Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

allen Seiten in die Enge getriebene Häuflein und einzelne Marodeurs, die ohne
allen Widerstand in unsere Gefangenschaft geriethell; in den Städten nur Weiber,
Kinder, Greise und friedliche Einwohner, die den Verlockungen Hurbau's wider¬
standen hatten. Die Weiler deö Gebirges stauben verlassen, ihre Bewohner hatten
die Kerutruppen Hnrban'S gebildet, konnten einer harten Strafe entgegen sehen,
und da sie dnrch ihr altes Handwerk mit den Schluchten ihrer Wälder sehr ver¬
traut worden waren, so flüchteten sie sich jetzt mit ihren Familien in die wohl¬
bekannten Verstecke, das geraubte Gut aus der goldnen Zeit der Plünderung mit
sich fortschleppend oder in den öden Hütten zurücklassend. Die Anführer aber
retteten sich größtentheils über die Grenze, entweder wie Hurbau selbst "ach Prag,
oder uach Schlesien, Mähren oder Oestreich zu den slavischen Brüdern. Unter
uusern Gefangenen, bei 500 an der Zahl, befanden sich auch mehrere Kandidaten
der Theologie, die in diesem Kriege nicht eben bemüht waren, ihre christliche
Liebe und Demuth an den Tag zu legen. In dem Archiv des Verbves Notars
fanden wir einen regelrecht ausgearbeitete" Plan zur Ausplünderung der Juden
in Verbo und der Herren in der Umgegend, die bis jetzt uoch verschont geblieben
waren. Die Gefangenen wurden nach der Festung Leopoldstadt, "ach Niidas,
Frcistadtel, Tpruau und Neutra transportirt> wo auch später das Staudgericht,
welches in der gauzeu Gegend publicirt worden war, über sie aburtheilte; in den
Dörfern und Städten der aufrührerische" Gegend wurden verhältnißmäßige Militär-
nnd Nationalgardenbesatznngen zurückgelassen.

Wir waren sehr befriedigt. Jeder Sensenma"" ans unserer Schaar kehrte
Mit dem Bewußtsei" i" sei"e Heimat zurück, wenigstens einen Theil des Vater¬
landes gerettet zu haben, und unter den jungen Offiziere" werde" sich schwerlich
viele gesunde" haben, die nicht geneigt waren, eine Parallele zwischen sich und
den Huuyady'S, 'Zrinyi's, Tötvly'S u. f. w. aufzustellen. Ans den Städten und
Dörfern der besiegten Malcontenten kamen uns überall Deputationen entgegen,
um uns ihre Huldigung und Unterwerfung darzubringen! diese Unglücklichen hat¬
ten entweder um Schoiumg für ihre Vaterstadt, oder um Gnade für ihre Ver¬
wandten zu bitten, und d'a bei den vielfachen Verbindungen, in welchen die Ein¬
wohner dieser Gegeud mit ihren siegreichen Nachbarn standen, jeder einen
Geschäftsfreund oder Bekannten in unser" Reihe" fand, so gab es reichliche Ge¬
legenheit, Me"sche"fre"udlichkeit zu bethäiigen. Auf unserm Rückmärsche wurde"
wir an alleil Orten mit Glockengelaut und feierlichen Aufzügen empfangen; i"
den Dörfern und ans den Edelhöfen trafen wir wahrhaft ungarische Gastfreund-
schaft; in den Straßen, die wir durchzogen, lachte" n"S aus jedem Bauernhause
ein Paar rosige Wangen entgegen, und bei dein gastfreundlichen Male im Hanse
des reichen Minos spiegelten sich in dem goldenen Strom deö Weines die schwar¬
zen Augen der Schollen Spenderin. Wer ein junges Herz im Busen trug, konnte
solchem Zauber nicht widerstehen, wir waren gefeierte Sieger und fühlten uns


allen Seiten in die Enge getriebene Häuflein und einzelne Marodeurs, die ohne
allen Widerstand in unsere Gefangenschaft geriethell; in den Städten nur Weiber,
Kinder, Greise und friedliche Einwohner, die den Verlockungen Hurbau's wider¬
standen hatten. Die Weiler deö Gebirges stauben verlassen, ihre Bewohner hatten
die Kerutruppen Hnrban'S gebildet, konnten einer harten Strafe entgegen sehen,
und da sie dnrch ihr altes Handwerk mit den Schluchten ihrer Wälder sehr ver¬
traut worden waren, so flüchteten sie sich jetzt mit ihren Familien in die wohl¬
bekannten Verstecke, das geraubte Gut aus der goldnen Zeit der Plünderung mit
sich fortschleppend oder in den öden Hütten zurücklassend. Die Anführer aber
retteten sich größtentheils über die Grenze, entweder wie Hurbau selbst »ach Prag,
oder uach Schlesien, Mähren oder Oestreich zu den slavischen Brüdern. Unter
uusern Gefangenen, bei 500 an der Zahl, befanden sich auch mehrere Kandidaten
der Theologie, die in diesem Kriege nicht eben bemüht waren, ihre christliche
Liebe und Demuth an den Tag zu legen. In dem Archiv des Verbves Notars
fanden wir einen regelrecht ausgearbeitete» Plan zur Ausplünderung der Juden
in Verbo und der Herren in der Umgegend, die bis jetzt uoch verschont geblieben
waren. Die Gefangenen wurden nach der Festung Leopoldstadt, »ach Niidas,
Frcistadtel, Tpruau und Neutra transportirt> wo auch später das Staudgericht,
welches in der gauzeu Gegend publicirt worden war, über sie aburtheilte; in den
Dörfern und Städten der aufrührerische» Gegend wurden verhältnißmäßige Militär-
nnd Nationalgardenbesatznngen zurückgelassen.

Wir waren sehr befriedigt. Jeder Sensenma»» ans unserer Schaar kehrte
Mit dem Bewußtsei» i» sei»e Heimat zurück, wenigstens einen Theil des Vater¬
landes gerettet zu haben, und unter den jungen Offiziere» werde» sich schwerlich
viele gesunde» haben, die nicht geneigt waren, eine Parallele zwischen sich und
den Huuyady'S, 'Zrinyi's, Tötvly'S u. f. w. aufzustellen. Ans den Städten und
Dörfern der besiegten Malcontenten kamen uns überall Deputationen entgegen,
um uns ihre Huldigung und Unterwerfung darzubringen! diese Unglücklichen hat¬
ten entweder um Schoiumg für ihre Vaterstadt, oder um Gnade für ihre Ver¬
wandten zu bitten, und d'a bei den vielfachen Verbindungen, in welchen die Ein¬
wohner dieser Gegeud mit ihren siegreichen Nachbarn standen, jeder einen
Geschäftsfreund oder Bekannten in unser» Reihe» fand, so gab es reichliche Ge¬
legenheit, Me»sche»fre»udlichkeit zu bethäiigen. Auf unserm Rückmärsche wurde»
wir an alleil Orten mit Glockengelaut und feierlichen Aufzügen empfangen; i»
den Dörfern und ans den Edelhöfen trafen wir wahrhaft ungarische Gastfreund-
schaft; in den Straßen, die wir durchzogen, lachte» n»S aus jedem Bauernhause
ein Paar rosige Wangen entgegen, und bei dein gastfreundlichen Male im Hanse
des reichen Minos spiegelten sich in dem goldenen Strom deö Weines die schwar¬
zen Augen der Schollen Spenderin. Wer ein junges Herz im Busen trug, konnte
solchem Zauber nicht widerstehen, wir waren gefeierte Sieger und fühlten uns


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0152" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185488"/>
            <p xml:id="ID_429" prev="#ID_428"> allen Seiten in die Enge getriebene Häuflein und einzelne Marodeurs, die ohne<lb/>
allen Widerstand in unsere Gefangenschaft geriethell; in den Städten nur Weiber,<lb/>
Kinder, Greise und friedliche Einwohner, die den Verlockungen Hurbau's wider¬<lb/>
standen hatten. Die Weiler deö Gebirges stauben verlassen, ihre Bewohner hatten<lb/>
die Kerutruppen Hnrban'S gebildet, konnten einer harten Strafe entgegen sehen,<lb/>
und da sie dnrch ihr altes Handwerk mit den Schluchten ihrer Wälder sehr ver¬<lb/>
traut worden waren, so flüchteten sie sich jetzt mit ihren Familien in die wohl¬<lb/>
bekannten Verstecke, das geraubte Gut aus der goldnen Zeit der Plünderung mit<lb/>
sich fortschleppend oder in den öden Hütten zurücklassend. Die Anführer aber<lb/>
retteten sich größtentheils über die Grenze, entweder wie Hurbau selbst »ach Prag,<lb/>
oder uach Schlesien, Mähren oder Oestreich zu den slavischen Brüdern. Unter<lb/>
uusern Gefangenen, bei 500 an der Zahl, befanden sich auch mehrere Kandidaten<lb/>
der Theologie, die in diesem Kriege nicht eben bemüht waren, ihre christliche<lb/>
Liebe und Demuth an den Tag zu legen. In dem Archiv des Verbves Notars<lb/>
fanden wir einen regelrecht ausgearbeitete» Plan zur Ausplünderung der Juden<lb/>
in Verbo und der Herren in der Umgegend, die bis jetzt uoch verschont geblieben<lb/>
waren. Die Gefangenen wurden nach der Festung Leopoldstadt, »ach Niidas,<lb/>
Frcistadtel, Tpruau und Neutra transportirt&gt; wo auch später das Staudgericht,<lb/>
welches in der gauzeu Gegend publicirt worden war, über sie aburtheilte; in den<lb/>
Dörfern und Städten der aufrührerische» Gegend wurden verhältnißmäßige Militär-<lb/>
nnd Nationalgardenbesatznngen zurückgelassen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_430" next="#ID_431"> Wir waren sehr befriedigt. Jeder Sensenma»» ans unserer Schaar kehrte<lb/>
Mit dem Bewußtsei» i» sei»e Heimat zurück, wenigstens einen Theil des Vater¬<lb/>
landes gerettet zu haben, und unter den jungen Offiziere» werde» sich schwerlich<lb/>
viele gesunde» haben, die nicht geneigt waren, eine Parallele zwischen sich und<lb/>
den Huuyady'S, 'Zrinyi's, Tötvly'S u. f. w. aufzustellen. Ans den Städten und<lb/>
Dörfern der besiegten Malcontenten kamen uns überall Deputationen entgegen,<lb/>
um uns ihre Huldigung und Unterwerfung darzubringen! diese Unglücklichen hat¬<lb/>
ten entweder um Schoiumg für ihre Vaterstadt, oder um Gnade für ihre Ver¬<lb/>
wandten zu bitten, und d'a bei den vielfachen Verbindungen, in welchen die Ein¬<lb/>
wohner dieser Gegeud mit ihren siegreichen Nachbarn standen, jeder einen<lb/>
Geschäftsfreund oder Bekannten in unser» Reihe» fand, so gab es reichliche Ge¬<lb/>
legenheit, Me»sche»fre»udlichkeit zu bethäiigen. Auf unserm Rückmärsche wurde»<lb/>
wir an alleil Orten mit Glockengelaut und feierlichen Aufzügen empfangen; i»<lb/>
den Dörfern und ans den Edelhöfen trafen wir wahrhaft ungarische Gastfreund-<lb/>
schaft; in den Straßen, die wir durchzogen, lachte» n»S aus jedem Bauernhause<lb/>
ein Paar rosige Wangen entgegen, und bei dein gastfreundlichen Male im Hanse<lb/>
des reichen Minos spiegelten sich in dem goldenen Strom deö Weines die schwar¬<lb/>
zen Augen der Schollen Spenderin. Wer ein junges Herz im Busen trug, konnte<lb/>
solchem Zauber nicht widerstehen, wir waren gefeierte Sieger und fühlten uns</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0152] allen Seiten in die Enge getriebene Häuflein und einzelne Marodeurs, die ohne allen Widerstand in unsere Gefangenschaft geriethell; in den Städten nur Weiber, Kinder, Greise und friedliche Einwohner, die den Verlockungen Hurbau's wider¬ standen hatten. Die Weiler deö Gebirges stauben verlassen, ihre Bewohner hatten die Kerutruppen Hnrban'S gebildet, konnten einer harten Strafe entgegen sehen, und da sie dnrch ihr altes Handwerk mit den Schluchten ihrer Wälder sehr ver¬ traut worden waren, so flüchteten sie sich jetzt mit ihren Familien in die wohl¬ bekannten Verstecke, das geraubte Gut aus der goldnen Zeit der Plünderung mit sich fortschleppend oder in den öden Hütten zurücklassend. Die Anführer aber retteten sich größtentheils über die Grenze, entweder wie Hurbau selbst »ach Prag, oder uach Schlesien, Mähren oder Oestreich zu den slavischen Brüdern. Unter uusern Gefangenen, bei 500 an der Zahl, befanden sich auch mehrere Kandidaten der Theologie, die in diesem Kriege nicht eben bemüht waren, ihre christliche Liebe und Demuth an den Tag zu legen. In dem Archiv des Verbves Notars fanden wir einen regelrecht ausgearbeitete» Plan zur Ausplünderung der Juden in Verbo und der Herren in der Umgegend, die bis jetzt uoch verschont geblieben waren. Die Gefangenen wurden nach der Festung Leopoldstadt, »ach Niidas, Frcistadtel, Tpruau und Neutra transportirt> wo auch später das Staudgericht, welches in der gauzeu Gegend publicirt worden war, über sie aburtheilte; in den Dörfern und Städten der aufrührerische» Gegend wurden verhältnißmäßige Militär- nnd Nationalgardenbesatznngen zurückgelassen. Wir waren sehr befriedigt. Jeder Sensenma»» ans unserer Schaar kehrte Mit dem Bewußtsei» i» sei»e Heimat zurück, wenigstens einen Theil des Vater¬ landes gerettet zu haben, und unter den jungen Offiziere» werde» sich schwerlich viele gesunde» haben, die nicht geneigt waren, eine Parallele zwischen sich und den Huuyady'S, 'Zrinyi's, Tötvly'S u. f. w. aufzustellen. Ans den Städten und Dörfern der besiegten Malcontenten kamen uns überall Deputationen entgegen, um uns ihre Huldigung und Unterwerfung darzubringen! diese Unglücklichen hat¬ ten entweder um Schoiumg für ihre Vaterstadt, oder um Gnade für ihre Ver¬ wandten zu bitten, und d'a bei den vielfachen Verbindungen, in welchen die Ein¬ wohner dieser Gegeud mit ihren siegreichen Nachbarn standen, jeder einen Geschäftsfreund oder Bekannten in unser» Reihe» fand, so gab es reichliche Ge¬ legenheit, Me»sche»fre»udlichkeit zu bethäiigen. Auf unserm Rückmärsche wurde» wir an alleil Orten mit Glockengelaut und feierlichen Aufzügen empfangen; i» den Dörfern und ans den Edelhöfen trafen wir wahrhaft ungarische Gastfreund- schaft; in den Straßen, die wir durchzogen, lachte» n»S aus jedem Bauernhause ein Paar rosige Wangen entgegen, und bei dein gastfreundlichen Male im Hanse des reichen Minos spiegelten sich in dem goldenen Strom deö Weines die schwar¬ zen Augen der Schollen Spenderin. Wer ein junges Herz im Busen trug, konnte solchem Zauber nicht widerstehen, wir waren gefeierte Sieger und fühlten uns

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/152
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/152>, abgerufen am 17.06.2024.