf<lb/>
sich geladen, sondern dieses gewähren zu lassen. (?) Daß sie, die Bürger, zur<lb/>
Wiederherstellung des durch Jene gebrochenen Friedens erst mit ihrer Person, dann<lb/>
aber auch noch die zerbrochenen Fensterscheiben der Verhaßten aus ihrem Beutel<lb/>
bezahlen mußten, hat sie zur Besinnung über die Zumuthungen der reaktionären<lb/>
Partei gebracht und der Reform manchen neuen Freund zugeführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1795" next="#ID_1796"> Eine andere Begebenheit macht hier ungeheures Aufsehe». Es soll sich her¬<lb/>
ausstellen, daß unsere gegen die Dänen in's Feld gerückte Garnison mit unbrauch-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0522] einer Geldstrafe von 15 bis 1500 Mark oder mit Gefängniß von drei Tagen bis drei Monaten bestraft." §. 17. bestimmt, daß nicht mir der Verfasser, sondern auch der Verleger, Drucker und Verbreiter einer strafbaren Druckschrift verantwortlich sind und zur Strafe gezogen werden sollen, mithin sind sogar die armen Colporteurs unter dem Henkerbeile. §. 16 befiehlt, mißliebige Schriften zu confiscircn und zu vernichten. Nach ez. 13 wird mit 15 bis 300 Mark bestraft, wer eine vom Staate anerkannte Neligionsgesellschaft an¬ greift. Nach dz. 22 hat die Polizei in einigen Fällen die Strafe zu bestimmen. §. 34 bestimmt, daß nichterscheinende Zeugen, wenn sie vorgeladen, in 10 Thlr. Brügge verfallen u. f. w. u. s. w. Man wird es der Fassung der angezogenen Artikel ansehen, daß man nicht nur ein möglichst strenges Preßgesetz beabsichtigte, sondern vorzüglich durch vage Bestimmungen der Willkür und Deutelei vollsten Spielraum zu gewahren bemüht war, um durch häufige Preßprocesse die Schriftsteller, wenn gleich nicht immer verurtheilen, doch schrecken zu können, was hier als ein um so wirksameres Mittel zur Einschüchterung betrachtet werden muß, da die Prozeßkvsten nicht nur außer¬ ordentlich groß, sondern es bei unsern Gerichten auch Mode ist, die Kosten zu compensiren. Auch sind die sämmtlichen hiesigen Schriftsteller, Buchhändler, Verleger, Druk- ker und Lithographen zuerst am 4., dann wiederholt zusammengetreten, um Protest gegen dieses perfide Preßgesetz — welches die erste Frucht uuserer Reformbestre¬ bungen ist, wie es die erste von der blassen Furcht des Senats erpreßte Bewilli¬ gung war einzulegen und alle nur möglichen Schritte zur Beseitigung desselben zu thun. Bis nach Erreichung dieses gemeinsamen Zweckes sollen, so ist beschlos¬ sen worden, alle literarischen Streitigkeiten unter den Leidensgenossen selbst auf¬ hören und der als ein Ehrloser und Ausgestoßener betrachtet werden, der einen Andern auf irgend eine Weise angreist. — Der Groll der untern Volksschichten ist dadurch nicht beschwichtigt worden, auch nicht durch den Umstand, daß die Erbgesesseueu erst kürzlich aus dem Beutel des Volks 13,000 Mark über 5000 Thaler -- für die beim Volkscrawall zerschmetterten Fensterscheiben u. s. w. einiger unbeliebten Senatoren bewilligt, obschon die Bür¬ ger viele Tage und Nächte vor diesen bedrohten Wohnungen Wache gehalten. Wie uns versichert worden, haben sich ganze Bataillons des Bürgermilitärs Wort und Handschlag darauf gegeben, sich nicht wieder als Wachen vor den Häusern der Millionärs aufzustellen, die durch eigene Verschuldung den Haß des Volks auf sich geladen, sondern dieses gewähren zu lassen. (?) Daß sie, die Bürger, zur Wiederherstellung des durch Jene gebrochenen Friedens erst mit ihrer Person, dann aber auch noch die zerbrochenen Fensterscheiben der Verhaßten aus ihrem Beutel bezahlen mußten, hat sie zur Besinnung über die Zumuthungen der reaktionären Partei gebracht und der Reform manchen neuen Freund zugeführt. Eine andere Begebenheit macht hier ungeheures Aufsehe». Es soll sich her¬ ausstellen, daß unsere gegen die Dänen in's Feld gerückte Garnison mit unbrauch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/522
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/522>, abgerufen am 17.06.2024.