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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band.

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Nadowitz nach seinen berühmten Worten, die ich übrigens sehr bewundere, "in
Berlin sehr deutsch, in Frankfurt sehr preußisch;" ich verstehe große Feinheiten
nur langsam und meine Zunge läuft gerade aus auf der großen Chaussee der
Allerweltsgedanken, ich bin ein guter Preuße in Preußen und würde es. auch im
übrigen Deutschland bleiben müssen. Ob mich das unfähig macht meine Meinung
öffentlich auszusprechen, darüber mag das Publikum entscheiden.

Als im vorigen März die Nevolutionsnacht in Berlin losgebrochen war und
furchtbare Aufregung uns Allen die Glieder schlitterte, da dachten wir nicht, daß
es nach einem Jahre mit Deutschland so werden sollte, wie es gekommen ist, daß
aus der Revolution das Project hervorgehn würde, unsern König zum Kaiser von
Deutschland, wenigstens dem größten Theil davon zu machen. Jetzt glossiren
die Fremden in meiner Nähe bereits über die Ehre, die eine solche Erhebung
für ganz Preußen sei, und die Nichtprenßen Protestiren entweder dagegen,
daß man uns damit habe eine Ehre erzeigen wollen, oder sie knurren heftig
und behaupten es wäre auch ohne uns, und besser gegangen. Ich kann mich
über die ganze Sache nicht gerade freuen, denn ich meine, daß die große Ver¬
änderung, welche dadurch in der Stellung Preußens zu Deutschland und
seinem Fürstenhause herbeigeführt wird, eben so viel, ja mehr Verpflichtungen
und Lasten für Preußen hervorgehen werden, als Vortheil. Diese Be¬
hauptung wird bei dem poetischen Enthusiasmus der Gegenwart selbstsüchtig
und niedrig gescholten, aber ich fühle auch, daß diese Selbstsucht ihre vollstän¬
dige Berechtigung hat. Wohl erkenne ich, so gut wie Andere, daß die Vereinigung
der deutscheu Staaten unabweislich und dringende Nothwendigkeit geworden ist
und ich freue mich aufrichtig dieser Nothwendigkeit, ich weiß auch, daß bei einer
solchen Verbindung von Mehreren zu einem Geschäft, der Stärkste, welcher die
größten Mittel hat, die größte Thätigkeit zu entwickeln und am meisten für die
Andern zu leisten verpflichtet ist, und ich sehe, daß Preußen unter den deutschen
Staaten diese Stellung und ihre Pflichten übernehmen müßte, aber ich ärgere mich
darüber, daß man uns Preußen die "Ehre," die uns dadurch wiederfahre, hier und
da beneidet und die neue Stellung unseres Regentenhauses öffentlich für eine un¬
verdiente erklärt. Meine Herren, die Ehre, welche Preußen erlangen kann, ist keine
andere, als die, seine Kraft, sein Vermögen und seinen Einfluß für die kleiner"?
Bundesstaaten arbeiten zu lassen und die Ehre, welche dem König zu Theil wird,
wäre: für eine Anzahl von Jahren eine gefährliche Verantwortlichkeit, eine Fluth
von guten und schlechte" Witzen über sein kleines, frischansgcbrütetes Kaiserthum
und ein graues Haupthaar vor der Zeit. Wir danke" für eine solche Ehre! --
Was nöthig ist, und mit Recht von uns gefordert wird durch die übrigen Deut"
schen, das werden wir thun, ehrlich und ohne Eigennutz, aber wohl verstanden
aus Pflichtgefühl, nicht, weil es uns besonders froh und glücklich machte. Wir


. "r.i,zbotcn. I. 27

Nadowitz nach seinen berühmten Worten, die ich übrigens sehr bewundere, „in
Berlin sehr deutsch, in Frankfurt sehr preußisch;" ich verstehe große Feinheiten
nur langsam und meine Zunge läuft gerade aus auf der großen Chaussee der
Allerweltsgedanken, ich bin ein guter Preuße in Preußen und würde es. auch im
übrigen Deutschland bleiben müssen. Ob mich das unfähig macht meine Meinung
öffentlich auszusprechen, darüber mag das Publikum entscheiden.

Als im vorigen März die Nevolutionsnacht in Berlin losgebrochen war und
furchtbare Aufregung uns Allen die Glieder schlitterte, da dachten wir nicht, daß
es nach einem Jahre mit Deutschland so werden sollte, wie es gekommen ist, daß
aus der Revolution das Project hervorgehn würde, unsern König zum Kaiser von
Deutschland, wenigstens dem größten Theil davon zu machen. Jetzt glossiren
die Fremden in meiner Nähe bereits über die Ehre, die eine solche Erhebung
für ganz Preußen sei, und die Nichtprenßen Protestiren entweder dagegen,
daß man uns damit habe eine Ehre erzeigen wollen, oder sie knurren heftig
und behaupten es wäre auch ohne uns, und besser gegangen. Ich kann mich
über die ganze Sache nicht gerade freuen, denn ich meine, daß die große Ver¬
änderung, welche dadurch in der Stellung Preußens zu Deutschland und
seinem Fürstenhause herbeigeführt wird, eben so viel, ja mehr Verpflichtungen
und Lasten für Preußen hervorgehen werden, als Vortheil. Diese Be¬
hauptung wird bei dem poetischen Enthusiasmus der Gegenwart selbstsüchtig
und niedrig gescholten, aber ich fühle auch, daß diese Selbstsucht ihre vollstän¬
dige Berechtigung hat. Wohl erkenne ich, so gut wie Andere, daß die Vereinigung
der deutscheu Staaten unabweislich und dringende Nothwendigkeit geworden ist
und ich freue mich aufrichtig dieser Nothwendigkeit, ich weiß auch, daß bei einer
solchen Verbindung von Mehreren zu einem Geschäft, der Stärkste, welcher die
größten Mittel hat, die größte Thätigkeit zu entwickeln und am meisten für die
Andern zu leisten verpflichtet ist, und ich sehe, daß Preußen unter den deutschen
Staaten diese Stellung und ihre Pflichten übernehmen müßte, aber ich ärgere mich
darüber, daß man uns Preußen die „Ehre," die uns dadurch wiederfahre, hier und
da beneidet und die neue Stellung unseres Regentenhauses öffentlich für eine un¬
verdiente erklärt. Meine Herren, die Ehre, welche Preußen erlangen kann, ist keine
andere, als die, seine Kraft, sein Vermögen und seinen Einfluß für die kleiner»?
Bundesstaaten arbeiten zu lassen und die Ehre, welche dem König zu Theil wird,
wäre: für eine Anzahl von Jahren eine gefährliche Verantwortlichkeit, eine Fluth
von guten und schlechte» Witzen über sein kleines, frischansgcbrütetes Kaiserthum
und ein graues Haupthaar vor der Zeit. Wir danke» für eine solche Ehre! —
Was nöthig ist, und mit Recht von uns gefordert wird durch die übrigen Deut«
schen, das werden wir thun, ehrlich und ohne Eigennutz, aber wohl verstanden
aus Pflichtgefühl, nicht, weil es uns besonders froh und glücklich machte. Wir


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[0217] Nadowitz nach seinen berühmten Worten, die ich übrigens sehr bewundere, „in Berlin sehr deutsch, in Frankfurt sehr preußisch;" ich verstehe große Feinheiten nur langsam und meine Zunge läuft gerade aus auf der großen Chaussee der Allerweltsgedanken, ich bin ein guter Preuße in Preußen und würde es. auch im übrigen Deutschland bleiben müssen. Ob mich das unfähig macht meine Meinung öffentlich auszusprechen, darüber mag das Publikum entscheiden. Als im vorigen März die Nevolutionsnacht in Berlin losgebrochen war und furchtbare Aufregung uns Allen die Glieder schlitterte, da dachten wir nicht, daß es nach einem Jahre mit Deutschland so werden sollte, wie es gekommen ist, daß aus der Revolution das Project hervorgehn würde, unsern König zum Kaiser von Deutschland, wenigstens dem größten Theil davon zu machen. Jetzt glossiren die Fremden in meiner Nähe bereits über die Ehre, die eine solche Erhebung für ganz Preußen sei, und die Nichtprenßen Protestiren entweder dagegen, daß man uns damit habe eine Ehre erzeigen wollen, oder sie knurren heftig und behaupten es wäre auch ohne uns, und besser gegangen. Ich kann mich über die ganze Sache nicht gerade freuen, denn ich meine, daß die große Ver¬ änderung, welche dadurch in der Stellung Preußens zu Deutschland und seinem Fürstenhause herbeigeführt wird, eben so viel, ja mehr Verpflichtungen und Lasten für Preußen hervorgehen werden, als Vortheil. Diese Be¬ hauptung wird bei dem poetischen Enthusiasmus der Gegenwart selbstsüchtig und niedrig gescholten, aber ich fühle auch, daß diese Selbstsucht ihre vollstän¬ dige Berechtigung hat. Wohl erkenne ich, so gut wie Andere, daß die Vereinigung der deutscheu Staaten unabweislich und dringende Nothwendigkeit geworden ist und ich freue mich aufrichtig dieser Nothwendigkeit, ich weiß auch, daß bei einer solchen Verbindung von Mehreren zu einem Geschäft, der Stärkste, welcher die größten Mittel hat, die größte Thätigkeit zu entwickeln und am meisten für die Andern zu leisten verpflichtet ist, und ich sehe, daß Preußen unter den deutschen Staaten diese Stellung und ihre Pflichten übernehmen müßte, aber ich ärgere mich darüber, daß man uns Preußen die „Ehre," die uns dadurch wiederfahre, hier und da beneidet und die neue Stellung unseres Regentenhauses öffentlich für eine un¬ verdiente erklärt. Meine Herren, die Ehre, welche Preußen erlangen kann, ist keine andere, als die, seine Kraft, sein Vermögen und seinen Einfluß für die kleiner»? Bundesstaaten arbeiten zu lassen und die Ehre, welche dem König zu Theil wird, wäre: für eine Anzahl von Jahren eine gefährliche Verantwortlichkeit, eine Fluth von guten und schlechte» Witzen über sein kleines, frischansgcbrütetes Kaiserthum und ein graues Haupthaar vor der Zeit. Wir danke» für eine solche Ehre! — Was nöthig ist, und mit Recht von uns gefordert wird durch die übrigen Deut« schen, das werden wir thun, ehrlich und ohne Eigennutz, aber wohl verstanden aus Pflichtgefühl, nicht, weil es uns besonders froh und glücklich machte. Wir . «r.i,zbotcn. I. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_277987/217>, abgerufen am 27.05.2024.