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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band.

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Kampfgewühl sich zu stürzen und viel mehr erliegen diesen Strapazen, als im wirk¬
lichen Kampfe fallen.

Hier in diesem wunderschön gelegenen Städtchen an einem tiefen Ostseebusen
erholen wir uns wieder und führen mit den Offizieren der holsteinischen Truppen
ein heiteres Leben, machen Parthien zu Wasser und zu Lande zu den schönsten
Punkten, und vom Kriege spricht man nur, um sich gegenseitig seine Heldenthaten
zu erzählen. In der mit Trupven überfüllten Stadt sieht man freilich von den
Einwohnern wenig, und selten erblickt man mal am Fenster den scheuen, kalten
Blick einer Veilenser Schönheit, die meistens die Stadt verlassen haben sollen,
allein man vertröstet sich auf die Fest- und Friedensbälle der Heimath, die man
sehr bald erwartet. Die Freicorps werden wahrscheinlich noch heute für aufgelöst
erklärt und den Befehl zum Rückmarsch bekommen.

Die Hoffnung auf baldige Heimkehr und ans Frieden scheint sich zu zerschla¬
gen. Auf die Bitte der Haderslcbener Bürger und auf eine Vorstellung von
Wrangel, daß hier Militär nöthig sei und er kein anderes disponibel habe,
sind wir hier geblieben und haben uns zum Schutz der Stadt und Küste neu
verpflichtet. Hadersleben ist eine reiche und freundliche Stadt, die für die deutsche
Sache begeistert ist und schon manches Opfer ihr gebracht hat. Die kleine däni¬
sche Partei besteht hier gerade umgekehrt, wie in Flensburg, aus den untern Stän¬
den, die von den dänischen Emissären bearbeitet find. In der in den letzten
Jahren so oft erwähnten lateinischen Schule haben wir unsere Wache. Hier war
es in den letzten Tagen recht lebhaft, da sämmtliche Freicorps hier Ruhetag hat¬
ten, eine bunte Schaar, unter der viele abenteuerliche Gestalten. Namentlich ist
das in dem von der Tann'schen Corps der Fall, das ans lauter auswärtigen
Freischaaren gebildet ist, wo der Hamburger neben dem Prager, der Kölner neben
dem Berliner dient. Eine tapfere Schaar soll es sein, aber manche Elemente sind
darin, über die der bessere Geist des Corps schwer Herr wird und die den Frei-
schaaren viel geschadet haben. Namentlich ist das gespannte Verhältniß mit den
preußischen Truppen nicht ganz ohne Schuld vou Seiten der Freischaaren so ge¬
worden.

Nun führen wir hier schon über eine Woche unser stilles idyllisches Leben
an der schönen mit Buchenwäldern und lieblichen Hügeln bekränzten Ostseeküste
und nur die Kanonade, die oft ans Norden oder Süden zu uns herübertönt, und
die Kanonenböte, die uns, so oft wir auf der Küste auf Wache sind, allarmiren
und in Bewegung halten, auch wohl unsere gutgezielten Büchsenschüsse, falls sie
sich zu nah an's Land wagen, mit unschädlichen Kartätschensalven beantworten,
erinnern uns an den Krieg und dessen Ernst. Das idyllische Leben geht freilich
so weit, daß keine Nachricht, keine Zeitung aus der übrigen, doch so wirren Welt


Kampfgewühl sich zu stürzen und viel mehr erliegen diesen Strapazen, als im wirk¬
lichen Kampfe fallen.

Hier in diesem wunderschön gelegenen Städtchen an einem tiefen Ostseebusen
erholen wir uns wieder und führen mit den Offizieren der holsteinischen Truppen
ein heiteres Leben, machen Parthien zu Wasser und zu Lande zu den schönsten
Punkten, und vom Kriege spricht man nur, um sich gegenseitig seine Heldenthaten
zu erzählen. In der mit Trupven überfüllten Stadt sieht man freilich von den
Einwohnern wenig, und selten erblickt man mal am Fenster den scheuen, kalten
Blick einer Veilenser Schönheit, die meistens die Stadt verlassen haben sollen,
allein man vertröstet sich auf die Fest- und Friedensbälle der Heimath, die man
sehr bald erwartet. Die Freicorps werden wahrscheinlich noch heute für aufgelöst
erklärt und den Befehl zum Rückmarsch bekommen.

Die Hoffnung auf baldige Heimkehr und ans Frieden scheint sich zu zerschla¬
gen. Auf die Bitte der Haderslcbener Bürger und auf eine Vorstellung von
Wrangel, daß hier Militär nöthig sei und er kein anderes disponibel habe,
sind wir hier geblieben und haben uns zum Schutz der Stadt und Küste neu
verpflichtet. Hadersleben ist eine reiche und freundliche Stadt, die für die deutsche
Sache begeistert ist und schon manches Opfer ihr gebracht hat. Die kleine däni¬
sche Partei besteht hier gerade umgekehrt, wie in Flensburg, aus den untern Stän¬
den, die von den dänischen Emissären bearbeitet find. In der in den letzten
Jahren so oft erwähnten lateinischen Schule haben wir unsere Wache. Hier war
es in den letzten Tagen recht lebhaft, da sämmtliche Freicorps hier Ruhetag hat¬
ten, eine bunte Schaar, unter der viele abenteuerliche Gestalten. Namentlich ist
das in dem von der Tann'schen Corps der Fall, das ans lauter auswärtigen
Freischaaren gebildet ist, wo der Hamburger neben dem Prager, der Kölner neben
dem Berliner dient. Eine tapfere Schaar soll es sein, aber manche Elemente sind
darin, über die der bessere Geist des Corps schwer Herr wird und die den Frei-
schaaren viel geschadet haben. Namentlich ist das gespannte Verhältniß mit den
preußischen Truppen nicht ganz ohne Schuld vou Seiten der Freischaaren so ge¬
worden.

Nun führen wir hier schon über eine Woche unser stilles idyllisches Leben
an der schönen mit Buchenwäldern und lieblichen Hügeln bekränzten Ostseeküste
und nur die Kanonade, die oft ans Norden oder Süden zu uns herübertönt, und
die Kanonenböte, die uns, so oft wir auf der Küste auf Wache sind, allarmiren
und in Bewegung halten, auch wohl unsere gutgezielten Büchsenschüsse, falls sie
sich zu nah an's Land wagen, mit unschädlichen Kartätschensalven beantworten,
erinnern uns an den Krieg und dessen Ernst. Das idyllische Leben geht freilich
so weit, daß keine Nachricht, keine Zeitung aus der übrigen, doch so wirren Welt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_277429/116>, abgerufen am 16.06.2024.