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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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zu uns herüber dringt, und nur ein Gerücht kam uns heut zu Ohren, wonach in
Paris Alles drüber und bunter ging und die radikale Partei gesiegt habe. Näch¬
stens soll einer in die Stadt geschickt werden, um für die ganze Compagnie die
Zeitungen der letzten 14 Tage, wenn er sie nicht mitbringen kann, doch zu lesen.
.Deutsche Bücher find weit und breit hier nicht aufzutreiben. Desto besser ist es
dagegen bei diesen reichen Bauern hier mit unserer materiellen Pflege bestellt. In
keinem Lande ist wohl der Bauernstand in einer solchen Blüthe, wie in den Her¬
zogtümern, und namentlich ist er in dieser Gegend durch die Fruchtbarkeit des Bo¬
dens und die verhältnißmäßig geringe Bevölkerung in einem ganz besondern Wohl¬
stande, wie schon das Aeußere der Häuser, die häufig mehr städtischen Landhäusern
als Bauerhäusern gleichen und die oft, wenigstens in einigen Stuben, vorhandene
städtische Eleganz zeigen. Dabei sind die Bauern in Kleidung und Gewohnheit
bei ihrer alten väterlichen Sitte geblieben, die freilich Essen und Trinken nicht
vernachlässigt. Auch herrscht hier noch die alle bäuerliche Aristokratie, nach der
jeder nach der Zahl seiner Hufen Landes bemessen wird und sich was zu vergeben
meint, wenn er mir einem "kleinern Mann" sich einläßt. Daher lieben sie es auch,
ihren Reichthum zur Schau zu tragen, und so war unser Wirth zum Beispiel gar
uicht damit zufrieden, daß er zufällig einige Mann weniger als das ihm Gebüh¬
rende bei sich einquartirt hatte und fragte täglich an, ob die andern noch nicht
bald kämen. Auch in diesen Dörfern findet sich die allgemeine Beobachtung be¬
stätigt, daß der intelligentere Theil des Volkes der deutschen Sache zugethan ist,
indem der eigentliche Bauernstand uns entschieden begünstigt, die sogenannten
"kleinern Leute," Arbeitsleute und kleine Handwerker dagegen, aufgehetzt von den
meistens dänischen Schulmeistern, der dänische" Propaganda, namentlich durch
Lauritz Skau, sehen uns mit mißgünstigen Augen an, tragen sich mit den fabel¬
haftesten Gerüchten über die Siege der Dänen, Hilfe der Schweden, Nüssen und
Engländer n. tgi. mehr. Nur in einigen Kirchspielen ist es den dänischen Predi¬
gern gelungen, ganz allgemein einen Fanatismus gegen die deutsche Partei zu
erzeugen, und dieser ist namentlich in der Mitte und im Westen des Landes so
weit gesteigert, daß die Bauern förmliche Kreuzzüge gegen den deutscheu Flecken
Lhgumkloster und gegen die dortigen Beamten gemacht haben. Meistenteils ist
jedoch auch diesen Dänen der Gedanke der Theilung Schleswigs nach den Natio¬
nalitäten sehr zuwider und auch sie wollen durchaus uicht eine Vereinigung mit,
^ütland, sondern nnr die Aufrechterhaltung des alten Zustandes, während man
"und unter den "Deutschen" viele Stimmen gegen die Aufnahme in den deutschen
^"ud hört und diese überhaupt ein Hauptschreckmittel der dänischen Propaganda
ist. Denn mit dieser wird der Eintritt in den Zollverein in Verbindung gebracht,
wo das Salz unerschwinglich theuer, die englischen Waaren nicht zu bezahlen sind
u- tgi. unchx. Die große Bereitwilligkeit der provisorischen Regierung zu diesem
Eintritt in den Bund hat ihr auch in diesen Gegenden viel geschadet. Im Gan-
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zu uns herüber dringt, und nur ein Gerücht kam uns heut zu Ohren, wonach in
Paris Alles drüber und bunter ging und die radikale Partei gesiegt habe. Näch¬
stens soll einer in die Stadt geschickt werden, um für die ganze Compagnie die
Zeitungen der letzten 14 Tage, wenn er sie nicht mitbringen kann, doch zu lesen.
.Deutsche Bücher find weit und breit hier nicht aufzutreiben. Desto besser ist es
dagegen bei diesen reichen Bauern hier mit unserer materiellen Pflege bestellt. In
keinem Lande ist wohl der Bauernstand in einer solchen Blüthe, wie in den Her¬
zogtümern, und namentlich ist er in dieser Gegend durch die Fruchtbarkeit des Bo¬
dens und die verhältnißmäßig geringe Bevölkerung in einem ganz besondern Wohl¬
stande, wie schon das Aeußere der Häuser, die häufig mehr städtischen Landhäusern
als Bauerhäusern gleichen und die oft, wenigstens in einigen Stuben, vorhandene
städtische Eleganz zeigen. Dabei sind die Bauern in Kleidung und Gewohnheit
bei ihrer alten väterlichen Sitte geblieben, die freilich Essen und Trinken nicht
vernachlässigt. Auch herrscht hier noch die alle bäuerliche Aristokratie, nach der
jeder nach der Zahl seiner Hufen Landes bemessen wird und sich was zu vergeben
meint, wenn er mir einem „kleinern Mann" sich einläßt. Daher lieben sie es auch,
ihren Reichthum zur Schau zu tragen, und so war unser Wirth zum Beispiel gar
uicht damit zufrieden, daß er zufällig einige Mann weniger als das ihm Gebüh¬
rende bei sich einquartirt hatte und fragte täglich an, ob die andern noch nicht
bald kämen. Auch in diesen Dörfern findet sich die allgemeine Beobachtung be¬
stätigt, daß der intelligentere Theil des Volkes der deutschen Sache zugethan ist,
indem der eigentliche Bauernstand uns entschieden begünstigt, die sogenannten
„kleinern Leute," Arbeitsleute und kleine Handwerker dagegen, aufgehetzt von den
meistens dänischen Schulmeistern, der dänische» Propaganda, namentlich durch
Lauritz Skau, sehen uns mit mißgünstigen Augen an, tragen sich mit den fabel¬
haftesten Gerüchten über die Siege der Dänen, Hilfe der Schweden, Nüssen und
Engländer n. tgi. mehr. Nur in einigen Kirchspielen ist es den dänischen Predi¬
gern gelungen, ganz allgemein einen Fanatismus gegen die deutsche Partei zu
erzeugen, und dieser ist namentlich in der Mitte und im Westen des Landes so
weit gesteigert, daß die Bauern förmliche Kreuzzüge gegen den deutscheu Flecken
Lhgumkloster und gegen die dortigen Beamten gemacht haben. Meistenteils ist
jedoch auch diesen Dänen der Gedanke der Theilung Schleswigs nach den Natio¬
nalitäten sehr zuwider und auch sie wollen durchaus uicht eine Vereinigung mit,
^ütland, sondern nnr die Aufrechterhaltung des alten Zustandes, während man
"und unter den „Deutschen" viele Stimmen gegen die Aufnahme in den deutschen
^"ud hört und diese überhaupt ein Hauptschreckmittel der dänischen Propaganda
ist. Denn mit dieser wird der Eintritt in den Zollverein in Verbindung gebracht,
wo das Salz unerschwinglich theuer, die englischen Waaren nicht zu bezahlen sind
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/117>, abgerufen am 16.06.2024.