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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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ist der Wirkungskreis des Gesammtstaates in sich klar: In Hinsicht alles nebli¬
gen, wie Finanzen, Kommunikationsmittel n. s. w. läßt sich nnr der Grundsatz
ausstellen, daß alles dasjenige, was den ganzen Staat betrifft, auch
nur durch die Organe des Gesammtstaates geleitet werden kann.

Wie die Einheit der Monarchie nur dann bestehen kann, wenn man für die
zur Erhaltung derselben nöthigen Organe gesorgt hat, und der Wirkungskreis
dieser gesichert ist, so ist jede Provinzialverfassung ein Unding, wenn ihr jene
Mittel fehlen, wodurch sie ihrer Aufgabe im eigenen Kreise genügen kann; und
wie es kaum zu denken ist, wie ein Gesammtstaat bestehen konnte, wenn das
Ministerium desselben jeder Proviuzialversammlung besonders verantwortlich gemacht
würde, so ist es meines Erachtens nicht weniger sonderbar, von besondern Pro-
vinziallandtagen zu sprechen, wenn die Provinz für ihre inneren Ange¬
legenheiten -- und lediglich für diese -- nicht eigene, und uur
ihr verantwortliche Verwaltungsbehörden haben soll. Will man
dies nicht, so muß man sich zu eiuer der folgenden Möglichkeiten entschließen.
Entweder das Gcsammtministerinm ist jedem Proviuziallaudtag besonders verant¬
wortlich, -- was nur durch solche als möglich angenommen werden kann, die vom
konstitutionellen Leben, keinen klaren Begriff haben; oder das Gesammtministerium
ist auch für die blos die einzelnen Provinzen betreffenden administrativen Hand-
lungen den". Reichstage verantwortlich, -- wodurch dieser mit Angelegenheiten der
einzelnen Provinzen überhäuft, und an seiner eigenen Aufgabe gehindert wird; --
oder es besteht für alle Handlungen der Verwaltung, welche die einzelnen Provin¬
zen betreffen, gar keine Verantwortlichkeit, d. h. unter den konstitutionellen For¬
men der ganzen Monarchie der größte Absolutismus in allein Einzelnen, wodurch
die Verfassung des Staates jeden praktischen Werth für seine Bürger verliert. --

Daß es ganz unwichtig ist, ob diejenigen, die mit der erstell Leitung der An¬
gelegenheiten in den einzelnen Provinzen betraut siud, Münster genannt werden,
versteht sich wohl voll selbst, ja nach den Erfahrungen, die wir über die üblen
Folge" jeder Begriffsverwirrung in letzter Zeit gemacht haben, scheint es viel
zweckmäßiger, einen bescheideneren Namen -- allenfalls den von Staatsseerctären --
zu wählen. DaS Wesentliche ist uur die Trennung der innern Verwal¬
tung der Provinz von jener des Gesammtstaates, und diese kann nur
als die nothwendige Folge der Provinzialverfassnng selbst betrachtet werden.




ist der Wirkungskreis des Gesammtstaates in sich klar: In Hinsicht alles nebli¬
gen, wie Finanzen, Kommunikationsmittel n. s. w. läßt sich nnr der Grundsatz
ausstellen, daß alles dasjenige, was den ganzen Staat betrifft, auch
nur durch die Organe des Gesammtstaates geleitet werden kann.

Wie die Einheit der Monarchie nur dann bestehen kann, wenn man für die
zur Erhaltung derselben nöthigen Organe gesorgt hat, und der Wirkungskreis
dieser gesichert ist, so ist jede Provinzialverfassung ein Unding, wenn ihr jene
Mittel fehlen, wodurch sie ihrer Aufgabe im eigenen Kreise genügen kann; und
wie es kaum zu denken ist, wie ein Gesammtstaat bestehen konnte, wenn das
Ministerium desselben jeder Proviuzialversammlung besonders verantwortlich gemacht
würde, so ist es meines Erachtens nicht weniger sonderbar, von besondern Pro-
vinziallandtagen zu sprechen, wenn die Provinz für ihre inneren Ange¬
legenheiten — und lediglich für diese — nicht eigene, und uur
ihr verantwortliche Verwaltungsbehörden haben soll. Will man
dies nicht, so muß man sich zu eiuer der folgenden Möglichkeiten entschließen.
Entweder das Gcsammtministerinm ist jedem Proviuziallaudtag besonders verant¬
wortlich, — was nur durch solche als möglich angenommen werden kann, die vom
konstitutionellen Leben, keinen klaren Begriff haben; oder das Gesammtministerium
ist auch für die blos die einzelnen Provinzen betreffenden administrativen Hand-
lungen den«. Reichstage verantwortlich, — wodurch dieser mit Angelegenheiten der
einzelnen Provinzen überhäuft, und an seiner eigenen Aufgabe gehindert wird; —
oder es besteht für alle Handlungen der Verwaltung, welche die einzelnen Provin¬
zen betreffen, gar keine Verantwortlichkeit, d. h. unter den konstitutionellen For¬
men der ganzen Monarchie der größte Absolutismus in allein Einzelnen, wodurch
die Verfassung des Staates jeden praktischen Werth für seine Bürger verliert. —

Daß es ganz unwichtig ist, ob diejenigen, die mit der erstell Leitung der An¬
gelegenheiten in den einzelnen Provinzen betraut siud, Münster genannt werden,
versteht sich wohl voll selbst, ja nach den Erfahrungen, die wir über die üblen
Folge» jeder Begriffsverwirrung in letzter Zeit gemacht haben, scheint es viel
zweckmäßiger, einen bescheideneren Namen — allenfalls den von Staatsseerctären —
zu wählen. DaS Wesentliche ist uur die Trennung der innern Verwal¬
tung der Provinz von jener des Gesammtstaates, und diese kann nur
als die nothwendige Folge der Provinzialverfassnng selbst betrachtet werden.




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[0112] ist der Wirkungskreis des Gesammtstaates in sich klar: In Hinsicht alles nebli¬ gen, wie Finanzen, Kommunikationsmittel n. s. w. läßt sich nnr der Grundsatz ausstellen, daß alles dasjenige, was den ganzen Staat betrifft, auch nur durch die Organe des Gesammtstaates geleitet werden kann. Wie die Einheit der Monarchie nur dann bestehen kann, wenn man für die zur Erhaltung derselben nöthigen Organe gesorgt hat, und der Wirkungskreis dieser gesichert ist, so ist jede Provinzialverfassung ein Unding, wenn ihr jene Mittel fehlen, wodurch sie ihrer Aufgabe im eigenen Kreise genügen kann; und wie es kaum zu denken ist, wie ein Gesammtstaat bestehen konnte, wenn das Ministerium desselben jeder Proviuzialversammlung besonders verantwortlich gemacht würde, so ist es meines Erachtens nicht weniger sonderbar, von besondern Pro- vinziallandtagen zu sprechen, wenn die Provinz für ihre inneren Ange¬ legenheiten — und lediglich für diese — nicht eigene, und uur ihr verantwortliche Verwaltungsbehörden haben soll. Will man dies nicht, so muß man sich zu eiuer der folgenden Möglichkeiten entschließen. Entweder das Gcsammtministerinm ist jedem Proviuziallaudtag besonders verant¬ wortlich, — was nur durch solche als möglich angenommen werden kann, die vom konstitutionellen Leben, keinen klaren Begriff haben; oder das Gesammtministerium ist auch für die blos die einzelnen Provinzen betreffenden administrativen Hand- lungen den«. Reichstage verantwortlich, — wodurch dieser mit Angelegenheiten der einzelnen Provinzen überhäuft, und an seiner eigenen Aufgabe gehindert wird; — oder es besteht für alle Handlungen der Verwaltung, welche die einzelnen Provin¬ zen betreffen, gar keine Verantwortlichkeit, d. h. unter den konstitutionellen For¬ men der ganzen Monarchie der größte Absolutismus in allein Einzelnen, wodurch die Verfassung des Staates jeden praktischen Werth für seine Bürger verliert. — Daß es ganz unwichtig ist, ob diejenigen, die mit der erstell Leitung der An¬ gelegenheiten in den einzelnen Provinzen betraut siud, Münster genannt werden, versteht sich wohl voll selbst, ja nach den Erfahrungen, die wir über die üblen Folge» jeder Begriffsverwirrung in letzter Zeit gemacht haben, scheint es viel zweckmäßiger, einen bescheideneren Namen — allenfalls den von Staatsseerctären — zu wählen. DaS Wesentliche ist uur die Trennung der innern Verwal¬ tung der Provinz von jener des Gesammtstaates, und diese kann nur als die nothwendige Folge der Provinzialverfassnng selbst betrachtet werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/112>, abgerufen am 26.05.2024.