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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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stolz und glücklich. Es war kein schwerer Feldzug gewesen, es war unendlich
wehr Wein als Blut geflossen, und mehr Lachen als Fluchen gehört worden.

Die ungarischen Nordslaven sind von Natur ein unverdorbenes, arbeitsames
und friedliches Völkchen, das von dem Alten, Herkömmlichen nur durch große
Schonung und geduldiges Ausharren abzubringen ist, aber unter der sanften Hand
einer wohlmeinenden Negierung noch jeder Gestaltung und Bildung fähig ist, es
unterscheidet sich darin sehr vortheilhaft von seinen nördlichem und südlichen. Stamm¬
verwandten. Wahrend nämlich der verschlossene Czeche sich mit eisernem Starrsinn
in die verblicheiwn Gewänder seiner einstigen Größe hüllt und alle Vortheile, die
von einer nicht slavischen Freundschaft kommen könnten, mit Trotz zurückweist, und
der wilde Naitze in dein Lande, wo er gastfreundlich aufgenommen wurde, seinem
Wirthe Untergang und Tod sinnt, hat der Nordslave von seiner dunkeln Ver¬
gangenheit keine Erinnerung, und trotz aller Bemühungen einiger Agitatoren wird
er noch lange die Bestrebungen, ans seinem schmalen, in jeder Beziehung an
den Süden hingewiesenen Gebirgsland ein eigenes Krvnland zu bilden, mit einem
ihm eigenthümlichen, wichtig-ironischen Lächeln betrachten; und selbst wenn die
prophezeite Slava ihm ans dem Himmel in den Schooß fiele, würde er vor
Allem die Frage an sie stellen: ob sie ihm seine Leinwand, sein Bauholz, sein
Tuch und seine Schnitzwaaren zu deu Preisen abnehmen könne, zu welchen er sie
in Pesth, Debreczin und Szegcdiu verkauft, ob sie ihm dafür solchen Wein,
solchen Walzen und solchen Tabak liefern kann, wie die südlichen Comitate
Ungarns? Diese ruhige verständige Betrachtung der Verhältnisse kommt ihm aber
nicht nnr ans der Furcht vor gewaltsamen Erschütterungen, sondern wurzelt tief
in seinem Gefühl und seinem wohlberechnenden Geist; dieses bezeugen die slavi¬
schen Bewohner von Bars, Haut, Vvgrnd, Gömör und Säros, die mit dem
größten Eifer gegen die Unruhstifter zu Felde zogen, selbst die Bewohner von
Neutra, Trentschin und Preßburg, die durchaus leine Sympathie für den Hur¬
banischen Kampf zeigten. Hnrban selbst hat dies eingesehen, und seinen Lands-
leuten in den Reden, die er nach Uebergabe der Festung Leopoldstadt und Be¬
setzung dieser Gegend durch die Oestreicher in Verbo, Wagneustadtl, Trent¬
schin n. a. O., wegen Errichtung eines Freicorps gegen die Magyaren abhielt,
die bittersten Vorwürfe gemacht. "Seht," sagte er, (ich wiederhole seine Worte
gena") "welch' ein elendes Gesindel Ihr seid! Jeder Volksstamm in der Monar¬
chie hat in neurer Zeit , ein Lebenszeichen von sich gegeben, nnr Ihr seid von
Gott mit einer Stumpfheit geschlagen, aus der Euch keine Gewalt der Erde und
des Himmels reißen kann. Unsere südslavischcn Brüder, die Kroaten, Slavonier
und Serben machen zusammen nicht so viel ans als Ihr, und sind außerdem
noch durch die Verschiedenheit ihres Idioms von einander getrennt, und dennoch
welch' ruhmvolle Thaten haben sie verrichtet, und welche haben nur noch von
ihnen zu erwarten! Ihr wohnt an dritthalb Millionen (?) in einer compackten


Grc"Man.-Il. Ü8Z0. 19

stolz und glücklich. Es war kein schwerer Feldzug gewesen, es war unendlich
wehr Wein als Blut geflossen, und mehr Lachen als Fluchen gehört worden.

Die ungarischen Nordslaven sind von Natur ein unverdorbenes, arbeitsames
und friedliches Völkchen, das von dem Alten, Herkömmlichen nur durch große
Schonung und geduldiges Ausharren abzubringen ist, aber unter der sanften Hand
einer wohlmeinenden Negierung noch jeder Gestaltung und Bildung fähig ist, es
unterscheidet sich darin sehr vortheilhaft von seinen nördlichem und südlichen. Stamm¬
verwandten. Wahrend nämlich der verschlossene Czeche sich mit eisernem Starrsinn
in die verblicheiwn Gewänder seiner einstigen Größe hüllt und alle Vortheile, die
von einer nicht slavischen Freundschaft kommen könnten, mit Trotz zurückweist, und
der wilde Naitze in dein Lande, wo er gastfreundlich aufgenommen wurde, seinem
Wirthe Untergang und Tod sinnt, hat der Nordslave von seiner dunkeln Ver¬
gangenheit keine Erinnerung, und trotz aller Bemühungen einiger Agitatoren wird
er noch lange die Bestrebungen, ans seinem schmalen, in jeder Beziehung an
den Süden hingewiesenen Gebirgsland ein eigenes Krvnland zu bilden, mit einem
ihm eigenthümlichen, wichtig-ironischen Lächeln betrachten; und selbst wenn die
prophezeite Slava ihm ans dem Himmel in den Schooß fiele, würde er vor
Allem die Frage an sie stellen: ob sie ihm seine Leinwand, sein Bauholz, sein
Tuch und seine Schnitzwaaren zu deu Preisen abnehmen könne, zu welchen er sie
in Pesth, Debreczin und Szegcdiu verkauft, ob sie ihm dafür solchen Wein,
solchen Walzen und solchen Tabak liefern kann, wie die südlichen Comitate
Ungarns? Diese ruhige verständige Betrachtung der Verhältnisse kommt ihm aber
nicht nnr ans der Furcht vor gewaltsamen Erschütterungen, sondern wurzelt tief
in seinem Gefühl und seinem wohlberechnenden Geist; dieses bezeugen die slavi¬
schen Bewohner von Bars, Haut, Vvgrnd, Gömör und Säros, die mit dem
größten Eifer gegen die Unruhstifter zu Felde zogen, selbst die Bewohner von
Neutra, Trentschin und Preßburg, die durchaus leine Sympathie für den Hur¬
banischen Kampf zeigten. Hnrban selbst hat dies eingesehen, und seinen Lands-
leuten in den Reden, die er nach Uebergabe der Festung Leopoldstadt und Be¬
setzung dieser Gegend durch die Oestreicher in Verbo, Wagneustadtl, Trent¬
schin n. a. O., wegen Errichtung eines Freicorps gegen die Magyaren abhielt,
die bittersten Vorwürfe gemacht. „Seht," sagte er, (ich wiederhole seine Worte
gena») „welch' ein elendes Gesindel Ihr seid! Jeder Volksstamm in der Monar¬
chie hat in neurer Zeit , ein Lebenszeichen von sich gegeben, nnr Ihr seid von
Gott mit einer Stumpfheit geschlagen, aus der Euch keine Gewalt der Erde und
des Himmels reißen kann. Unsere südslavischcn Brüder, die Kroaten, Slavonier
und Serben machen zusammen nicht so viel ans als Ihr, und sind außerdem
noch durch die Verschiedenheit ihres Idioms von einander getrennt, und dennoch
welch' ruhmvolle Thaten haben sie verrichtet, und welche haben nur noch von
ihnen zu erwarten! Ihr wohnt an dritthalb Millionen (?) in einer compackten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/153>, abgerufen am 26.05.2024.