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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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solute Regierung vertretene Einheit der Monarchie hätte gefährden können. Auch
diese in den frühern Verhältnissen dem Namen nach konstitutionellen Länder, welche
von ihren Rechten nun das einer theilweisen Steuerbewilligung ^) der Gesammtheit
überlassen müssen, hiefür aber durch die Theilnahme an dem allgemeinen Reichstage
und die verantwortliche Leitung ihrer eigenen Geschäfte entschädigt werden, müs¬
sen durch diese Veränderung nicht nur an kouMutioueller Freiheit, sondern selbst
an provinzieller Selbstständigkeit gewinnen. Alle übrigen Provinzen der Monar¬
chie, die bei einer neuen Koustituiruug derselben unmöglich eine andere Stellung
als die vorgenannten Kronländer erhalten können, würden durch Gewährung die¬
ser Art von Selbstständigkeit, welche die Einheit der Monarchie nicht stört, mehr
erhalten als sie seit Jahrhunderten besessen haben. Es folgt hieraus, daß die Ver¬
mittelung der historischen Ansprüche der einzelnen Provinzen mit den Bedürfnissen
eines einheitlichen Staates in Oestreich nur so lange nicht möglich ist, als jene,
die für die Einheit der Monarchie thätig sind, mehr als diese Einheit, nud jene,
die um ihr historisches Recht ringen, mehr als dieses erreichen wollen.

Da jene Ansprüche, welche im Namen der Nationalität auf der Grundlage
der Sprachverschiedenheit erhoben werden, im Kreise des Provinziallebens nicht
zu befriedigen sind, und das Bestehen dieser Ansprüche ebenso wenig geleugnet
werden kann, als ihre Gefährlichkeit für den Staat, wenn er mit ihnen in direc-
ten Gegensatz tritt: so muß durch eine freie Kvmmunalverfassung und durch die
dem Einzelnen gebotene Möglichkeit, sich zur Währung der sprachlichen Nationali¬
tät mit seinen Sprachgenossen zu vereinigen, mit einen: Worte, durch einen hohen
Grad individueller Freiheit jede Ursache zu einem solchen Kampfe ver¬
mieden werden.

Aus dem Gesagten geht zugleich meine Ansicht über jene Staatsform, welche
ich in der östreichischen Monarchie für die einzig mögliche halte, hervor.

Oestreich bedarf der Einheit, es bedarf mithin solcher Ge¬
walten, durch welche dieselbe aufrecht erhalten wird. Ohne einen
gemeinsamen Reichstag und ein gemeinsames Ministerium, welches alle den ganzen
Staat betreffenden Angelegenheiten verwaltet, wobei es -- mit sehr wenigen Aus¬
nahmen -- nur vou seiner Ernennung abhängige Verwaltungsbeamte gebrauchen
kann, währeud es selbst dem allgemeinen Reichstage, und nur diesem verant¬
wortlich ist -- ohne einen allgemeinen Reichstag und ein solches Reichsministerium
ist keine Einheit denkbar.

Es gibt Angelegenheiten, welche nur den Gesaunutstaat betreffen, wie z. B.
alles, was den Regenten und seine Familie, die Land- und Seemacht, den Handel
und alle auswärtigen Angelegenheiten betrifft, und in Hinsicht aller dieser Dinge



*) ES ist bekannt, das? sich das StcucrbcwilligungSrccht des ungarischen Landtage? blos
auf die direkte" Steuern.erstreckte.

solute Regierung vertretene Einheit der Monarchie hätte gefährden können. Auch
diese in den frühern Verhältnissen dem Namen nach konstitutionellen Länder, welche
von ihren Rechten nun das einer theilweisen Steuerbewilligung ^) der Gesammtheit
überlassen müssen, hiefür aber durch die Theilnahme an dem allgemeinen Reichstage
und die verantwortliche Leitung ihrer eigenen Geschäfte entschädigt werden, müs¬
sen durch diese Veränderung nicht nur an kouMutioueller Freiheit, sondern selbst
an provinzieller Selbstständigkeit gewinnen. Alle übrigen Provinzen der Monar¬
chie, die bei einer neuen Koustituiruug derselben unmöglich eine andere Stellung
als die vorgenannten Kronländer erhalten können, würden durch Gewährung die¬
ser Art von Selbstständigkeit, welche die Einheit der Monarchie nicht stört, mehr
erhalten als sie seit Jahrhunderten besessen haben. Es folgt hieraus, daß die Ver¬
mittelung der historischen Ansprüche der einzelnen Provinzen mit den Bedürfnissen
eines einheitlichen Staates in Oestreich nur so lange nicht möglich ist, als jene,
die für die Einheit der Monarchie thätig sind, mehr als diese Einheit, nud jene,
die um ihr historisches Recht ringen, mehr als dieses erreichen wollen.

Da jene Ansprüche, welche im Namen der Nationalität auf der Grundlage
der Sprachverschiedenheit erhoben werden, im Kreise des Provinziallebens nicht
zu befriedigen sind, und das Bestehen dieser Ansprüche ebenso wenig geleugnet
werden kann, als ihre Gefährlichkeit für den Staat, wenn er mit ihnen in direc-
ten Gegensatz tritt: so muß durch eine freie Kvmmunalverfassung und durch die
dem Einzelnen gebotene Möglichkeit, sich zur Währung der sprachlichen Nationali¬
tät mit seinen Sprachgenossen zu vereinigen, mit einen: Worte, durch einen hohen
Grad individueller Freiheit jede Ursache zu einem solchen Kampfe ver¬
mieden werden.

Aus dem Gesagten geht zugleich meine Ansicht über jene Staatsform, welche
ich in der östreichischen Monarchie für die einzig mögliche halte, hervor.

Oestreich bedarf der Einheit, es bedarf mithin solcher Ge¬
walten, durch welche dieselbe aufrecht erhalten wird. Ohne einen
gemeinsamen Reichstag und ein gemeinsames Ministerium, welches alle den ganzen
Staat betreffenden Angelegenheiten verwaltet, wobei es — mit sehr wenigen Aus¬
nahmen — nur vou seiner Ernennung abhängige Verwaltungsbeamte gebrauchen
kann, währeud es selbst dem allgemeinen Reichstage, und nur diesem verant¬
wortlich ist — ohne einen allgemeinen Reichstag und ein solches Reichsministerium
ist keine Einheit denkbar.

Es gibt Angelegenheiten, welche nur den Gesaunutstaat betreffen, wie z. B.
alles, was den Regenten und seine Familie, die Land- und Seemacht, den Handel
und alle auswärtigen Angelegenheiten betrifft, und in Hinsicht aller dieser Dinge



*) ES ist bekannt, das? sich das StcucrbcwilligungSrccht des ungarischen Landtage? blos
auf die direkte» Steuern.erstreckte.
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[0111] solute Regierung vertretene Einheit der Monarchie hätte gefährden können. Auch diese in den frühern Verhältnissen dem Namen nach konstitutionellen Länder, welche von ihren Rechten nun das einer theilweisen Steuerbewilligung ^) der Gesammtheit überlassen müssen, hiefür aber durch die Theilnahme an dem allgemeinen Reichstage und die verantwortliche Leitung ihrer eigenen Geschäfte entschädigt werden, müs¬ sen durch diese Veränderung nicht nur an kouMutioueller Freiheit, sondern selbst an provinzieller Selbstständigkeit gewinnen. Alle übrigen Provinzen der Monar¬ chie, die bei einer neuen Koustituiruug derselben unmöglich eine andere Stellung als die vorgenannten Kronländer erhalten können, würden durch Gewährung die¬ ser Art von Selbstständigkeit, welche die Einheit der Monarchie nicht stört, mehr erhalten als sie seit Jahrhunderten besessen haben. Es folgt hieraus, daß die Ver¬ mittelung der historischen Ansprüche der einzelnen Provinzen mit den Bedürfnissen eines einheitlichen Staates in Oestreich nur so lange nicht möglich ist, als jene, die für die Einheit der Monarchie thätig sind, mehr als diese Einheit, nud jene, die um ihr historisches Recht ringen, mehr als dieses erreichen wollen. Da jene Ansprüche, welche im Namen der Nationalität auf der Grundlage der Sprachverschiedenheit erhoben werden, im Kreise des Provinziallebens nicht zu befriedigen sind, und das Bestehen dieser Ansprüche ebenso wenig geleugnet werden kann, als ihre Gefährlichkeit für den Staat, wenn er mit ihnen in direc- ten Gegensatz tritt: so muß durch eine freie Kvmmunalverfassung und durch die dem Einzelnen gebotene Möglichkeit, sich zur Währung der sprachlichen Nationali¬ tät mit seinen Sprachgenossen zu vereinigen, mit einen: Worte, durch einen hohen Grad individueller Freiheit jede Ursache zu einem solchen Kampfe ver¬ mieden werden. Aus dem Gesagten geht zugleich meine Ansicht über jene Staatsform, welche ich in der östreichischen Monarchie für die einzig mögliche halte, hervor. Oestreich bedarf der Einheit, es bedarf mithin solcher Ge¬ walten, durch welche dieselbe aufrecht erhalten wird. Ohne einen gemeinsamen Reichstag und ein gemeinsames Ministerium, welches alle den ganzen Staat betreffenden Angelegenheiten verwaltet, wobei es — mit sehr wenigen Aus¬ nahmen — nur vou seiner Ernennung abhängige Verwaltungsbeamte gebrauchen kann, währeud es selbst dem allgemeinen Reichstage, und nur diesem verant¬ wortlich ist — ohne einen allgemeinen Reichstag und ein solches Reichsministerium ist keine Einheit denkbar. Es gibt Angelegenheiten, welche nur den Gesaunutstaat betreffen, wie z. B. alles, was den Regenten und seine Familie, die Land- und Seemacht, den Handel und alle auswärtigen Angelegenheiten betrifft, und in Hinsicht aller dieser Dinge *) ES ist bekannt, das? sich das StcucrbcwilligungSrccht des ungarischen Landtage? blos auf die direkte» Steuern.erstreckte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/111>, abgerufen am 17.06.2024.